Buntes

Hoffnung auf weniger Maßnahmen zum Wiedereinstieg?

Dr. Adela Žatecky und Markus Reiter schätzen einige DTTB-Maßnahmen als unnötig ein (©privat)

30.04.2020 - Um den Wiedereinstieg in den Sportbetrieb zu ermöglichen, bat der Deutsche Olympische Sportbund seine Fachverbände vor Kurzem darum, sich mit sportartspezifischen Übergangsregeln für Training und Wettkampf zu beschäftigen. Der DTTB legte einen ausführlichen Maßnahmenkatalog vor, der in der Szene unterschiedliche Reaktionen hervorrief. Dr. Adela Žatecky und Markus Reiter machten nun Hoffnung darauf, dass man auch mit deutlich weniger Maßnahmen auskäme.

Abstand und Hygiene - mit diesen beiden Dingen müssen wir uns wohl längerfristig anfreunden, wenn es um das tägliche Leben in Geschäften, auf der Arbeit und in öffentlichen Verkehrsmitteln, aber auch im Sportverein geht. Darauf fußen auch die zehn Leitplanken, die der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) seinen Fachverbänden mit auf den Weg gegeben hat, um Bestimmungen zu definieren, wie die einzelnen Sportarten ihren Trainings- und Wettkampfbetrieb behutsam und risikoarm wieder aufnehmen können. Der DTTB stellte auf dieser Grundlage 20 Regeln auf - zuzüglich vier Bestimmungen, die sich nur auf den Wettkampfbetrieb beziehen. Darin enthalten sind unter anderem Maßnahmen, die auf die Einhaltung eines gewissen Abstands abzielen, wie das Unterlassen von Doppelspielen, oder auf eine größtmögliche Hygiene in der Trainingssituation. Einige Maßnahmen fußen allerdings auch auf der Annahme, dass das Virus über Oberflächen wie den Ball weitergegeben werden kann, so dass es laut DTTB zum Beispiel notwendig wird, einen eigenen Ball zu nutzen, der von niemand anderem angefasst werden darf. An dieser Stelle widersprechen die Ärztin Dr. Adela Žatecky und Trainer Markus Reiter, die in dieser Woche einen alternativen - und deutlich kürzeren - Maßnahmenplan in Umlauf brachten.

Keine Angst vor Schmierinfektion?

Dr. Žatecky ist nicht nur C-Lizenz-Trainerin beim TTV Offenbach, sondern vor allem Ärztin sowie Medizinjournalistin und hat ihre Promotion in der Virologie erlangt. Markus Reiter ist unter anderem A-Lizenztrainer und Ressortleiter Lehrwesen im hessischen Tischtennisverband. Die beiden erläutern in ihrem fünfseitigen Schreiben die Herausforderungen, vor die uns die CoViD-19-Pandemie auch im Tischtennis stellt. Die vom DTTB aufgestellten Empfehlungen zur Hygiene und Distanz teilen Žatecky und Reiter größtenteils. Zweifel melden sie allerdings bezüglich der Punkte an, die auf der Annahme beruhen, dass sich das Coronavirus durch Schmierinfektion überträgt. „Im Gegensatz zu Bakterien werden Viren in den allermeisten Fällen nicht über Schmierinfektionen übertragen“, heißt es in dem Schreiben der Ärztin und des Trainers. „SARS-CoV-2 wird über Aerosole übertragen - also kleinste Flüssigkeitströpfchen, die von den Infizierten ausgehaucht und ausgehustet werden.“ Und weiter: „Sobald dieses Aerosol austrocknet, wird auch die aus einem Fettfilm bestehende Virusmembran zerstört - damit kann das Virus nicht mehr an seine Rezeptoren auf den Zellen der Atemwegsschleimhaut andocken.“ Es sei nicht vorstellbar, dass sich solche Aerosole auf Plastikkugeln halten, die sich mit Geschwindigkeiten über 100 km/h rotierend durch die Luft bewegen, ohne dass die Tröpfchen dabei trocknen. „Solange man die Vorschriften zur Hand- und Ballhygiene beachtet, ist man mit dem Ball auf der sicheren Seite.“

Dabei berufen sich die Autoren des Schreibens auf das Bundesinstitut für Risikobewertung, das die Tröpfcheninfektion ebenfalls als wichtigsten Übertragungsweg ausweist, ohne die Möglichkeit einer Schmierinfektion auszuschließen. Es seien derzeit allerdings keine Fälle bekannt, bei denen sich ein Mensch durch den Kontakt zu einem kontaminierten Gegenstand infiziert habe. Aus diesen Gründen fordern Žatecky und Reiter den DTTB auf, über einige Punkte des Katalogs noch einmal nachzudenken. Zusätzlich empfehlen sie eine gute Durchlüftung der Halle, die im DTTB-Plan nicht aufgeführt wurde. Denn bei einer guten Luftzirkulation werde verhindert, dass virushaltige Aerosole in ausreichend hoher Konzentration an einem Ort in der Luft bleiben.

An Vorgaben halten, um Hallen zu öffnen

Natürlich hat sich auch der DTTB fachlichen Rat für die Erstellung seiner Liste geholt. Neben den zehn Leitplanken des DOSB, die den Rahmen für die Festlegung von Vorgaben darstellten, argumentiert DTTB-Generalsekretär Matthias Vatheuer auch mit dem Robert-Koch-Institut. Auf dessen Webseite wird darauf hingewiesen, dass eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen insbesondere in der unmittelbaren Umgebung des Infizierten nicht auszuschließen sei, da vermehrungsfähige SARS-CoV-2-Viren unter bestimmten Umständen in der Umwelt nachgewiesen werden können. „Auch die Sportministerkonferenz gibt in ihrem Beschluss vom 28. April 2020 vor, dass gemeinsam genutzte Sportgeräte zu desinfizieren sind“, berichtet Vatheuer. „Insofern berücksichtigen wir in unseren Empfehlungen auch die Bälle. Wenn es keinerlei Risiko gäbe, dass man sich über den Ball infiziert, wäre das für Tischtennis super, aber wir müssen von dem ausgehen, was offizielle Stellen vorgeben.“

Der Verband müsse dokumentieren, dass er bereit sei, seinen Teil dazu beizutragen, dass trotz der Ausübung unseres Sports die Ausbreitung der Pandemie weiterhin verlangsamt werden kann. „Ziel des von uns erstellten Profils ist, der Politik eine Entscheidungsvorlage an die Hand zu geben, die hilft, dass die Hallen wieder für Tischtennis geöffnet werden“, erklärt Vatheuer. „Dass Tischtennis-Training unter den von uns beschriebenen Rahmenbedingungen nicht einfach zu organisieren ist, ist uns klar. Die Alternative ist nach unserer Einschätzung aber, dass Tischtennis nicht erlaubt wird, wenn wir uns nicht an die Vorgaben halten. Am Ende geben die jeweils für die Hallen zuständigen Behörden den exakten Rahmen für eine Öffnung vor.“ 

Verbreitung verhindern

Festzuhalten bleibt, dass Schmierinfektionen prinzipiell weder vom Robert-Koch-Institut noch vom Bundesinstitut für Risikobewertung ausgeschlossen werden. Ob ein fliegender, sich drehender Tischtennisball nun der beste Ort zur Weitergabe von Viren ist, darf sicherlich bezweifelt werden. Entscheidend für den Maßnahmenkatalog des DTTB war allerdings, sich an alle vorgelegten Vorgaben zu halten, um die Chance zu erhöhen, dass der Trainingsbetrieb bald wieder aufgenommen werden kann. Da wir Tag für Tag neue Erkenntnisse über die SARS-CoV-2-Viren erlangen, ist es durchaus möglich, dass man bald feststellt, mit der einen oder anderen vorgeschlagenen Maßnahme über das Ziel hinaus geschossen zu sein. In dem Fall darf man aber sicher davon ausgehen, dass diese Liste nicht in Stein gemeißelt ist und je nach wissenschaftlichem Kenntnisstand und politischen Vorgaben noch angepasst werden kann. Denn wichtig ist vor allem eines: dass eine weitere Verbreitung des Virus verhindert wird. Und dazu soll auch der Tischtennissport seinen Teil beitragen.

(JS)

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