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Kilians Blog: "Tischtennisprofi?! Davon kann man leben?"

In seinem Blog gibt andro-Spieler Kilian Ort wieder interessante Einblicke ins Profigeschäft (©ITTF)

05.10.2020 - Woraus setzt sich das Gehalt eines Tischtennisprofis zusammen? Welche Rolle spielen die Vereine dabei, welche die Ausrüster und welche die Bundeswehr? Und welche Kosten müssen die Spieler, z. B. bei Turnieren, selbst tragen? In diesem Jahr konnten wir Kilian Ort für uns als Blogger gewinnen und auch in seinem aktuellen Blog gibt der Bad Königshofener Bundesligaspieler wieder interessante Einblicke in das Leben eines Tischtennisprofis.

„Tischtennisprofi?! Davon kann man leben?“ Wenn ich für diese Frage jedes Mal einen Euro bekommen hätte, könnte ich mir mittlerweile von dem Geld sicher ein nettes Drei-Gänge-Menü gönnen. Böse bin ich den Menschen nicht. Woher sollen sie es auch wissen? Wenn sie den Fernseher einschalten – Fußball. Wenn sie die Zeitung aufschlagen – Fußball. Und wenn sie einfach nur ihre E-Mails abrufen wollen – Fußball. Deshalb weiß auch der normale Sportinteressierte beim Stammtisch in etwa Bescheid, was die Neuers, Hummels und Müllers verdienen: „Viel zu viel…viel zu viel“. Da bin ich ehrlich gesagt froh, dass über unsere TT- Gehälter weniger gequatscht wird, was nun mal daran liegt, dass die Fußballer ein paar Nullen mehr am Ende ihres Gehaltschecks haben. Also schauen wir mal, wie es sich so als Tischtennisprofi finanziell leben lässt. 

Vereine bezahlen den Löwenanteil
Den Löwenanteil ihres Gehalts verdienen die meisten Profis bei ihren Vereinen. Manche Akteure spielen sogar in mehreren Klubs, da es einige europäische Verbände zulassen, in mehr als nur einer Liga gleichzeitig aufzuschlagen, was den Athleten finanziell mehr Möglichkeiten bietet. Thomas Keinath beispielsweise reizte dies vor geraumer Zeit so weit aus, dass er in einer Saison in vier verschiedenen Vereinen aus vier verschiedenen Nationen spielte. Ganz ohne Groschen wird er da die Heimreisen auch nicht angetreten haben.

In der TTBL ist heutzutage tendenziell weniger Geld im Umlauf als vor ein oder zwei Jahrzehnten. Ich kann dies mit meinen 24 Jahren natürlich nicht einschätzen, nur hört man manchmal mit einem Ohr bei den „alten Hasen“ zu. Nichtsdestotrotz ist das Bundesligaoberhaus eine weltweit hoch anerkannte Liga. So berichtetet mir schon eine Vielzahl von Profis, dass sie in anderen Ländern mehr Geld hätten verdienen können, sie aber das Niveau und die Professionalität so sehr schätzen, dass sie die niedriger dotierten Angebote aus Deutschland angenommen haben.  

Berufsbezeichnung: Soldat
Wie einige meiner Nationalmannschaftskollegen bin auch ich Mitglied einer Sportfördergruppe der Bundeswehr. Somit lautet unsere Berufsbezeichnung Soldat, die aber, wenn wir ehrlich sind, wenig mit unserem Alltag zu tun hat. Vom klassischen „Dienstschieben“ sind wir freigestellt, um unserem Sport bestmöglich nachgehen zu können. Unser Arbeitgeber sichert uns nicht nur finanziell ab, sondern fördert auch Weiterbildungsmaßnahmen, die parallel zum Profitum laufen, und hilft bei der ‚Wiedereingliederung’ in das normale Berufsleben.

Mittlerweile habe ich seit meinem Dienstantritt im April 2015 drei Bundeswehrlehrgänge absolviert – die sechswöchige Grundausbildung, einen achtwöchigen Feldwebelanwärterlehrgang in Hannover und einen knapp vierwöchigen Übungsleiterlehrgang in Sonthofen. Inzwischen wurde die Dauer unserer Ausbildungen sogar noch verkürzt, da wir Sportler in dieser Zeit weniger trainieren können und dies im Normalfall zu einem körperlichen Leistungsverlust führt, der erst einmal wieder aufgeholt werden muss. Wir wissen, dass das Jammern auf hohem Niveau ist – ist doch die Bundeswehr besonders in Krisenzeiten ein „Partner“, auf den man sich verlassen kann. 

Starker Ausrüster wichtig
Außerdem ist es wichtig, einen starken Ausrüster hinter sich zu haben. Der bayerische Verbandstrainer Cornel Borsos, der bis vor wenigen Jahren selbst noch einen Schöler-Micke-Shop führte und mich durch meine ganze Jugendzeit begleitete, sorgte aufgrund seiner guten Kontakte nach Dortmund dafür, dass ich im zarten Alter von zehn Jahren meine erste Unterschrift unter einen andro-Vertrag setzte. Mit dem „Revolution Quad 420“ auf der Vorhand sowie dem „Rocket Soft“ auf der Rückhand – ja so hießen die Beläge damals – konnte ich sofort den bayerischen Future Cup (U11) in Donauwörth gewinnen.

Bis heute hält die gemeinsame Partnerschaft an und ich darf mich glücklich schätzen, dass mich andro auch in sportlich düsteren Zeiten unterstützt hat. Neben der Materialbereitstellung hilft mir andro, an internationalen Turnieren teilzunehmen, was leider nicht wirklich günstig ist.  Dies ist besonders der Einführung des neuen Weltranglistensystems (gültig seit Januar 2018) geschuldet, das Vielspieler derart belohnt, dass alle ambitionierten Athleten regelrecht gezwungen werden, regelmäßig um den Globus zu fliegen. 

Tendenz zur eigenen Organisation bei Turnieren
Als junger deutscher Spieler trägt man die Kosten für Flüge, Hotel, Verpflegung und Startgebühr selbst. Grundsätzlich gibt es bei den ITTF-Turnieren die Möglichkeit, das offizielle Paket zu buchen, das einem einiges an Organisation abnimmt – unter anderem muss die Startgebühr nicht gezahlt werden, der Bustransfer bei An- und Abreise sowie zur Halle wird gestellt und das Essen ist im Preis inklusive – oder man bucht mehr oder weniger alles auf eigene Faust und zahlt für das Hotel, die Verköstigung und das Antrittsgeld, das sich beispielsweise bei den Qatar Open 2020 (190 US-Dollar) im Vergleich zu vor zwei Jahren (150 US-Dollar) auch immer mehr erhöht, jeweils separat.

Viele Mitglieder des U23-Kaders bevorzugen zumindest bei Turnieren auf europäischem Terrain die zweite Option, da die Preise des offiziellen Pakets schlichtweg zu hoch sind und man bei manchen Events schon im Vorhinein weiß, dass die bereitgestellten Mahlzeiten qualitativ ausbaufähig sind und man deshalb sowieso schon nach geeigneten Restaurants im näheren Umfeld der Halle Ausschau hält.

Eher ein Verlustgeschäft
Darüber hinaus stellt sich bereits Wochen vor dem Event die Frage, welchen Rückflug man bucht. Wer zu optimistisch ist und deutlich früher als erwartet die Segel streichen muss, verbringt noch Tage nach seinem Ausscheiden an dem Ort, von dem er im Normallfall so schnell wie möglich verschwinden will, und trägt Übernachtungskosten, die nicht nötig gewesen wären. Wer zu pessimistisch ist und beim Boarding des Rückfluges noch mitten im Turnier ist, zahlt oft die Umbuchungskosten von dem gerade erspielten Preisgeld. Der ein oder andere bucht mittlerweile auf die Gefahr, dass kein geeignetes Ticket mehr verfügbar sein wird, seinen Rückflug erst nach dem Ausscheiden, da sich die Kosten des häufigen Umbuchens auch schnell summieren können.

In manchen Nationen, wie zum Beispiel Italien, übernimmt dagegen der Verband jegliche Kosten, was logischerweise das Kalkulieren des eigenen Budgets deutlich erleichtert. Von den Spielern, die selbst die Scheine in die Hand nehmen, machen nahezu alle Athleten minus, da das „total prize money“ zu niedrig ist und die vorderen Platzierungen zumeist an die Cracks aus Fernost gehen, die die gewonnenen US-Dollars wohl nicht unbedingt nötig hätten, um über die Runden zu kommen. Somit kann man resümieren, dass viele junge Tischtennisprofis gehörig in die eigene Tasche greifen müssen, um überhaupt in Richtung Top 100 zu kommen. 

Die weiteren Ausgaben
Anders als in manch anderen Tischtenniszentren müssen deutsche Spieler im Düsseldorfer DTTZ kein Geld zahlen, um der Trainingsgruppe anzugehören. Dass sich das Portemonnaie dennoch erleichtert, ist der Tatsache geschuldet, dass kaum einer der aktuellen Nationalspieler ursprünglich aus der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt kommt und dass deshalb eine Wohnung entweder gemietet oder gekauft werden muss. Hinzu kommen kleinere Ausgaben, wie zum Beispiel solche zur Gesunderhaltung. Sicher geben Tischtennisprofis mehr Geld für Sportdrinks, Medikamente oder auch Nahrungsergänzungsmittel aus als der Ottonormalverbraucher.

Für Athleten, die mit ihrem Sport ihr Einkommen verdienen, gilt es noch mehr, auf den eigenen Körper zu achten, als dies der Büroarbeiter tut, was zur Folge hat, dass das Essen qualitativ auf einem hohen Niveau sein sollte, um seine bestmögliche Performance abrufen zu können. Ich investiere beispielsweise monatlich in ein Vitalstoffkonzentrat, das besonders im Winter das Erkältungsrisiko minimieren soll, da ein grippaler Infekt zur Unzeit die TTBL-Bilanz ruinieren kann… und das lässt die Aufstockung des bisherigen Gehalts in weite Ferne rücken. 

Finanzielle Unterstützung des Elternhauses
Schlussendlich vermag ich zu behaupten, dass es vor allem zu Beginn der Karriere nicht schadet, wenn das Elternhaus dem Sohn oder der Tochter beim Traum, Tischtennisprofi zu werden, finanziell unter die Arme greifen kann. Den meisten Jugendlichen fällt der Sprung in den Erwachsenenbereich schwer, weshalb viele Talente in den Anfangsjahren ihrer Laufbahn Spielpraxis dem Geld vorziehen, um ein Level zu erreichen, das sie für einen Erstligaklub unverzichtbar macht.

Wer dann aber regelmäßig positive TTBL-Bilanzen vorweisen kann, wird dies auch zeitig auf seinem Bankkonto vernehmen können, weil man auch eher externe Sponsoren an Land ziehen kann. Deshalb denke ich, dass der normale Bürger das Einkommen eines guten Erstligaspielers unterschätzen würde. Denn die Bundesligaspieler, die am Ende der Spielzeiten zu den Besten ihrer Zunft gehören, werden derart gut belohnt, dass sie sich des Öfteren ein leckeres Drei-Gänge-Menü leisten können.

(Kilian Ort) 

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