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Phasendrescher: Der pubertierende Jugendliche

Diesmal widmet sich der Phasendrescher dem "pubertierenden Jugendlichen" (©Laven)

11.11.2019 - Welche Phasen im Laufe einer Tischtennis-Amateurkarriere gibt es? Dieser Frage geht seit dieser Saison unser "Phasendrescher" Philipp Hell auf den Grund und stellt eine Reihe von möglichen Stationen wieder überspitzt mit Humor und einem Augenzwinkern dar. Nach dem "Knirps" und dem "talentierten Kind" ist heute der Jugendliche an der Reihe, der sich mit der Pubertät herumschlagen muss.

Der pubertierende Jugendliche – nennen wir ihn Luca, denn so heißen die meisten Jungs in dem Alter heutzutage – hat beim Tischtennisspielen das gleiche Problem wie derzeit auch sonst in seinem Leben: eben die Pubertät.

Die Pubertät führt dazu, dass er mit alberner (weil spärlicher) Behaarung an Beinen und im Gesicht unsicher an der Platte herumsteht, sich ständig seine zu langen Kopfhaare aus der Stirn schüttelt und sich möglichst wenig bewegen möchte. Denn Bewegen ist nicht cool. Schon gar nicht, wenn man 14 ist und Tischtennis spielt. Denn Tischtennis ist ja auch schon an sich nicht cool, das ist zunächst einmal das Grundproblem.

Was macht Luca also beim Tischtennis? Nun, entweder hat ihn sein ebenfalls Tischtennis spielender Vater vor einigen Jahren dazu gezwungen, um drohendem Übergewicht bei beiden entgegenzuwirken. Alternativ hatte er schon als Kind oder Knirps zu spielen begonnen (damals machte das noch Spaß, denn man konnte am Montag auf dem Pausenhof beim Rundlauf glänzen) und irgendwie den Absprung verpasst, als es begann, keinen Spaß mehr zu machen. Oder er hat erst letzte Woche damit angefangen, weil alle coolen Jungs aus seiner Klasse eben auch ins Training gehen – eine höchstens theoretische Möglichkeit, denn siehe oben: Tischtennis ist nicht cool. Doch egal, was der Grund für Lucas – zumindest körperliche – Anwesenheit im Tischtennis-Training ist, kann man beinahe sicher sein: zum Fußballspielen hat's halt definitiv nicht gereicht!

Körperhaltung eines nassen Sacks
Nun steht er also an der Platte mit der Körperhaltung eines nassen Sacks, dem Ballgefühl eines Braunbären und dem Selbstvertrauen eines Maulwurfs und weiß eigentlich nicht wohin mit seinen Beinen, wohin mit seinen Armen und wohin mit diesem komischen kleinen weißen Ball, der noch dazu ständig dieses fiese Dings hat, na! Ach ja, Unterschnitt. Erschwert wird diese Mühsal auch noch durch die Anwesenheit eines Netzes, eines Gegners und eines überambitionierten Trainers, der ständig durch die Halle blökt: „Wechsel, Kontern, Königsspiel, bewegt euch endlich, longline, cross!“ Wobei nur die allerwenigsten dieser Begriffe Luca auch nur ansatzweise irgendetwas sagen.

Weder Spiel- noch Tabellenstand seiner Mannschaft interessieren Luca besonders, während der Matches seiner Teamkollegen drückt er eifrig auf seinem überteuerten Smartphone herum und wenn er zu seiner eigenen Überraschung tatsächlich aufgerufen wird, latscht er mitten durch den Ballwechsel am Nachbartisch, weshalb er sich mal wieder einen saftigen Anpfiff seines Trainers anhören muss. Und dies, nachdem er bereits zu Beginn des Spiels einen ersten Anpfiff bekommen hatte, da er – wie beinahe immer – einen Teil seiner Ausrüstung zu Hause vergessen hatte. Und ohne Turnschuhe, kurzer Hose oder gar Schläger spielt es sich eben allenfalls so mittel. Auf Lucas dezenten Hinweis, dass das mit dem eigenen Schläger ja auch nicht sooo wichtig sei und er mit Jans Ersatz-Schläger überhaupt keinen Unterschied … – jedenfalls hat der Trainer dann einen kompletten Tobsuchtsanfall bekommen und mit Schaum vor dem Mund nur noch unverständliches Zeug gebrüllt. Der arme Luca! Ja, man hat's nicht leicht in der Pubertät, gerade wenn man Tischtennis spielt.

Niederlagen gegen Achtjährige oder Mädchen
Nach Möglichkeit versucht Luca ohnehin, den Einsatz bei Punktspielen zu vermeiden. Denn regelmäßige Niederlagen gegen Achtjährige oder sogar gegen Mädchen sind fürs Selbstwertgefühl nun wirklich nicht förderlich. So kommt es, dass Lucas Mannschaftsführer oftmals von immer äußerst kurzfristig anberaumten Mathearbeiten, Besuchen bei der Oma oder gar Hausarrest überrascht wird beim verzweifelten Versuch, für Freitagnachmittag eine schlagkräftige Truppe zum Heimspiel zusammenzustellen.

Auch die Vereinsmeisterschaft oder gar die Kreismeisterschaft, zu der der Jugendtrainer seine ganze unmotivierte Truppe mitschleift – Zitat: „Aus Niederlagen lernt man sogar noch mehr als aus Siegen!“ – sind Luca ein absoluter Graus. Wer schon einmal die Urkunde für den 23. und damit letzten Platz aus der Hand eines halbsenilen aber gütig lächelnden Kreisjugendwartes erhalten hat und bei den Sachpreisen damit automatisch nur noch das unbeliebte Überbleibsel auswählen konnte (das Sachbuch „Sexualaufklärung für spätpubertäre Jugendliche“ von Dr. Hans Wurst, ein Klassiker!) weiß, wovon die Rede ist.

Neidischer Blick auf die Talentierten
Mit einer interessanten Mischung aus Neid und Belustigung beobachtet Luca im Training die wirklich talentierten Jugendlichen, die seit ihrer frühesten Kindheit stundenlanges Systemtraining am Balleimer machen, in Trinkpausen taktische Finessen des halblangen Aufschlages mit Seit-Unterschnitt diskutieren, sich nachmittags Youtube-Videos mit den Highlights der letzten Tischtennis-Mannschafts-WM anschauen, statt heimlich nach Oben-ohne-Fotos irgendwelcher Popsternchen zu googlen und auch optisch auf der Nerdigkeit-Skala ziemlich weit oben stehen. Auch sie werden so schnell sicherlich keine süßen Mädchen aus ihrer Klasse mit ihren sportlichen Aktivitäten beeindrucken können – aber wenigsten stauben auf ihren Regalen daheim im Kinderzimmer einige größere und kleinere Pokale vor sich hin.

Zur ersten Phase "Der TT-Knirps"
Zur zweiten Phase "Das talentierte Kind"

(Philipp Hell) 

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