Jugend-EM

Anastasia Bondareva: „Wir vertrauen uns blind“

Anastasia Bondareva kehrte als einzige Deutsche mit drei Medaillen von der Jugend-EM zurück (©Steinbrenner)

25.07.2017 - Kaum war Anastasia Bondareva aus dem Flugzeug aus Portugal gestiegen, hatte sie schon die myTischtennis.de-Redaktion an der Strippe, die mit ihr noch vor ihrer Abreise in den wohlverdienten Urlaub über ihre erfolgreiche Jugend-EM sprechen wollte. Die 15-Jährige gewann an der Seite von Sophia Klee Gold im Schülerinnen-Doppel, Bronze im Einzel und im Mixed mit Daniel Rinderer. Im Interview spricht sie über aufregende und anstrengende zehn Tage.

myTischtennis.de: Für dich war die Jugend-EM ja ein ganz schönes Wechselbad der Gefühle. Erst deine Schulterverletzung und der neunte Platz mit dem Team, dann drei Medaillen in den Individualwettbewerben. Wie fühlst du dich jetzt, da alles vorbei ist?

Anastasia Bondareva: Momentan bin ich einfach nur überglücklich und froh, dass es am Ende doch noch ein Happy End gab. Das mit der Verletzung am Anfang war nicht so leicht und ich hatte schon befürchtet, dass ich gar nicht mehr im Team mitspielen kann. Es ist schade, dass wir nur Neunter geworden sind, weil wir uns mehr erhofft hatten. Aber jetzt gerade bin ich gar nicht mehr traurig, weil in den anderen drei Wettbewerben alles so gut geklappt hat.

myTischtennis.de: Und jetzt gönnst du dir erst mal eine Pause?

Anastasia Bondareva: Genau, ich fliege direkt mit einer Freundin und deren Großeltern für eine Woche nach Kreta und verbringe dann noch etwas Zeit zu Hause, bevor es in die Saisonvorbereitung geht. 

myTischtennis.de: Aber auf Kreta wird der Tischtennisschläger nicht in die Hand genommen?

Anastasia Bondareva: Genau, ich mache jetzt erst mal eine Tischtennispause. Ich bin mega kaputt nach den Euros. Wir hatten sehr viele Spiele und mussten uns immer neu einstellen, von Einzel auf Doppel auf Mixed wechseln. Das war sehr anstrengend.

myTischtennis.de: Zumal du ja anfangs auch noch mit der Schulterverletzung klarkommen musstest. Wie sehr hat die dich eingeschränkt und wie war das überhaupt passiert?

Anastasia Bondareva: Als wir angekommen sind, war noch alles gut, die Vorbereitung war perfekt verlaufen. Und dann machte ich in meinem ersten Einzel im ersten Mannschaftsspiel gegen England einen kurzen Unterschnittaufschlag und wollte den nächsten Ball ziehen, als die Schulter plötzlich den Geist aufgab. Ich konnte mich kaum mehr bücken und Bälle aufheben. So habe ich dieses Spiel trotz mehrerer Führungen noch verloren. Das war ein großer Schock für mich und im Doppel habe ich schon nicht mehr gespielt. Überhaupt ging Spielen an den ersten zwei Tagen gar nicht, am ersten Tag war es sogar schwer, zu laufen. Aber ich bin dann jeden Tag behandelt worden und konnte bald schon wieder zumindest im Stehen spielen. Am letzten Tag der Teamwettbewerbe habe ich dann fast gar nichts mehr gespürt.

myTischtennis.de: Und dann kamen die Individualkonkurrenzen, die sehr viel besser für dich liefen. Über welche deiner drei Medaillen hast du dich am meisten gefreut?

Anastasia Bondareva: Das ist sehr schwer zu sagen, jede Medaille hat mich sehr gefreut. Am meisten aber wahrscheinlich Gold im Doppel und Bronze im Einzel. Den Doppeltitel hatten Sophia und ich uns sehr gewünscht und viel dafür trainiert. Im Halbfinale standen wir dann Gegnerinnen gegenüber, gegen die wir davor immer verloren haben. Als es da nach einem 0:2-Rückstand noch das Happy End gab, konnten wir unser Glück kaum fassen. Aber auch über Bronze im Einzel habe ich mich tierisch gefreut, dafür habe ich sehr hart gearbeitet. Und ich bin so froh, dass es für eine Medaille gereicht hat. In der dritten Runde habe ich gegen die an Position eins gesetzte Russin gewonnen und auch das Viertelfinale war ein richtig enges Spiel. Es ist super, dass das geklappt hat. Und auch über die Mixedmedaille habe ich mich wahnsinnig gefreut - schließlich war das meine erste Medaille bei Jugend-Europameisterschaften. Und das war wirklich ein tolles Gefühl.

myTischtennis.de: Zusammen mit Daniel Rinderer hast du hier auch direkt die an Position zwei gesetzten Russen aus dem Wettbewerb geworfen. Was macht euch zu einem guten Duo?

Anastasia Bondareva: Wir harmonieren vom Spiel her gut miteinander und verstehen uns auch so bestens. Wir haben in unseren Spielen sehr viel miteinander gesprochen, wie wir spielen wollen, und uns vertraut. Das hat einfach sehr gut geklappt.

myTischtennis.de: Du erwähntest eben schon, dass du die beste Spielerin im Feld, Ekaterina Zironova, in der dritten Einzelrunde besiegt hast. Hast du da schon geahnt, dass es mit einer Medaille klappen könnte?

Anastasia Bondareva: Ja, geahnt habe ich das dann schon. Aber vor allem habe ich mich darüber sehr gefreut, weil ich davor noch gegen sie verloren hatte. Im Achtelfinale bekam ich dann eine Gegnerin mit langen Noppen, wovor ich richtig Bammel hatte - aber ich gewann mit 4:0. Im Viertelfinale folgte eine starke Türkin, für die ich mir sehr lange Gedanken über die Taktik gemacht habe. Da hatte ich ein paar Probleme im ersten Satz, aber dann lief alles gut und die Medaille war da.

myTischtennis.de: Hättest du dir eine andere Halbfinalgegnerin als deine Teamkameradin Wenna Tu gewünscht?

Anastasia Bondareva: Auf jeden Fall. Gegen eine Deutsche zu spielen, war wirklich schwer - und einfach komisch. Man hat plötzlich kein Team mehr hinter sich, das einen unterstützt. Das war schon seltsam.

myTischtennis.de: Warum, glaubst du, hat diesmal Wenna gewonnen und nicht du?

Anastasia Bondareva: Ich hatte davor schon einige sehr schwierige Spiele und war auch im Doppel und Mixed weiter gekommen als sie. Im Halbfinale habe ich dann auch einfach nicht so gut gespielt - da war ich mit meiner Leistung nicht ganz zufrieden. 

myTischtennis.de: Und dann kam natürlich noch der Titel im Schülerinnen-Doppel. Du und Sophia Klee, ihr seid ja schon länger ein gutes Team. Was ist euer Erfolgsrezept?

Anastasia Bondareva: Dass wir beste Freundinnen sind und uns blind vertrauen. Wenn sie etwas machen will, was sie sich sonst nicht traut, stehe ich voll und ganz hinter ihr. Wenn wir verlieren, ist das gar nicht schlimm - dann versuchen wir es eben beim nächsten Mal wieder. Und genauso machen wir uns keine Vorwürfe, wenn eine mal einen Fehler macht.

myTischtennis.de: In der kommenden Saison seid ihr beide in der Bundesliga unterwegs. Du trittst bei Busenbach an. Was hast du dir für deine erste Bundesligasaison vorgenommen? Das ist ja schon ein ziemlich großer Sprung von der dritten Liga aus…

Anastasia Bondareva: Ja, das ist ein großer Sprung. Und ich bin richtig gespannt, wie das sein wird - sicherlich ganz anders, als das, was ich bisher so kenne. Aber ich möchte da eigentlich vor allem einmal hereinschnuppern und gucken, wie die Profis so spielen. Wenn ich ein Spiel gewinnen würde, wäre das natürlich großartig, aber das ist sehr schwer.

myTischtennis.de: Und was ist dein langfristiges Ziel? Worauf arbeitest du hin?

Anastasia Bondareva: Ich möchte mich einfach weiterhin steigern. Vielleicht reicht es ja irgendwann einmal für die Damennationalmannschaft und dass ich in größeren Turnieren mitspielen und Medaillen gewinnen kann. Letztlich arbeite ich darauf hin, irgendwann vielleicht einmal Profi werden zu können.

(JS)

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