Bei diesem Interview durften Sie - und nicht die TV-Reporter - die Fragen stellen (©Fabig)
08.09.2017 - Wann hat man schon einmal die Chance, einem Star eine Frage zu stellen? Wenn man nicht gerade selbst ein hohes Tier der Szene oder Journalist ist, wird das schon schwierig. Wir und unser Partner DONIC haben Ihnen vor einigen Wochen die Möglichkeit gegeben, Dimitrij Ovtcharov eine Frage zu stellen, die wir an den Weltranglistenvierten weitergeleitet haben. In diesem Artikel finden Sie nun die Antworten, die wir erhalten haben.
Gab es in deiner Jugend Momente, in denen du selbst daran gezweifelt hast oder in denen dir andere davon abgeraten haben, Profi zu werden? Gab es für dich auch einen Plan B?
Dimitrij Ovtcharov: Meinen Eltern war es immer sehr wichtig, dass ich das Fachabitur mache, um später noch alle Möglichkeiten, zum Beispiel zu einem Studium, zu haben. Tischtennis ist natürlich kein Selbstläufer, aber als sich bei mir bereits zu Schülerzeiten die ersten Erfolge einstellten, hatte ich das Feuer in mir, es unbedingt schaffen zu wollen, und habe selbst auch nie daran gezweifelt. Es war aber ein langer und harter Weg bis hierhin.
Wie bereitest du dich mental auf wichtige Spiele vor? Gibt es auch bei dir bestimmte Abläufe, die du vor wichtigen Spielen immer machst?
Dimitrij Ovtcharov: Ich differenziere nicht zwischen wichtigen, mittelwichtigen oder unwichtigen Spielen. Ich bereite mich immer gleich auf jedes Spiel vor und habe ganz klar meine Abläufe. Ich schaue mir Videos meiner Gegner an, am besten einen Tag vor dem Match, und schreibe mir alle Stärken und Schwächen genau auf. Dazu habe ich natürlich meine mentale und ABC-Liste, wie ich in ein Spiel gehe, taktisch und spielerisch. Das rufe ich mir am Tag vorher und am Morgen des Spiels ins Gedächtnis und lese es mir noch einmal durch. Natürlich habe ich auch meine gewohnten Abläufe beim Aufwärmen, Training vor dem Spiel, in den letzten Minuten vor dem Spiel, in der Box. Da sind die Abläufe und Rituale immer gleich.
Was nimmst du dir vor Spielen vor, in denen du Favorit bist, um dem berühmten „Eisenarm“ bzw. der Nervosität zu entgehen?
Dimitrij Ovtcharov: Ich gehe in sehr, sehr vielen Spielen als Favorit ins Spiel, da es ja als aktuelle Nummer vier der Weltrangliste nicht mehr so viele Spieler gibt, die höher platziert sind (lacht). Dass ich am Ende dem berühmten „Eisenarm“ entgehe, kriege ich über das Training hin. Nur wenn ich mich sehr gewissenhaft auf Matches vorbereitet habe, habe ich das innere Selbstbewusstsein und die Stärke, dass ich alles dafür gemacht habe, um das Spiel erfolgreich zu gestalten, und selbst wenn ich das Spiel nicht gewinne, hätte ich im Vorfeld nichts besser machen können. Wenn ich dieses Gefühl habe, dann werde ich auch meistens nicht nervös. Natürlich steigt in gewissen Spielsituationen die Anspannung und auch dafür habe ich bestimmte Techniken, um so gut es geht dagegenzuwirken und auch in den schwierigen Situationen mein gutes Tischtennis abzurufen.
Bei T2APAC war zu hören, dass du Yoga und Meditation betreibst. Was machst du im Gebiet Meditation genau (z.B. Zen, Tantra, Kampfkunst, autogenes Training) und gibt es bestimmte Yogaübungen, die dir besonders gut helfen?
Dimitrij Ovtcharov: Ich bin alles andere als ein Yoga-Guru oder jemand, der extrem meditiert. Ich bin immer offen für alles und für neue Ideen, die ich von Mitspielern, Trainern und Kollegen höre. Ab und zu mache ich mal eine leichte Yoga-Einheit, um ein bisschen runterzukommen, mit meinen Teamkollegen Vladimir Samsonov oder Fedor Kuzmin. Mein Kumpel Ismet Erkis, der auch mein Trauzeuge war, hat mir zur Meditation geraten und ich habe das mit ihm ein bis zwei Mal durchgezogen. Man hat als Profisportler schon viel Druck, Stress und viel zu tun, da probiere ich schon mal, mich 10-15 Minuten in einem dunklen Raum im Schneidersitz hinzusetzen und einfach nur die Augen zuzumachen und die Gedanken kommen zu lassen. Das mache ich aber leider auch, glaube ich, viel zu selten. Es hat aber immer den guten Effekt, den Kopf etwas freizukriegen.
Wie schaffst du es, dich nach knappen Niederlagen in wichtigen Spielen (wie zum Beispiel bei der WM in Düsseldorf gegen Koki Niwa) wieder zu motivieren und wie verarbeitest du solch eine Niederlage?
Dimitrij Ovtcharov: Solche harten Niederlagen schmerzen natürlich ungemein. Die härteste Niederlage hatte ich gegen Vladi bei den Olympischen Spielen 2016, die werde ich immer mit mir tragen und nie vergessen. Genauso wie den Sieg gegen Chuang in London 2012. Man fällt natürlich in ein kleines Tief nach solchen Niederlagen und hat keine allzu große Erwartungshaltung bei den kommenden Turnieren und Spielen. Aber gerade das bewirkt dann manchmal, dass man danach einige richtig coole Ergebnisse erzielt, wie es z.B. bei mir nach der WM in Düsseldorf mit dem Gewinn der China Open und der Bulgarian Open geklappt hat. Nach Olympia letztes Jahr bin ich in ein längeres Tief gefallen. Wie gesagt, manchmal läuft es in die eine und manchmal in die andere Richtung. Ich glaube, es ist wichtig, sich dann eine kleine Pause zu gönnen, sich ein neues Langzeitziel zu setzen und dann wieder das zu machen, was man am besten kann. Und das ist, gut zu trainieren und Wettkämpfe zu bestreiten. Als Profi hat man eine große Verantwortung. Nicht nur sich selbst gegenüber, sondern auch seinen Sponsoren und seinem Verein. Deswegen kann man den Kopf nicht in den Sand stecken für eine zu lange Zeit. Ein paar Tage sind erlaubt (lacht).
Was machst du während eines Spiels, wenn du selbst nicht mehr richtig daran glaubst, das Ruder noch einmal herumreißen zu können? Wie kommst du aus so einem Tief wieder heraus?
Dimitrij Ovtcharov: Ich bin ja schon ein bisschen bekannt dafür, die schwierigsten Spiele, wenn sie schon fast verloren sind, irgendwie doch noch nach Hause zu kriegen (zwinkert). Ich habe seit meinem harten Training schon in Kindertagen den Willen in mir, nie aufzugeben, immer an den Sieg zu glauben. Und ich weiß, dass der Gegner, wenn er kurz vor dem Sieg steht, nervös wird – wenn es nicht gerade Ma Long ist. Und gerade in dieser Situation, wenn ich mit dem Rücken zur Wand bin und nichts mehr zu verlieren habe, lege ich oft komplett die Nervosität ab und riskiere mehr Schläge. Und wenn diese Schläge kommen, wird der Gegner oft sehr nervös. Diese Situationen spüre ich und kann sie sehr gut ausnutzen. Das heißt, nie aufgeben, den Gegner beobachten und eine Chance nutzen, wenn sie sich ergibt.
Welche Verhaltensweisen von Gegnern oder deren Trainern können dich auf die Palme bringen?
Dimitrij Ovtcharov: Ich versuche, mich durch nichts ablenken zu lassen. Das habe ich in Jugendtagen zu oft gemacht, wenn Zuschauer herumgerannt sind oder Fotos gemacht wurden. Das hat mich alles abgelenkt. Aber heutzutage probiere ich, mich nur auf den nächsten Ball zu konzentrieren, und das Verhalten der anderen ist mehr oder weniger irrelevant. Nur mein eigenes Spiel und meine eigenen Ziele zählen. So probiere ich, das zu machen. Ich habe da von den Fehlern meiner Jugendtage gelernt, denke ich (lacht).
Zum zweiten Teil des Interviews auf Seite zwei!
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