Buntes

Tamara Boros: „Junge Spielerinnen heranführen“

Tamara Boros (l.) wird die deutschen Damen von nun an täglich betreuen (©Schillings)

16.07.2020 - Tamara Boros darf sich im nächsten Jahr auf eine neue große Aufgabe freuen. Die ehemalige kroatische Weltranglistenzweite wird Jie Schöpp nach den Olympischen Spielen in Tokio als Bundestrainerin ablösen. Im großen myTischtennis.de-Interview verrät sie, welcher Trainertyp sie ist, wo sie in den nächsten Jahren die großen Herausforderungen im deutschen Damenteam sieht und wie man China schlagen kann. Denn das hat sie in ihrer aktiven Zeit selbst des Öfteren geschafft.

myTischtennis.deKam das Jobangebot, künftig als Bundestrainerin zu arbeiten, überraschend für Sie? Oder war das vielleicht insgeheim auch Ihr Ziel?

Tamara Boros: Ich komme aus Kroatien und hatte daher erst mal nicht explizit das Ziel, Nationaltrainerin von Deutschland zu werden. Man weiß schließlich nie, wohin einen das Leben treibt. Vor drei Jahren bekam ich das Angebot, im DTTZ in Düsseldorf zu arbeiten, was mich sehr gefreut hat, weil ich die guten Bedingungen hier noch aus meiner Zeit als Spielerin kannte. Seitdem bin ich Teil des Trainerteams und kümmere mich in erster Linie um die Internatsschüler und unterstütze auch den U23-Kader der Damen. Am Anfang habe ich natürlich nicht darüber nachgedacht, eines Tages Bundestrainerin zu sein. Aber mit der Zeit kommen einem dann schon auch solche Gedanken in den Sinn. Richard Prause konnte sich in den letzten drei Jahren einen Eindruck davon machen, wie ich arbeite und ob ich bereit für den Job bin. Für mich ist es eine große Ehre und ich hoffe, dass ich helfen kann.

myTischtennis.deWas bedeutet es für Sie, in Jie Schöpps Fußstapfen zu treten?

Tamara Boros: Jie war bisher unglaublich erfolgreich, hat viele tolle Ergebnisse erzielt. Es wird für mich sehr schwer werden, das auch zu erreichen. Denn in den nächsten Jahren wird es meiner Ansicht nach schrittweise auch zu einem Generationenwechsel im deutschen Damen-Team kommen. Also ist es eine große Aufgabe und ein Ziel von mir, die jungen Spielerinnen an diese Gruppe heranzuführen und sie darauf vorzubereiten, irgendwann auch Medaillen bei wichtigen Events gewinnen zu können.

myTischtennis.deDieser Übergang vom Jugend- in den Erwachsenenbereich hat bei den Damen in den vergangenen Jahren nicht so gut funktioniert. Es gelangten nur wenige Talente bis in den Kreis der Nationalspielerinnen. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Tamara Boros: Es ist nicht so einfach als Profi-Tischtennisspielerin in Deutschland. Nach der Schule muss man sich entscheiden, ob man studieren möchte oder Tischtennisprofi wird. Vor allem für Frauen ist es eine Herausforderung, alles auf den Sport zu setzen. Zudem verdienen Frauen auch nicht so viel wie Männer. Aber ich hoffe, dass in den nächsten Jahren vier, fünf Mädchen nach Düsseldorf kommen möchten. Das wäre auch für die älteren Spieler gut, wenn Konkurrenz von unten käme, so dass man sich gegenseitig pushen kann.

myTischtennis.deWer ist denn aktuell im U23-Kader?

Tamara Boros: Aktuell gehören zum U23 Kader Franziska Schreiner, Yuki Tsutsui und Laura Tiefenbrunner. Nächstes Jahr stoßen noch Sophia Klee und Anastasia Bondareva dazu, wenn sie mit der Schule fertig sind und sich dann für eine Profikarriere entscheiden.

myTischtennis.deAls Sie selbst noch Profispielerin waren, haben Sie viele Erfolge gefeiert, waren die Nummer zwei der Welt und haben sogar einige Chinesinnen geschlagen. Wie lautet das Geheimrezept, das Sie Ihren Spielerinnen gegen China in Zukunft mitgeben werden?

Tamara Boros: Um gegen japanische oder chinesische Spielerinnen bestehen zu können, muss man etwas Besonderes oder eine ähnlich gute Rückhand wie sie haben. Ich hatte einen guten Aufschlag und eine gute Rückhand. Gegen sie ist es extrem wichtig, dass man während der ersten zwei, drei Ballkontakte auf einem ähnlichen Level ist. Denn da holen sie aufgrund ihrer Stärke im Aufschlag-/Rückschlagbereich sonst einen großen Vorteil für sich heraus. Daher arbeite ich mit meinen Spielerinnen auch verstärkt an diesen ersten Ballkontakten. Aber natürlich ist es trotzdem sehr, sehr schwer, die große Lücke zu schließen. Allein schon was das Trainingspensum und die Anzahl an verfügbaren Spielern angeht.

myTischtennis.deWie würden Sie sich selbst als Trainerin beschreiben? Sind Sie eher der strenge oder der freundschaftliche Typ?

Tamara Boros: Für mich als Coach ist ein guter Kontakt zu meinen Spielern essentiell. Es ist wichtig, dass sie mir vertrauen und dass sie glücklich sind. Ich bin davon überzeugt, dass man, wenn man mit seinem Leben zufrieden ist, auch besser in der Halle wird. Das Training passe ich individuell auf die Spielerinnen an. Denn für eine 38-Jährige sind andere Dinge im Training relevant als für eine 20-Jährige. Doch auch wenn ich gerne zu Kompromissen bereit bin und möchte, dass sich meine Spielerinnen wohl fühlen, gibt es am Ende natürlich eine Linie, der alle folgen müssen.

myTischtennis.deWelches Hauptziel haben Sie sich für Ihren neuen Job gesetzt?

Tamara Boros: Medaillen bei den großen Events zu gewinnen ist natürlich immer das Ziel, zumindest aber möchten wir um Medaillen mitkämpfen. Das gilt gleichermaßen für EM, WM und die Olympischen Spiele. Insgesamt ist vor allem die asiatische Konkurrenz natürlich sehr stark und schwer zu schlagen. Wir wollen aber alles daran setzen, uns weiter zu verbessern, und auch diese Nationen weiterhin ärgern.

myTischtennis.deWie wird der Wechsel von Schöpp zu Boros nun in den nächsten Monaten vonstatten gehen? Es hieß, dass schon in diesem Jahr gemeinsame Aufgaben übernommen werden. Was heißt das konkret?

Tamara Boros: Ja, ich bin nun jeden Tag beim Training dabei. Wir planen die nächste Saison gemeinsam, sprechen darüber, was gut für die Gruppe ist. Das läuft sehr harmonisch im Team, wobei natürlich Jie hier das letzte Wort hat. Zudem werde ich zu Turnieren mitfahren und coachen. Ich werde also sehr nah am Team sein, lernen, wie die Dinge ablaufen, und die Spielerinnen besser kennenlernen.

myTischtennis.deWerden wir Sie auch schon bei der EM an der Box sehen, wenn sie denn stattfindet?

Tamara Boros: Ja, bei der EM bin ich auf jeden Fall mit dabei!

(JS)

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