Buntes

Wie G. C. Foerster Privattrainer von Jun Mizutani wurde

G.C. Foerster steht Jun Mizutani mit Rat und Tat zur Seite (©Gohlke)

01.11.2019 - Bei den German Open in Bremen rieb sich so mancher verwundert die Augen: „Den, der Jun Mizutani betreut, kenne ich doch.“ Richtig erkannt. Gregor Clemens, G. C., Foerster, früherer holländischer Nationalspieler, langjähriger Zweitligaspieler in Deutschland und aktuell beim Drittligisten TTC Wohlbach in Oberfranken gemeldet, ist seit diesem Sommer Privattrainer von Japans Superstar. Unsere Kollegen vom BTTV haben sich ausführlich mit ihm unterhalten.

Gregor Clemens, G. C., Foerster lebt gerade einen Tischtennis-Traum. Es ist 22.30 Uhr Ortszeit in Tokio, G. C. sitzt in einem Zimmer des neu gebauten Training-Centers und bereitet sich gedanklich auf das Training am nächsten Morgen vor. Dann geht es wieder in die Halle, zu seinem Schützling, dem japanischen Superstar Jun Mizutani. Die Nationalmannschaft Nippons bereitet sich dieser Tage intensiv auf den World Team Cup vor, der in der Hauptstadt vom 6. bis 10. November stattfindet. Der WTC gilt als Testballon für die Olympischen Spiele im eigenen Land. Wenn am 25. Juli 2020 die Tischtennis-Wettbewerbe beginnen, dann möchte ein Mann ganz nah am Geschehen sein: G. C. Foerster. Der 37-Jährige ist seit August offiziell der Privattrainer von Mizutani. Wenn sich der Olympia-Dritte von Rio 2016 für die Einzelwettbewerbe in Tokio qualifiziert, dann wird Foerster sogar auf dem Trainerstuhl an der Box Platz nehmen. Aussichten, die bei ihm eine Gänsehaut auslösen. 

Aus Teamkollegen wurden Freunde

Doch so weit ist es noch nicht. Mizutani, der als Medaillenkandidat im Mixed und mit der Mannschaft gilt, hat seinen Einzelplatz derzeit nicht sicher, konkurriert intern mit Koki Niwa. Seit August arbeiten Mizutani und der ehemalige holländische Nationalspieler Foerster nun daran, den eigenen Teamkollegen Niwa in der Weltrangliste zu überholen. Die Entscheidung fällt im Januar, bis dahin gibt es noch einige Weltranglistenpunkte zu vergeben. Bei den German Open in Bremen verpasste Mizutani wertvolle Punkte, als er im Achtelfinale gegen Timo Boll im siebten Durchgang einen Matchball und eine 9:3-Führung ausließ. (Mehr dazu und zu Mizutanis Olympia-Kampf im zweiten Teil der Geschichte)

Doch wie um alles in der Welt wird man Privattrainer von einem Weltklassespieler, ohne zuvor selbst als Trainer in Erscheinung getreten zu sein? 

Um das zu verstehen, muss man einige Jahre zurückgehen. In der Saison 2004/2005 und 2005/2006 spielte G. C. Foerster für DJK Germania Holthausen (später TTC Ruhrstadt Herne) in der 2. Bundesliga. Sein Teamkollege und teilweise auch Doppelpartner damals: Jun Mizutani. Als 15-jähriger Teenager war Mizutani nach Deutschland gekommen, mit weiteren jungen, sehr talentierten Japanern im Schlepptau, die später Top-30-, Top-50-Spieler wurden, unter anderem Seiya Kishikawa oder Taku Takakiwa. Das Trio trainierte in Düsseldorf, spielte für deutsche Vereine, war ansonsten auf sich alleine gestellt. Der Alltag war äußerst monoton: Training, Essen, Schlafen. Hinzu kam die Sprachbarriere, auch Englisch bereitete Probleme. „Sie haben mich an meinen kleinen Bruder erinnert“, erzählt Foerster. Er fing an, sich ein bisschen um sie zu kümmern, fuhr mit ihnen in den Freizeitpark, ging mit ihnen zum Essen oder zeigte ihnen die Umgebung. Aus einem Teamkollegen-Verhältnis mit Jun wurde Freundschaft, die bis heute anhält. Auch zu Kishikawa und Takakiwa pflegt er einen guten Kontakt. „Wenn die Asiaten einmal Vertrauen zu dir aufgebaut haben, dann ist das häufig auch von Dauer. Ansonsten sind sie eher vorsichtig“, sagt Foerster. 

Einmalige Chance ergriffen

2008, vor den Olympischen Spielen in Peking, lud Mizutani – damals war er schon ein Star – seinen Kumpel erstmals nach Japan ein, sie verbrachten viel gemeinsame Zeit, lachten, scherzten, spielten Tischtennis. Bei Veranstaltungen und Turnieren trafen sie sich in der Folge häufiger. „Wir haben viel geredet, geflachst, privat gesprochen, relativ wenig über Tischtennis“, erzählt Foerster. Schon vor längerer Zeit habe Mizutani mal angefragt, ob Foerster nicht sein Coach werden wolle. Aus dem eigentlichen Scherz wurde Ernst. Weil der frühere Spieler von Borussia Düsseldorf (wurde mit der Borussia deutscher Meister, Pokal- und ETTU-Cup-Sieger) im Frühjahr ohne privaten Trainer, wie viele japanische Stars einen haben, dastand und Tokio 2020 nicht weit weg ist, wurde die Anfrage konkret. Für G. C. Foerster bot sich die einmalige Chance, einen Weltklassespieler bis zu den Olympischen Spielen zu begleiten und vielleicht mit ihm eine Medaille zu gewinnen. Nach Gesprächen mit dem Japanischen Olympischen Komitee und dem Japanischen Tischtennis-Verband wurde die Zusammenarbeit besiegelt. „Jun ist zwar als langjähriger Weltklassespieler in der Position, seine Wünsche durchzukriegen, aber diese Entscheidung musste schon vom Verband abgesegnet werden“, berichtet Foerster. 

Auch sein bisheriger Arbeitgeber ESN spielte mit. „Ich bin ESN sehr dankbar, dass sie mir keine Steine in den Weg gelegt haben“, sagt er. Zehn Jahre war Foerster bei dem Belaghersteller in Hofheim (Unterfranken) angestellt, zunächst als Produkttester, später beriet er die Topspieler in Materialfragen und war am Ende Ansprechpartner für ESN-Kunden und Stars im asiatischen Raum. In Deutschland kennen ihn vermehrt Tischtennis-Insider, in China, Japan und Korea ist er sehr gut vernetzt. Foerster war beim Training der chinesischen oder koreanischen Nationalteams dabei, mit Fang Bo und Jang Woojin ist er befreundet. „Du willst den Spielern ja hinsichtlich ihres Materials helfen und siehst sie bei vielen Veranstaltungen. Das schafft Vertrauen.“ Dass er gerne reist und fremde Kulturen kennenlernt, half ihm in dem Job. 

Halle mit Sauerstoffkabine und allem Pipapo

G. C. Foerster war schon zuletzt zu ESN-Zeiten längere Zeit in Japan, lebt seit September in Kawasaki, einer Stadt im Osten des Landes. Dort hat er eine 80-Quadratmeter-Wohnung bezogen – „eine sehr große Wohnung für japanische Verhältnisse. Ich fühle mich wohl, auch wenn mir Tokio noch lieber wäre“, sagt er. Zum Trainingszentrum des japanischen Meisters Kinoshita, für den unter anderem Jun Mizutani, Tomokazu Harimoto und der chinesische Abwehrer Hou Yingchao trainieren, sind es zu Fuß 20 Minuten, direkt am Fluss entlang. Seine Freundin pendelt zwischen Deutschland und Japan, noch hat sie keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung. Die Verständigung mit Jun läuft meist via Englisch, mit den Trainerkollegen in einem Mischmasch aus Japanisch und Englisch. Dass es im Japanischen verschiedene Höflichkeitsformen gibt, je nachdem, wem man gegenüber steht, macht es für Foerster nicht so einfach. „Ich kann vor allem die ‚Kindersprache‘ verstehen und sprechen, im Alltag geht das.“ 

Die Trainingsbedingungen für die japanischen Nationalspieler sind top. Meist hat Tischtennis einen eigenen Komplex mit allem Pipapo, die Halle in Kawasaki verfügt sogar über eine Sauerstoffkabine. In Tokio wurde erst ein Sportkomplex mit fünf Etagen fertiggestellt, darin enthalten sind eine Mensa, Fitnessraum, SPA-Bereich und Zimmer zum Übernachten. Im fünften Stockwerk befindet sich die Tischtennis-Halle. Bei Turnieren reist Team Japan häufig mit dem größten Tross aller Nationen an. Private Coaches, Einspielpartner, Physiotherapeuten und Ärzte fliegen mit den Assen rund um den Globus. „Die Bedingungen sind traumhaft“, sagt Foerster. Anfangs fand er es noch etwas verwunderlich, dass gerade die japanischen Frauen teilweise sogar zwei Sparringspartner mit auf die World Tour nahmen. „Aber wenn man darüber nachdenkt, ist es unglaublich professionell. Dem Sparringspartner kann ich sagen, dass er mir 200 Mal auf die Rückhand ziehen soll, das würde bei einer Teamkollegin eher schwer werden.“ Manchmal sei ein Rechts- und Linkshänder dabei oder einer, der mit Noppen spielt. Die Sparringspartner (ausschließlich Männer) gibt es – mit Ausnahme von Tomokazu Harimoto - übrigens nur bei den japanischen Frauen, die insgesamt einen höheren Stellenwert als die Männer besitzen. „Sie werden stark vermarktet und häufig als kawaii („süß“) angesehen. Die Frauen verdienen mehr oder genauso viel wie die Männer“, so Foerster. In Europa ist das Gegenteil der Fall. 

Ein begnadeter Gamer

Foersters Schützling Jun Mizutani hat in den vergangenen Jahren auch gut verdient und Erfolge gefeiert. Nach seiner Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Rio ist die Aufmerksamkeit noch einmal gestiegen. Dennoch sagt Foerster: „Für mich ist es immer noch der Junge, den ich damals kennengelernt habe. Er hat einen Schalk im Nacken, ist unglaublich witzig, für jeden Spaß zu haben und komplett auf dem Boden geblieben. Seine kleine Tochter sieht fast aus wie er und ist genauso voller Energie“, erzählt Foerster. Außerdem sei Jun ein „totaler Wettkampftyp“ und ein begnadeter Gamer. „Ich denke, er könnte nach Tischtennis eine zweite Karriere starten. Er hat ein unglaubliches Händchen für E-Sport und fuchst sich da voll rein.“ 

Fortsetzung folgt …

Im zweiten Teil nächste Woche geht es um die Trainingsarbeit mit Jun Mizutani, seinen internen Kampf um einen Einzelstartplatz, die spezielle Brille und den medialen Hype vor den Olympischen Spielen im eigenen Land. 

Zur Person: Gregor Clemens, genannt G. C., Foerster, geboren 1981 in Düsseldorf, hat einen niederländischen und einen deutschen Pass. Foerster war Mitglied des WTTV-Kaders, spielte im Westen in verschiedenen Vereinen bis zur 2. Bundesliga und für die Niederlande bei der Mannschafts-WM 2010 in Moskau. Sein aktueller TTR-Wert: 2195. In Bayern war er für den FC Tegernheim und den TSV Bad Königshofen aktiv und spielt seit 2012 für den Drittligisten TTC Wohlbach in Oberfranken. „Mein absoluter Lieblingsverein“, wie Foerster sagt. Zehn Jahre war er für den Belaghersteller ESN in Hofheim tätig, spielte bei bayerischen Meisterschaften mit und erlangte im BTTV seine Trainer-Lizenz. 

(Florian Leidheiser/BTTV)

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