Buntes

Training in Schichten: Jörg Roßkopf über neuen Alltag

Bundestrainer Jörg Roßkopf muss seinen Spielern nun mit größerem Abstand begegnen (©Thomas)

28.04.2020 - Ein erlesener Kreis an Menschen darf das tun, was viele unserer Leser gerade auch möchten: Tischtennis in der Halle spielen. Dank einer Sondergenehmigung dürfen die Profis des Olympia- und Perspektivkaders trotz der Corona-Krise wieder trainieren. Bundestrainer Jörg Roßkopf erklärt uns im Interview, welche Auflagen eingehalten werden müssen, wie er diese Zeit mit seinen Spielern nutzen möchte und welche Ideen er entwickelt hat, damit seine Schützlinge am Tag X in Wettkampfform sind.

myTischtennis.de: Eine Sache, über die in den vergangenen Jahren immer wieder geklagt wurde, ist zu wenig Zeit im übervollen Terminkalender. Nun hat man plötzlich unglaublich viel davon. Wie fühlt sich das an?

Jörg Roßkopf: Naja, so haben wir das ja nun nicht gewollt (lacht). Es fühlt sich seltsam an. Das geht sicherlich allen Menschen so. Man hat viel Zeit, auf der anderen Seite aber auch nicht, weil wir jetzt wieder die Möglichkeit haben, in der Halle zu trainieren. Was aber für uns komplett weggefallen ist, sind die Turniere und Auslandsaufenthalte. Und das wird in den nächsten Wochen und Monaten auch so bleiben.

myTischtennis.de: Und wie willst du diese Zeit mit deinen Schützlingen nutzen?

Jörg Roßkopf: Wir haben jetzt die Möglichkeit, an der Grundbasis zu arbeiten und Schwächen aufzuholen. Bisher haben wir uns jedes Jahr gefreut, wenn wir im Sommer mal vier, fünf Wochen Zeit haben, intensiv zu trainieren. Jetzt können wir das auch, allerdings wird das nicht nur vier, fünf Wochen betreffen. Und was noch dazukommt: Sonst haben wir im Anschluss ein Turnier, auf das wir hinarbeiten. Diesmal ist keins in Sicht. Es fehlt das Ziel. Das ist schwierig für die Spieler, aber da müssen sie durch. Sie wissen, woran sie arbeiten müssen, kennen ihre Schwächen. Das ist eine einmalige, ganz neue Situation: Man kann jetzt mal ohne den mentalen Druck, der ein bevorstehendes Turnier mit sich bringt, an etwas arbeiten.

myTischtennis.de: Es gibt also keine konkreten Ziele, auf die ihr gerade hinarbeitet?

Jörg Roßkopf: Naja, solange die WM in Südkorea noch im Kalender steht oder die Czech Open im August, gibt es schon noch Ziele. Allerdings ist es gerade schwer vorstellbar, dass wir in ein paar Monaten irgendwo hinreisen. Trotzdem müssen sich die Spieler fit halten. Denn wenn es dann losgeht, müssen sie bereit sein. Was uns ein bisschen Angst macht, ist die Terminflut, die es dann wahrscheinlich geben wird. Denn wenn die Turniere, die bis jetzt ausgefallen sind, nachgeholt werden sollen, müssen sie ja irgendwo in den bestehenden Kalender gepackt werden. Zudem wird 2021 ein neues Turniersystem mit Wettbewerben über zehn bis zwölf Tage eingeführt. Werden die Turniere, die 2020 nicht stattfinden konnten, dann dort noch irgendwie integriert? Es wäre möglich, dass wir 2021 eine Einzel-, eine Mannschaftsweltmeisterschaft und die Olympischen Spiele haben - wobei ich aktuell nicht daran glaube, dass die Spiele 2021 stattfinden werden.

myTischtennis.de: Also ist Olympia in den Köpfen der Spieler gerade erst einmal kein Thema mehr?

Jörg Roßkopf: Nein, ich denke, die Spieler machen sich da gerade keine Gedanken drum. Wir schauen jetzt erst einmal auf den Zeitpunkt, an dem die Turniere wieder beginnen. Olympia ist da in weitere Ferne gerutscht.

myTischtennis.de: Was kann man denn dafür tun, dass deine Spieler, wenn es denn wieder losgeht, auf den Punkt fit und bereit für Wettkämpfe sind, die sie ja dann einige Monate gar nicht mehr hatten?

Jörg Roßkopf: Da habe ich mir sehr viele Gedanken zu gemacht. Ganz wichtig ist, dass wir viele Wettkämpfe im Training spielen und diese auch hochhalten - also mit Schiedsrichtern und Trainern spielen, Einzelwettkämpfe und Mannschaftswettkämpfe austragen, Prämien oder Punkte vergeben, die man für irgendwas sammelt. Diese Spiele müssen anders als die normalen Trainingswettkämpfe am Ende einer Einheit sein. Ich könnte mir da so manches vorstellen: zum Beispiel, dass einmal ein Spiel live im Internet übertragen wird. Oder dass wir eine virtuelle Turnierserie ausrichten. Wir können aktuell nicht reisen, aber wir könnten die Spieler, die gerade in Deutschland sind, zu uns einladen. Das ist aktuell natürlich alles Zukunftsmusik und einfach noch nicht möglich - aber das wäre auf längere Sicht eine Möglichkeit.

myTischtennis.de: Das heißt, gegen Geisterturniere ohne Zuschauer hättest du prinzipiell nichts?

Jörg Roßkopf: Das kann ein erstes Ziel sein, schließlich sind wir im Tischtennis mindestens die 2,74 Meter Tischlänge voneinander entfernt. Und wir brauchen uns da ja auch nichts vorzumachen: Wir haben bei vielen Turnieren eh nicht so viele Zuschauer vor Ort. 

myTischtennis.de: Die 2,74 Meter Tischlänge sind sicher auch ein Grund dafür, dass ihr gerade überhaupt wieder trainieren dürft. Welche Spieler oder Kader haben denn aktuell eine Sondergenehmigung erhalten? 

Jörg Roßkopf: Das betrifft für unseren Stützpunkt in Düsseldorf den Olympia- und Perspektivkader. Dazu kommen noch andere regionale Sondergenehmigungen, etwa für Frankfurt oder Saarbrücken. Das sind jeweils nur ein paar Leute und es ist schade für die, die aktuell nicht trainieren können. Aber wir sind einfach nur heilfroh, dass es zumindest für ein paar Spieler wieder möglich ist - wenn natürlich auch nur im ‚Schichtbetrieb‘ mit einem Tisch, einem Spieler und einem Trainer pro Halle.

myTischtennis.de: Bist du darüber informiert, wie das gerade in anderen Nationen läuft? Also, wie etwa die Chinesen oder Japaner trainieren können?

Jörg Roßkopf: Ich habe gehört, dass es in Japan gerade schwierig ist, zu trainieren, weil nach der Verschiebung der Olympischen Spiele viel zugemacht wurde. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die Topspieler dort auch andere Möglichkeiten finden, zu trainieren, zum Beispiel am eigenen Tisch zu Hause oder über die Firma, bei der sie angestellt sind. Über die Chinesen habe ich gerade keine Infos. 

myTischtennis.de: So mancher Amateur würde sicher gerne auch mal wieder spielen. Und Profis können sich ja genau so gut anstecken und die Krankheit weiterverbreiten wie Amateure. Also, wie kann man das dem Laien erklären, dass es diese Sondergenehmigungen gibt?

Jörg Roßkopf: Das Bedürfnis kann ich gut verstehen und aus diesem Grund macht man sich ja gerade Gedanken darum, unter welchen Bedingungen auch der Amateursport wieder anlaufen könnte. Wenn die Vereine gewährleisten können, dass sie, wie auch wir gerade, die Tische nach jedem Paar desinfizieren, die Bälle austauschen usw., dann wird es auch bei den Amateuren irgendwann wieder losgehen. In unserem Fall ist es so, dass die Berufssportler jetzt wieder ihrer Arbeit nachgehen können. Für die Profis ist es zwar wie Kurzarbeit, denn durch das Spielen in Schichten kommen sie am Tag womöglich nur auf zwei Stunden Training statt wie sonst auf acht. Aber wir sind sehr froh und dankbar, dass wir langsam wieder anfangen können.

myTischtennis.de: Tische desinfizieren, Bälle austauschen… Was läuft ansonsten anders als vor Corona?

Jörg Roßkopf: Zum Beispiel, dass halt wirklich maximal zwei Leute in der Halle sind. Und die nächsten zwei Leute können erst dann rein, wenn die letzten zwei zum anderen Eingang raus sind. Das ist alles schwer, aber halt einfach notwendig. Und meine Jungs akzeptieren das und halten sich daran. 

(JS)

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