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Kilians Blog: Warum dürfen Profis spielen und Amateure nicht?

Kilian Ort hat das Glück, trotz Corona spielen zu dürfen (©Bad Königshofen)

22.02.2021 - Man kann es als bodenlose Ungerechtigkeit empfinden: Warum dürfen die Spieler der TTBL- und Damenbundesliga-Mannschaften weiterhin trainieren und Wettkämpfe bestreiten, während der Spiel- und Trainingsbetrieb für die meisten anderen ruht? Verbreitet sich das Coronavirus in Profikreisen etwa weniger gut? Kilian Ort nimmt Stellung zu dem Unmut vieler Amateurspieler und erklärt, wie sich die aktuelle Situation aus Sicht eines Tischtennisprofis darstellt.

„Warum dürfen die in der TTBL spielen und wir nicht?“ So oder so ähnliche Kommentare findet man in der aktuellen Zeit des Öfteren in den sozialen Netzwerken oder auch unter YouTube-Videos. Die Antwort „das sind Profis und das ist deren Beruf“ folgt meistens prompt von anderen Nutzern. Im Folgenden beschreibe ich, wie ich die aktuelle Situation sehe und warum viele Profis auch aus eigenem Interesse hoffen, dass die Hallen mit größtmöglichem Schutz zügig wieder für alle zugänglich sein werden. 

Besonders für die Kids tut es mir leid

Beim Profitischtennis handelt es sich um die Ausübung eines Berufs, für den neben den Wettkämpfen auch das Training essenziell ist. Dass dies von der Politik so gesehen wird, haben wir Tischtennisprofis zum Teil auch dem Fußball zu verdanken. Es scheint so, dass, solange Lewandowski, Reus und Hummels dem großen Ball hinterherjagen, auch die anderen Profisportler ihren Beruf im Rahmen der Hygienekonzepte ausüben dürfen. Bin ich dankbar dafür, dass ich meinem Job nachgehen darf? „Na klar“, ist da die erste spontane Reaktion. Denke ich da jeden Tag drüber nach? In der aktuellen Situation sicher häufiger als zu „normalen“ Zeiten. Ich müsste aber lügen und wäre arg heuchlerisch, wenn ich behaupten würde, dass ich auf dem Weg in die Halle täglich drei Kreuzzeichen mache, um mir zu vergegenwärtigen, was für ein Glückspilz ich (momentan) bin. 

Meistens realisiert man sein Glück erst, wenn man die schlechtere Lage seiner Mitmenschen vor Augen geführt bekommt. Deshalb wäre es aktuell sicher angebracht, dass ich jeden Tag meine drei Kreuzzeichen mache. Denn ich sehe das „Leid“ in meinem Verein, dem TSV Bad Königshofen, der neben seiner TTBL- Mannschaft vier weitere Herren-Teams, vier Jungen- und eine Mädchenmannschaft hat. Darüber hinaus kooperieren wir mit der Damenmannschaft des TSV Bad Rodach. Dass die Runde für den Amateurbereich im vergangenen Herbst einen harten Cut erlitten hat und nun abgebrochen wurde, ist aus rein sportlicher Sicht katastrophal. Selbstverständlich ist nicht nur für die Jüngsten unter uns das „Herumtollen“ an der Platte elementar für Körper und Geist, doch besonders für die Kids tut es mir leid. Ich bin in meiner Kindheit wohl nie eine ganze Woche komplett ohne einen Ball ausgekommen. Egal ob Tischtennis, Fußball, Handball, Badminton oder Tennis – Spaß hat mir alles gemacht. Deshalb mag ich mir nicht vorstellen, was das für die jüngere Generation, die sich auch nur unter Auflagen mit ihren Freunden treffen darf, aus psychologischer und sozialer Sicht bedeutet. In Bad Königshofen profitieren wir von einer Generation, die in den 70er Jahren das Tischtennisspielen erlernt hat, unserem Sport seitdem treu geblieben ist und nun zu Bundesligazeiten das Fundament unseres Organisationsteams bildet. Sie greifen aber auch gerne selbst zum Schläger und so konnte ich in dem relativ kurzen Zeitraum, in denen die Hallen im vergangenen Jahr geöffnet waren, in viele strahlende Gesichter an den Tischen blicken. Selbst als die Sportstätten wieder geschlossen waren, trafen sie sich manchmal zu zweit, um ein paar Sätze an der Platte im Keller oder in der Garage zu spielen. Sicherlich auch, weil sie eine Bundesligamannschaft vor der Haustüre haben, dürfte es den Bad Königshöfern noch mehr in den Fingern kribbeln.

Nur der härteste Kern anwesend

Wie ist denn aktuell die Situation für uns Tischtennisprofis? Zu den internationalen Turnieren der ITTF kann ich relativ wenig sagen, da bisher nur die absoluten Topathleten am World Cup und/oder an den ITTF-Finals teilgenommen haben. Einige Dinge, wie beispielsweise die Tatsache, dass während der Quarantäne selektierte Topspieler einen Roboter fürs Training auf das Zimmer geliefert bekommen haben, während die anderen Teilnehmer weiter ihren Unterarmstütz machten, dringen allerdings doch durch und lassen einen an der Integrität solcher Veranstaltungen zweifeln. Die Hygienekonzepte der ITTF schienen allerdings – im Gegensatz zu denen manch anderer Sportarten - makellos zu funktionieren. 

In der TTBL wurden die Vorschriften während der Saison auch angezogen. Mittlerweile sind FFP2-Masken im gesamten Hallenbereich verpflichtend und auch die Gesamtzahl der Personen, die dem Spiel beiwohnen, wurde auf das Mindeste reduziert. Während zu Beginn der laufenden Spielzeit sogar noch vereinzelte Zuschauer zugelassen wurden, ist bei uns momentan nur noch der härteste Kern – die für die Durchführung des Spiels Unverzichtbaren – plus die Pappfigur von Mizuki Oikawa anwesend. Vor einigen Monaten waren noch einige Helfer, die für den Auf- und Abbau zuständig waren, in der Shakehands- Arena. Nun müssen auch sie sich nach Hause begeben und das Match im Livestream verfolgen. Wer vor lauter Spannung kurz vorm Herzinfarkt steht und sich deshalb anderweitig beschäftigen muss, wird in Bad Königshofen von unserem Organisationschef in der WhatsApp-Gruppe kurz vor Ende der Partie benachrichtigt. Die Aussage „15 Minuten, bevor es aus ist, schreib ich euch“ sorgte schon für Schmunzler. Ich will nicht wissen, wie oft das Helferteam schon vor der Halle stand, weil der Ort sein Einzel noch verzockt und somit das Spiel in die Länge gezogen hat. 

Klare Regeln in TTBL und DTTZ

Bereits im Sommer 2020 musste jeder TTBL-Klub einen Hygienebeauftragten installieren. In Bad Königshofen hat sich Christiane, die seit Jahren ehrenamtlich im Verein tätig ist, bereit erklärt, diese Aufgabe zu übernehmen. Sie ist unter anderem dafür verantwortlich, dass der Abstand in der Halle eingehalten wird, dass genügend Desinfektionsmittel vorhanden ist und darüber hinaus muss sie den Hygienebeauftragten der Gastmannschaft über die örtlichen Gegebenheiten/Besonderheiten informieren sowie auch die eigene Mannschaft regelmäßig „briefen“. Meine Teamkollegen Abdel-Kader Salifou und Filip Zeljko sowie alle anderen ausländischen Bundesligaakteure dürfen zudem nur mit negativem Coronatest einreisen. Ich dagegen werde nicht vor jedem Spiel, sondern nur stichprobenartig getestet, weshalb ich noch vorsichtiger als andere agieren muss. Selbstverständlich versuche auch ich, mit so wenigen Personen wie möglich in Bad Königshofen und Düsseldorf in Kontakt zu treten. Aufgrund eines gut funktionierenden Hygienekonzepts des DTTB und sicherlich auch dank einem Quäntchen Glück konnte bisher ein größerer Ausbruch des Virus im DTTZ vermieden werden. Gerade heute Morgen – ich verfasse den Blog selbstverständlich nicht am Tag der Veröffentlichung – musste ich mich testen lassen, da eine Person der gegnerischen Mannschaft, zu der ich nur flüchtig Kontakt hatte, gestern positiv getestet wurde. Bis das Ergebnis da ist, treffe ich niemanden und habe stattdessen Zeit, diese Zeilen zu verfassen. 

Regelmäßig werden wir daran erinnert, vorsichtig zu sein und uns glücklich zu schätzen, dass das DTTZ für uns weiterhin geöffnet ist und wir somit unter hervorragenden Bedingungen unserem Beruf nachgehen können. Dennoch wird es schwarze Schafe wohl überall geben. Wenn man beim Fußball sieht, dass Corentin Tolisso extra einen Tätowierer einfliegen lässt, ärgert das neben den ganzen Amateurfußballern sicher auch seine Mitspieler, die durch eine solche Aktion in ein anderes Licht gerückt werden, obwohl sie sich möglicherweise stets korrekt verhalten haben und sich ihrer Privilegien bewusst sind. 

Kleine Hallen erschweren den Coronaschutz

Kann ich den Unmut derer verstehen, die sich über die Benachteiligung des Amateursports echauffieren? Zum Teil ja! Natürlich macht das Virus vor Profis keinen Halt und die Infektionsgefahr ist die gleiche. Allerdings stellt sich die Frage, ob im Amateurbereich jeder Verein die finanziellen Möglichkeiten hätte, die notwendigen Tests zahlen zu können. Selbst in der TTBL wächst das Geld nicht auf den Bäumen, weshalb es verständlich ist, dass einige Klubs jede noch so kleine Gelegenheit nutzen, um ein paar Euros zu sparen. Zudem verfügen Teams aus den niedrigeren Ligen häufig über kleine Hallen. Auch ich bin in ihnen aufgewachsen: der altehrwürdige Holzboden meldet sich bei jedem Schritt zu Wort, die Sechser-Mannschaften quetschen sich zwischen die zwei Boxen auf die Bank und die Zuschauer auf der Theaterbühne mimen die Experten. Doch genau das hat seinen Charme, weshalb ich lieber in Mühlhausen spiele, wo sich einige Thüringer während der TTBL-Partien in lateinamerikanische Bongomusiker zu verwandeln scheinen, als in chinesischen Arenen, in denen man ein Fernglas benötigt, um die Hallendecke erspähen zu können. Allerdings erschweren viele unserer Sportstätten die konsequente Durchsetzung eines Hygienekonzeptes, weshalb sicherlich auch einige Aktive mit dem Abbruch der Saison - vor allem aus gesundheitlichen Aspekten - einverstanden sind. 

Ohne Zuschauer fehlt auch den Profis das Salz in der Suppe: die Gefühlsexplosionen bei einem herausragenden Punktgewinn, das Raunen bei einem Aufschlagfehler, das gemeinsame Jubeln nach einem Sieg, die aufmunternden Worte nach einer Niederlage und auch die wenigen Bundestrainer, die nach jeder Partie noch einen exklusiven Ratschlag parat haben. All diese Leute und all diese Dinge werden besonders in den familiären Bundesligavereinen schmerzlich vermisst. Darunter, dass momentan weder Zuschauer zum Anfeuern noch der Breitensport zum Spielen in die Hallen dürfen, leiden auch die Tischtennis-Shops und Tischtennismarken, die wiederum u.a. Verbände, den Nachwuchs und auch die Profis finanziell unterstützen. Es wird also keinen TTBL-Spieler geben, der etwas davon hat, wenn alle anderen Ligen pausieren. Der Satz des ehemaligen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs „we are all sitting in one boat“ trifft also allemal auch aufs Tischtennis zu. 

Danke!

Zum Schluss will ich mich zum einen bei denen bedanken, die eine sichere Durchführung unserer Matches gewährleisten, und zum anderen möchte ich das Verhalten der Menschen honorieren, die dafür sorgen, dass die Zahlen wieder langsam nach unten gehen und die es uns so überhaupt ermöglichen, unseren Beruf ausüben zu dürfen. Auch mir wird wieder das Herz aufgehen, wenn Tischtennis-Cracks aller Altersklassen ohne Einschränkungen in den Hallen zum Aufschlag ansetzen und ich dem ein oder anderen während des Trainings oder der Wettkämpfe begegnen werde. 

Bleibt gesund – also negativ – und positiv 

Euer Kilian 

(Kilian Ort)

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