Pro vs. Contra

Pro vs. Contra: Sollte die Spielzeit begrenzt werden?

Wäre eine Zeitbegrenzung im Tischtennis eine gute Idee? (©Roscher)

18.08.2017 - Ob Fußball, Handball, Boxen oder Hockey - die Zeit spielt in vielen Sportarten eine entscheidende Rolle und grenzt die Dauer des Wettkampfs ein. Tischtennis funktioniert anders. Noch. Denn bei T2APAC wurde nun schon einmal der Versuch gewagt, die Spielzeit auf 24 Minuten pro Einzel zu begrenzen und die Zeit zwischen den Ballwechseln zu verkürzen. Wäre eine Zeitbegrenzung auch für den Tischtennisalltag sinnvoll? Lennart Wehking und Jan Lüke geben uns die Pros und Contras.

PRO:

Mein Gegner schlurft an die Bande, langsamer kann man sich nicht fortbewegen. Auch das Ballaufheben wird in Zeitlupe vollzogen. Endlich zurück am Tisch, wird der Ball am Trikot und die Hand am Tisch trocken gerieben – zweimal, versteht sich, und ganz ohne Eile. Dann endlich geht die Bewegung schleichend in Richtung Aufschlagposition – mit immerhin nur einer weiteren Unterbrechung. Es kann nach gefühlten Stunden weitergehen. Aufschlag, Rückschlag, Punkt. Und das Spiel beginnt von vorne, jeder Satz wie eine Ewigkeit. Aus einem an sich dynamischen Sport mit packenden Ballwechseln und ständigem Wechsel aus Anspannung und kurzen Pausen zum Durchpusten wird ein zähes Ringen um Punkte und Zeit – von einem „ununterbrochenen Spiel“ keine Spur.

Ein durchaus bekanntes Szenario, das sich Wochenende für Wochenende in den Tischtennis-Ligen abspielt. Nicht so im neuesten Tischtennis-Projekt namens T2. In Malaysia dauert ein Match exakt 24 Minuten. Zeitbegrenzung im Tischtennissport – in meinen Augen eine der sinnvollen von vielen Regeländerungen, mit denen die Stars der Szene in diesem Sommer konfrontiert werden. Insbesondere der Einsatz von mehreren Bällen während einer Begegnung und die strikte Begrenzung auf 15 Sekunden Pause zwischen den Ballwechseln bieten in meinen Augen Varianten, die Dynamik des Sports aufzuwerten und – mindestens genauso so wichtig – das elendige Zeitspiel als taktisches Mittel einzugrenzen. Mir ist bewusst, dass der Einsatz von mehreren Bällen samt Balljungen keine praktikable Option für die Amateurklassen darstellt. Doch die Einführung einer klaren zeitlichen Begrenzung der Gesamtspielzeit und der rigorosen Kürzung der Zeit zwischen den Ballwechseln könnte ein belebendes Element für den Tischtennissport sein. Die bessere Kalkulierbarkeit von Spielzeit hätte im Spitzenbereich zudem den netten Nebeneffekt einer deutlich besseren medialen Vermarktungsmöglichkeit. 

Ein Spiel im besseren „Fluss“ könnte auch für die Live-Zuschauer attraktiver sein, insbesondere in Wettbewerben mit einem Centercourt und keinen Möglichkeiten, in den langatmigen Pausen seine Aufmerksamkeit auf einen anderen Tisch wechseln zu können. Die Befürchtung, dass der Faktor Zeit im Schlagabtausch selbst genutzt wird und die traditionellen Spielsysteme sich verändern könnten, konnte sich in der T2 APAC bislang nicht bestätigen. Ein Punkt bleibt weiterhin ein Punkt, den man auf Grundlage seines individuellen Spielsystems holt bzw. zu verhindern versucht. Und wenn schon: Wer hätte etwas gegen den Einsatz von Ballonabwehr als taktisches Mittel?

Blickt man zurück auf die letzten Jahre, ist nicht zu übersehen, dass der Tischtennissport im Wandel ist. Fast jede Saison muss sich die Basis mit grundlegenden Veränderung im Regelwerk oder beim Material auseinandersetzen. Wenn jetzt am Zeitrahmen geschraubt werden sollte, finde ich das allemal sinnvoller als die Idee, die Ballwechsel künstlich zu verlängern – durch Tennisbälle, Badmintonnetze, Einheitsschläger, der Eingrenzung von Schlagtechniken oder anderen kruden Ideen, die durch die Gegend schwirren. Tischtennis ist und bleibt ein schneller Sport mit noch schnellerem Ende der meisten Ballwechsel. Das sollte so bleiben. Weniger Pausen dazwischen und eine einheitlichere Spielzeit sind zumindest einen Test wert. 

(Lennart Wehking)

CONTRA:

„Wie lange dauert dein Spiel?“ Wie oft habe ich die Frage in den letzten Jahrzehnten gestellt bekommen?! Selten war es jedenfalls nicht. Beantworten musste ich sie immer gleich: „Bis es vorbei ist.“ Das lag wohl auch daran, dass ich nie in Malaysias neuer Superliga aktiv war. In der T2 APAC wären zumindest meine Einzel nach 24 Minuten vorbei gewesen. 1440 Sekunden Bruttospielzeit – dann hat der Spaß ein Ende. Dann gibt es Sieger und Verlierer. Versprochen.

Was meiner Familie und meinen Freunden vermutlich gefallen hätte, wäre mir weitaus weniger lieb gewesen. Tischtennis ist kein Spiel um Zeit, Tischtennis ist ein Spiel um Punkte. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Zeit in den offiziellen Tischtennisregeln dementsprechend kaum eine Rolle spielt. Dort finden sich Handtuch- und Satzpausen, auch noch die Wechselmethode. Und ansonsten heißt es: „Der Schiedsrichter ist verantwortlich dafür, für ununterbrochenes Spiel zu sorgen.“

Ununterbrochen heißt beim Tischtennis aber auch, dass ein Spiel in Wellen verläuft. Ein permanenter Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung. Dynamik, Beschleunigung und Zeitnot auf der einen Seite. Aber auch Ruhe und Konzentration auf der anderen Seite. Das ist ein Charakteristikum der Sportart – und wahrlich nicht ihr schlechtestes. Tischtennis ist ein Spiel mit vielen bewussten und unbewussten Pausen. Dass die nicht zu lange werden und zu oft kommen, dafür sorgt ein Schiedsrichter. „Ununterbrochen“ eben.

Wenn man zeitliche Beschränkung eines Spiels hinzuzieht, führt das natürlich dazu, dass Zeit zu einem wichtigen Faktor für Erfolg und Misserfolg aufsteigt – und dementsprechend genutzt wird. Denn: Immer wird es einer eiliger haben als der andere, die tickende Uhr läuft gegen den einen und damit für den anderen. In der T2 APAC haben es die Spieler bisher selten auf Grenzfälle angelegt. Wohl auch deshalb, weil sie sich selbst noch an die Regel gewöhnen müssen. Aber natürlich wird sich Zeit, je bedeutender ein Wettkampf wird, irgendwann zu einem Streitpunkt am Tisch entwickeln. In Malaysia bleiben den Spielerinnen und Spielern 15 Sekunden, um den nächsten Ballwechsel wieder aufzunehmen. In der Theorie ist das plausibel. In der Praxis wird es früher oder später dazu führen, dass Spieler versuchen werden, diese Regel für sich zu nutzen. Warum etwa die 15 Sekunden nicht immer wieder aufs Neue komplett ausschöpfen, wenn man’s gerade nicht eilig hat? Zeit wäre weitaus stärker als bisher ein taktisches Mittel.

Zwar ist die Netto-Spielzeit im Tischtennis insgesamt gering, das aber liegt vor allem daran, dass die Ballwechsel sehr kurz sind: Aufschlag, Rückschlag, Eröffnung – spätestens dann ist eben meistens Schluss. Es gibt derzeit kaum Spieler, vor allem bei den Profis, die das Spiel künstlich in die Länge ziehen, indem sie sich unverhältnismäßig lange Pausen zwischen den Ballwechseln nehmen. Eine zusätzliche künstliche Beschneidung der Pausen braucht es nicht.

Warum in der T2 APAC die zeitliche Beschränkung dennoch gewählt wurde, ist unzweifelhaft. Sie erhöht die Planbarkeit der Veranstaltung und die wiederum ist notwendig für die mediale Verwertung. Um die geht es, denn Zuschauer vor Ort gibt es keine. Deshalb mag die Zeitbegrenzung für die T2 APAC das geeignete Mittel der Wahl sein. Außerhalb der T2 APAC kann ich Stoppuhr-Tischtennis allerdings nicht viel abgewinnen.

(Jan Lüke)

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