Buntes

Filus: "Wegfall der Abwehrspieler wäre großer Verlust"

Mit Rang 34 der höchstnotierte Abwehrspieler in der Weltrangliste: Ruwen Filus (©Thomas)

19.02.2019 - Mit Weltranglistenposition 34 ist Ruwen Filus der aktuell höchstnotierte Abwehrspieler der Welt. So darf ein Interview mit dem Mixed-Europameister in unserer Spezialwoche zum Thema Abwehrspiel natürlich nicht fehlen. Darin spricht der 31-Jährige u. a. über seine Anfänge als Abwehr- bzw. Allroundspieler, den Einfluss des Plastikballs und die Stellung sowie die Zukunft der Abwehrspieler.

myTischtennis.de: Wann hast du angefangen, Tischtennis zu spielen?

Ruwen Filus: Ich habe mit vier, fünf Jahren mit Tischtennis angefangen. Mein Bruder und meine Schwester haben gespielt. Deshalb war ich mit in der Halle, habe zunächst auf der Bank gesessen, bis der Trainer irgendwann gesagt hat, dass ich doch mitmachen solle. 

myTischtennis.de: Wann und wie bist du zum Abwehrspiel gekommen?

Ruwen Filus: Ich habe mein Spielsystem auf Anraten der Verbandstrainer im Alter von neun, neuneinhalb Jahren umgestellt. Ich hatte schon immer gerne weiter entfernt vom Tisch gespielt, das passte dann also. Ein halbes Jahr nach der Umstellung war ich in meinem Jahrgang schon die Nummer zwei in Deutschland. 

myTischtennis.de: Welche Eigenschaften muss deiner Meinung nach ein junger Spieler mitbringen, um ein guter Abwehr- bzw. Allroundspieler zu werden?

Ruwen Filus: Erst einmal sollte er über eine gewisse Experimentierfreudigkeit verfügen. Er sollte also gerne austesten, was mit verschiedenen Schlägen möglich ist. Zusätzlich sollte er ausreichend Geduld mitbringen, weil viele Schupfbälle gespielt werden müssen. Sicherheit ist ein wichtiger Aspekt beim Abwehrspiel. 

myTischtennis.de: Welchen Einfluss hatte die Einführung des Plastikballs auf das Abwehrspiel? Wie hat er das Spiel verändert? 

Ruwen Filus: Mit der ersten Generation der Plastikbälle konnte man nur sehr, sehr wenig Schnitt erzeugen. Da habe ich gedacht, der Ball ist nicht gut für mich. Die neueren Modelle des Balls sind aber wieder härter und runder. Damit ist es wieder möglich, mehr Schnitt zu erzeugen.  

myTischtennis.de: Wie schwer war für dich die Umstellung auf den Plastikball?

Ruwen Filus: Am Anfang musste ich tendenziell weiter weg stehen vom Tisch, weil der Ball höher und ungleichmäßiger abgesprungen ist. Die neuere Generation der Plastikbälle springt aufgrund ihrer größeren Härte wieder sauberer ab. Jetzt verteidige ich wieder näher am Tisch. Insgesamt sind die Unterschiede beim Ballabsprung nicht mehr so groß. 

myTischtennis.de: Worin unterscheidet sich die typische Trainingseinheit eines Abwehrspielers von der eines Angriffsspielers?

Ruwen Filus: Zu Beginn stehen viel Beinarbeit und Rhythmustraining auf dem Programm. Es wird der Übergang von der Abwehr in den Angriff trainiert und die Verbindung Vorhand-Mitte-Rückhand. Auch Aufschlag-Rückschlag und Eröffnung müssen trainiert werden, insgesamt also mehr Techniken als bei einer Trainingseinheit für Angriffsspieler.  

myTischtennis.de: Musst du heutzutage mehr im Kraft-/Fitnessbereich arbeiten, um die gleiche Leistung bringen zu können? Nimmt die Verletzungsanfälligkeit dadurch zu?

Ruwen Filus: Man muss wahrscheinlich schon fitter sein. Bei mir persönlich ist es durch meine Wohnsituation immer etwas schwierig mit dem Fitnesstraining. Familienbedingt kann ich nicht mehr trainieren, da habe ich sicherlich Luft nach oben.  

myTischtennis.de: Gerade im Herren-Bereich sind heutzutage immer weniger Abwehrspieler zu finden. Findest du das schade? Oder bist du eher froh, weil manche Gegner deshalb gar nicht viel Erfahrung gegen Abwehr haben?

Ruwen Filus: Im DTTZ haben wir oft Europäer zu Gast, die gegen mich trainieren und dann auf das Spiel gegen mich eingestellt sind. Die Asiaten kennen mich nicht so gut, da habe ich eher Vorteile. Aber natürlich haben die auch Abwehrspieler in ihren Trainingsgruppen. Es hängt vom eigenen Spielsystem ab. Wang Xis Bälle z. B., die er hinter dem Tisch spielt, haben mehr Schnitt als meine. Er spielt einen anderen Langnoppen-Belag als ich. Bei seinen Bällen wird der Schnitt noch stärker umgekehrt. Ich muss dem Ball dagegen eher selbst Rotation aufzwingen, bin deshalb aber bei Bällen über dem Tisch im Vorteil, weil ich da mehr Rotation selbst erzeugen kann. 

myTischtennis.de: Hast du es in der Nationalmannschaft mit deinem Spielsystem schwerer?

Ruwen Filus: Das glaube ich insgesamt nicht. Mit Blick auf das olympische Spielsystem kann das schon sein, weil Jörg Roßkopf im Doppel eher auf eine Angriffskombination setzt. Für das Einzel macht es aber keinen Unterschied. Wir haben auch einfach eine starke Nationalmannschaft. Wenn man da nur eine kleine Schwächephase zeigt, hat man es schon schwer. Ich hatte nach der Geburt unseres zweiten Kindes wenig trainiert, war im Anschluss für den Einzel-Wettbewerb der EM nicht nominiert worden. Da hätte ich mir mehr Rückhalt gewünscht. Aber wie gesagt: Unsere Mannschaft ist sehr stark, die anderen müssen auch um ihren Platz kämpfen. 

myTischtennis.de: Hast du es jemals bereut, Abwehr- bzw. Allroundspieler geworden zu sein? 

Ruwen Filus: Nein, dieser Spielstil macht mir großen Spaß. Ich bin ein Spielertyp, der alle Schläge spielt, auch den Rückhandtopspin. Es gibt keinen Schlag, den ich nicht trainieren muss. Diese Flexibilität im Training mag ich.  

myTischtennis.de: Das Abwehrspiel wird von manchen schon ‚totgesagt’. Wie viel Attraktivität würde der Sport verlieren, wenn es keine Abwehrspieler mehr geben würde? 

Ruwen Filus: Meiner Meinung nach sind die Duelle Angriff gegen Abwehr zum Zuschauen die besten Spiele. Für den Sport wäre es ein großer Verlust, wenn es keine Abwehrspieler mehr geben würde. 

myTischtennis.de: Hat das Abwehrspiel deiner Meinung nach eine Zukunft? Wenn ja, wie sieht diese aus?

Ruwen Filus: Auf jeden Fall hat das Abwehrspiel eine Zukunft. Sonst wären ich und andere Abwehrspieler nicht mehr so weit vorne. Für klassische Abwehrspieler wird es dagegen immer schwieriger. Man sollte also schon angriffsorientierte Abwehr spielen, d. h. nach dem Aufschlag den ersten Ball angreifen. Dann ist vieles möglich. Als moderner Abwehrspieler kann man es in die Top 10 der Weltrangliste schaffen, wenn man ein Ausnahmetalent ist. Ganz nach oben zu kommen, ist schwierig, weil es in der Weltspitze den einen oder anderen gibt, der so gar keine Fehler gegen Abwehr macht.

(DK)

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