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Daniels EM-Blog: Unorthodoxe Spielsysteme auch auf diesem Niveau

Ni Xia Lian und Luka Mladenovic (©Gohlke)

23.09.2018 - An diesem Sonntag findet die EM in Alicante ihren Abschluss, nach spannenden Wettkampftagen mit einer Reihe von deutschen Erfolgen. Redakteur Daniel Koch hat das Turnier auf sich wirken lassen, mit anderen verglichen, will in seinem Blog aber nicht auf die sportliche Bilanz aus deutscher Sicht eingehen, sondern mal auf Spieler, die sonst wohl eher weniger im Fokus stehen.

Was lässt sich zu dieser EM sagen und wie als Journalist mit vorherigen vergleichen? Durchaus warm ist es diesmal nicht nur außerhalb der Halle, sondern auch auf der Pressetribüne! Während man bei anderen Turnieren mit einer dünnen Jacke gut beraten war, merkt man hier auch mal in der Halle die äußeren klimatischen Bedingungen – zumindest eben oben auf der Pressetribüne. Die Spielfläche ist gut klimatisiert, in der Nebenhalle dagegen kamen die Spieler auch mächtig ins Schwitzen. 

So eine Veranstaltung unbedingt mal live anschauen!
Wieder lässt sich sagen, dass mir persönlich das Spielniveau durchaus hoch erscheint. Schon in Blogs bei vorherigen Europameisterschaften hatte ich anklingen lassen, dass mir die Vielschichtigkeit an Spielniveaus zum Teil höher vorkommt als in manch anderer Sportart, der Sprung zum Profitischtennis sehr groß ist. Manchmal kann ich kaum glauben, welche Bälle die Spieler hier spielen mit Blick auf Tempo, Reaktionsschnelligkeit und Feinmotorik. 

Auch Spieler aus der zweiten, dritten europäischen Reihe versetzen mich eher in Staunen als z. B. im Fußball Weltklassespieler wie Neymar, Pogba oder Agüero, die ich alle mal live im Stadion gesehen habe (wobei Ersterer ohnehin einer der Schwächsten auf dem Platz war vor zwei Jahren im Borussia-Park. ;) )

Jedem Tischtennisfan, jedem Amateur, der es im letzten Jahr nicht zur WM nach Düsseldorf geschafft hat, kann ich also nur wärmstens ans Herz legen, mal so eine Veranstaltung zu besuchen – das können dann natürlich z. B. auch die German Open sein. Zwar sind auch hier bei der EM wieder einige Fans aus Deutschland dabei, so richtig voll ist die Halle aber nicht geworden, was ich immer wieder sehr schade finde. 

Deutschen Fans noch ein Begriff: Amelie Solja
Jetzt aber zum eigentlichen Thema: Schon bei den Europameisterschaften in den letzten Jahren ist mir aufgefallen, dass es selbst auf diesem hohen Spielniveau durchaus unorthodoxe, für die Gegner unangenehme Spielstile gibt (für mich bei meiner Schwäche gegen Material wären sie das ohnehin ;) ). Sicherlich sind das nicht unbedingt Spieler auf allerhöchstem europäischem Level, aber doch solche aus der zweiten, dritten europäischen Reihe. Was ich sagen will: Nicht nur im Amateur-Bereich gibt es also unorthodoxe Spielstile, wenn man das als treffenden Begriff in der Beschreibung ansieht. 

Deutschen Fans noch gut bekannt sein dürfte beispielsweise Petrissa Soljas Schwester Amelie, die inzwischen schon seit einigen Jahren für Österreich an den Start geht. Mit ihrem Antibelag auf der Rückhand stellt sie so manche Gegner vor Probleme, drückt den Ball mit der Rückhand oft regelrecht auf den Tisch. Gar nicht zurecht kam damit bei diesem Turnier die 15-jährige Spielerin der Färoer-Insel, Solja Djurhuus. 1:11, 1:11, 1:11, 1:11 hieß es in der Qualifikation nach vier Sätzen. Auch die drei folgenden Spiele konnte Amelie Solja für sich entscheiden, schied 'erst' in der zweiten Hauptrunde gegen die polnische Abwehrspielerin und spätere Europameisterin Li Qian aus. 

Tränen bei Shan, Verwirrung bei Mittelham: Ni Xia Lian
Besonders vor drei Jahren bei der EM in Jekaterinburg war mir der unangenehme Spielstil der Luxemburgerin Ni Xia Lian aufgefallen, der Penholder-Spielerin, die auf der einen Seite eine Noppe spielt, ihren Schläger aber auch dreht. Damals tat sich die an einer der vorderen Positionen gesetzte Shan Xiaona gegen die Europameisterin von 1998 und 2001 so schwer, dass sie in der Satzpause zwischenzeitlich in Tränen ausbrach. Am Ende gelang Shan ein knapper 4:3-Erfolg.

Hier in Alicante spielte die inzwischen 55-jährige gebürtige Chinesin Ni – immerhin Mannschafts-Weltmeisterin mit ihrem Heimatland 1983 – auch ein gutes Turnier, zumindest in den Doppel-Konkurrenzen. Im Damen-Doppel mit Sarah de Nutte zog sie ins Halbfinale ein. Beide scheiterten dort an Nina Mittelham und Kristin Lang, diktierten bis Mitte des zweiten Satzes aber das Geschehen, so dass Mittelham nach der Partie gestehen musste: "Ich bin im ersten Satz nicht klargekommen, habe nicht richtig verstanden, was da passiert, die Bälle sind alle weggesprungen. Erst nachher bin ich besser reingekommen." 

Gefährliche Schlägerdreher: Luka Mladenovic und Jamila Laurenti
Eine wohl noch unangenehmere Kombination bildete Ni Xia Lian bei diesem Turnier im Mixed-Doppel mit ihrem Landsmann Luka Mladenovic. Er spielt seinerseits auf der Rückhand mit einem Antibelag, dreht den Schläger aber auch ganz gerne und greift dann plötzlich knallhart mit der Rückhand an – oder setzt den 'Anti' auch in seltenen Fällen mit der Vorhand ein. In der Mixed-Doppel-Konkurrenz erreichten Ni und Mladenovic als Qualifikanten das Achtelfinale, scheiterten erst da knapp in der Verlängerung an den Rumänen Ovidiu Ionescu und Bernadette Szöcs. 

Im Einzel unterlag der Weltranglisten-186., der in der Regionalliga und 2. Bundesliga (7:4-Bilanz im unteren Paarkreuz in der letzten Saison) für den 1. FSV Mainz spielt, im Entscheidungsspiel um den Einzug in die Hauptrunde knapp Frane Kojic. Im Doppel mit dem Letten Arturs Reinholds schied er nach überstandener Qualifikation in der ersten Hauptrunde gegen die späteren Europameister Daniel Habesohn und Robert Gardos aus. Es wird spannend zu beobachten sein, wie sich der erst 19-jährige Mladenovic noch entwickelt und wie weit er es mit seinem Spielstil bringen kann.

Wohl noch häufiger auf der Vorhandseite als Mladenovic setzt die junge Italienerin Jamila Laurenti ihren Antibelag ein, nutzt diesen aber natürlich genauso, wenn sie Rückhand spielt. Als Weltranglisten-411. schaffte es Laurenti, sich bei dieser EM für die Hauptrunde im Einzel zu qualifizieren, schied dort gegen die Portugiesin Yu Fu aus. Auch auf ihre  Entwicklung sollte man ein Auge werfen, im Oktober wird sie sich bei den Youth Olympic Games in Buenos Aires erneut beweisen dürfen. 

(DK)

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