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Lennarts Blog: Chancen durch Corona?!

In Zeiten der Ausgangsbeschränkungen ist Tischtennis eine willkommene Abwechslung (©Pixabay)

20.04.2020 - Die Corona-Krise und all ihre Opfer, Einschränkungen und Verbote positiv zu sehen, fällt einem in dieser Zeit doch eher schwer. Das gilt für so ziemlich jeden Bereich unseres Alltags - und damit auch für den Sport. Unser Blogger Lennart Wehking versucht dennoch, einmal auf die andere Seite der Medaille zu schauen, und findet dort einige Bereiche, in denen der Tischtennissport von dieser Krise auch profitieren kann und könnte.

Die Nachrichtenlage ist Tag für Tag beklemmend. Die Corona-Krise ist für den Alltag der Menschen in Deutschland weiterhin einschneidend. Auch der Tischtennissport bleibt nicht verschont: Bundesligaclubs kämpfen ums Überleben, Veranstaltungen auf allen Ebenen werden verschoben oder abgesagt, niemand kann wirklich absehen, wann die Hallen für die große Tischtennis-Community wieder öffnen. Das ist die bittere Realität und dessen bin ich mir bewusst. Trotzdem wage ich eine andere Perspektive in diesen schwierigen Zeit - ganz und gar gegen den Trend: Bietet der deutschlandweite Lockdown auch Chancen für unseren Sport?  

Freiraum und Kreativität für neue Konzepte 

Die Hallen sind seit mehreren Wochen dicht. Die Saison ist für alle Ligen bis auf die TTBL, die noch auf eine Austragung der Play-offs in gekürztem Format hofft, beendet. Von heute auf morgen bringt das sehr viel Zeit für all diejenigen, die sonst regelmäßig eifrig in der Halle geschwitzt haben. Zeit, die jetzt genutzt werden könnte, um sich in die Vereinsarbeit einzubringen: bisherige Strukturen in Ruhe durchleuchten, neue Zielstellungen formulieren, Konzepte zur Sponsorenakquise (natürlich für nach der Krise) erstellen. Und vor allem mit Weitblick und Kreativität überlegen, wie wieder mehr Kids in die Hallen kommen, wie Kooperationen mit Schulen oder Kindergärten gelingen können. Die Palette der Angebote in Vereinen und Verbänden kann bestimmt in vielen Fällen sinnvoll erweitert werden. Ausmisten und neu justieren, dafür ist jetzt die Zeit. 

Tischtennis als Freizeitangebot gefragter denn je – eine Chance für die Vereine?

Denn eine Stärke von Tischtennis ist für mich aktuell sehr augenscheinlich: Wirklich viele kennen und lieben das Duell am Tisch - und mit den ersten Sonnentagen sind die Tische in den öffentlichen Parks und Anlagen überlaufen, wenngleich in diesen Tagen glücklicherweise sehr geordnet. Mit genug Abstand und zu zweit wird gezockt, was das Zeug hält. Auch ohne Rundlauf oder wechselnde Gegner sind die Steinplatten in den Parks extrem beliebt und lange Warteschlangen keine Ausnahme. Auch in den Gärten, auf Terrassen und Balkonen, in Garagen und Kellerräumen werden (teils verstaubte) Tische aufgebaut oder neu bestellt und der Plastikkugel hinterhergejagt. Erst kürzlich ging durch die Presse, dass man sich sein isoliertes Zuhause in Coronazeiten offenbar besonders gerne mit einem Tischtennistisch schmückt und die Nachfrage enorm gestiegen ist. Können wir diesen Run auf unseren Sport nutzen und die tischtennisbegeisterten Menschen in die Hallen locken? Müssen wir nach dem Lockdown das Vereinsangebot vielleicht sogar in die öffentlichen Parks ausweiten, um von der dortigen Popularität zu profitieren? Für eine Analyse der Motive dieser Freizeitszene wäre jetzt eine gute Zeit, denn die wenigsten Outdoor-Artisten sind nach meinem Wissen in Vereinen im geregelten Mannschaftsbetrieb aktiv. 

Digitales Angebot boomt auch im Tischtennis 

Wie viele andere Lebensbereiche erfährt auch der Tischtennissport in diesen Tagen eine Digitalisierung sondergleichen. Das betrifft größtenteils Verbände und Großvereine, die ihre Traineraus- und -fortbildung über Angebote des 'blended learning' ins Netz verlagern und so vielen eigentlichen Digitalmuffeln Input über Videoanalysen, Videokonferenzen und internetbasierte Lernformate bieten. Auch viele Trainerinnen und Trainer im Spitzenbereich versuchen über digitale Plattformen den Kontakt zu ihren Schützlingen zu halten und bilden sich so automatisch fort. Neue, zeitgemäße Athletikprogramme werden per Videoschalte vorgeturnt, diskutiert und in den oft tischtennisfreien Alltag der jungen Talente implementiert (bislang dürfen nur die Olympia- und Perspektivkader des DTTB mit einer Ausnahmegenehmigung trainieren). Taktisch-theoretische Aspekte wie Spielsystementwicklung oder die simple Spielanalyse des eigenen Systems rücken in den Vordergrund und bekommen endlich den Raum, den sie in vielen anderen Sportarten schon längst haben. Gleichzeitig wird die Tischtennis-Szene erfinderisch: Ob mit Ballroboter, am Küchentisch mit Bücher-Netzgarnitur oder einfach nur mit Ball und Schläger im Wohnzimmer – Trick-Shot-Challenges sind maximal en vogue und werden auf diversen Social-Media-Plattformen geteilt und abgefeiert.  

Den Profis so nah

Nicht nur tischtennisspezifisch kann man also online richtig dazulernen und sich athletisch und koordinativ auf die Zeit nach der Epidemie vorbereiten. Auch einigen Stars der Szene kommt man momentan so nah wie nie zuvor. Sie geben einen privaten Einblick in ihr Leben während des Lockdowns, indem sie online auf die Basis zugehen: Sportdirektor Richard Prause spricht in seinem Podcast über die sportpolitischen Entwicklungen, Bundestrainer Jörg Roßkopf hilft beim Anfängertraining im eigenen Garten, Nachwuchshoffnung Franzi Schreiner erzählt von ihrem Alltag als Jungprofessionelle und die beiden deutschen Olympiahoffnungen Timo Boll und Patrick Franziska beantworten beim gemeinsamen Plausch die Fragen ihrer Fans. Und wer es sich schon vor dem Bildschirm gemütlich gemacht hat, kann jetzt mal wieder in aller Ruhe in alten Zeiten schwelgen. Die No-look-Bälle von JO Waldner sind auch in Corona-Zeiten eine Augenweide, das für mich beste Tischtennismatch aller Zeiten zwischen Timo Boll und Wang Liqin bei der WM 2006 in Bremen noch immer ein Juwel und frisch produzierte Best-of-Zusammenstellungen aller Art sowieso nie zu verschmähen. 

Neue Motivation durch keine echte Sommerpause? 

Eins haben diese Leckerbissen aus aktiveren Tagen gemein: Sie sorgen bei mir für ein Kribbeln in der Hand. Ich vermisse Tischtennis und werde bestimmt mit einer ganz anderen Motivation in den Tag X nach der Krise starten, wenn die Hallen wieder öffnen. Dieser Tag wird kommen, das darf man nicht vergessen. Vielleicht entfällt dieses Jahr die sonst so lange Sommerpause, vielleicht gibt es einen richtigen Run auf die ersten Wettbewerbe und Trainingsmöglichkeiten in den Vereinshallen – trotz Sommerferien und herrlichem Wetter. Bereiten wir uns darauf vor!

(Lennart Wehking)

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