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Jans Blog: Plant Zhang Abschiedsrunde oder Comeback?

Zhang Jike wirkte in Hongkong wieder motivierter als zuletzt (©ITTF)

28.05.2018 - Zhang Jike ist zurück! Den Eindruck könnte man zumindest gewinnen, wenn man die Meldelisten der Hong Kong, Japan und China Open betrachtet. Doch was plant der Olympiasieger von 2012? Will er wirklich wieder zurück in die Weltspitze und Ma Long, Fan Zhendong und Co. das Leben schwer machen? Oder handelt es sich um eine letzte Abschiedstour vor dem bereits angedeuteten Karriereende? Jan Lüke hat Zhangs Auftritt bei den Hongkong Open beobachtet.

Es war ein Moment für Zhang Jike. In der ersten Hauptrunde der ITTF World Tour Hang Seng Hong Kong Open hatte der zweimalige Weltmeister im Spiel gegen den Japaner Maharu Yoshimura bereits einen Matchball abgewehrt und sah sich beim Stand von 9:10 im siebten Satz einem weiteren gegenüber. Wenige Ballberührungen würden jetzt über Sieg und Niederlage entscheiden – Crunchtime!

Es waren Spielsituationen wie jene am Donnerstag im Queen Elizabeth Stadium in Hongkong, in denen sich Zhang Jike einst den Ruf erarbeitete, der beste Spieler seiner Generation zu sein. Je knapper es wurde, desto besser spielte der Chinese. Er war verlässlich zur Stelle, wenn er zur Stelle sein musste. Mittlerweile sind Zhangs Wettkampfqualitäten allerdings nur noch berühmt – berüchtigt sind sie nicht mehr. Warum, das zeigte sich gegen Yoshimura einmal mehr: Ein vermeidbarer Fehler, ausgerechnet mit Zhangs Paradeschlag, der Rückhand, besiegelte auf unspektakuläre Art und Weise die Erstrunden-Niederlage. 9:11 in Satz sieben – der zweimalige Weltmeister und Einzel-Olympiasieger von 2012 hatte sich in der Runde der letzten 32 aus einem Turnier verabschiedet, das für World-Tour-Verhältnisse durchschnittlich gut besetzt war. Wieder einmal.

Andere haben den Thron übernommen

Verwunderung wollte über das frühe Ausscheiden des einstmals so überragenden Chinesen nicht aufkommen. Schon seit einigen Jahren kann Zhang Jike die Standards nicht mehr halten, die er sich einst selbst gesetzt hat. 2015 übernahm Ma Long den Thron, wurde Weltmeister und ist seitdem – mittlerweile an der Seite von Fan Zhendong – der Dominator der Tischtennis-Welt. Zhang hingegen baute kontinuierlich ab. Schon vor den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro häuften sich seine Niederlagen auch gegen Nicht-Chinesen. Nachdem er sich in Rio die Silbermedaille holte, kam Zhang endgültig aus dem Tritt. In den vergangenen zwei Jahren trat die schillerndste Figur auf der Tour, in seiner Heimat noch immer der populärste Athlet und überall auf der Welt von Fans lautstark begleitet, kaum mehr in Erscheinung. Und wenn, dann mit frühen Niederlagen wie bei den German Open 2017 gegen Tiago Apolonia oder bei der WM in Düsseldorf gegen Lee Sang-su. Mit seiner erwartbaren Nicht-Nominierung für die Mannschafts-WM in Halmstad schien endgültig klar, dass Zhangs internationale Karriere vor dem Ende stehen würde. Zumal Zhang Jike selbst immer wieder über seinen Rücktritt gesprochen hatte und ihn auch gesundheitliche Probleme, unter anderem an der Hüfte, einzuschränken schienen. Die Zeichen standen auf Abschied.

Es war dementsprechend verwunderlich, als die Meldelisten für das World-Tour-Event in Hongkong und die kommenden Turniere in China und Japan öffentlich gemacht wurden – und Zhang Jikes Name dort auftauchte. In Hongkong stand Zhang gar inmitten eines chinesischen Aufgebots, in dem sonst keinerlei Akteure vertreten waren, die bisher überhaupt Turniersiege auf internationalem Parkett verbuchen konnten. Was aber hat es mit Zhangs Starts auf sich? Eine letzte Abschiedsrunde für den Großmeister? Oder das von vielen Fans ersehnte Comeback des Superstars?

Sich selbst etwas beweisen?

Zu seinen Zukunftsplänen äußerte sich Zhang Jike bisher nicht konkret. Doch sein Auftritt von Hongkong lässt zumindest den Schluss zu, als wolle derjenige, der niemandem mehr etwas beweisen muss, es sich selbst noch einmal beweisen. Diesen Beweis blieb Zhang mit der Erstrundenniederlage gegen Yoshimura zwar schuldig, doch zeigte sich der Chinese – anders als bei den meisten seiner Auftritte in den vergangenen Jahren – wieder fit, motiviert und kämpferisch. In der Qualifikation spielte er gegen den international zweitklassigen Niagol Stoyanov nervös, gegen seinen Landsmann Ma Te allerdings schon besser und vor allem konzentrierter. Zwar zählt auch sein Erstrunden-Bezwinger, Mixed-Weltmeister Maharu Yoshimura, nicht zu den Akteuren, die einen Zhang Jike in Bestform gefährden sollten, doch auch dort hinterließ Zhang phasenweise einen starken Eindruck, wenngleich selten konstant auf einem hohen Niveau. Zhang hatte offenbar selbst keine Wunder erwartet: „Im Training fühle ich mich gut, aber Training und Wettkampf sind etwas anderes, weil der Rhythmus und der Druck anders sind. Egal, wie viel Erfahrung ein Spieler hat, nach einem Jahr ohne ein großes Turnier fühle ich mich noch immer wie Fremder, obwohl es eine bekannte Situation sein müsste."

Ein Kaltstart auf internationalem Parkett ist auch für einen Zhang Jike eine Herausforderung. Wie wettbewerbsfähig Zhang auf allerhöchstem Niveau tatsächlich noch sein kann, wird deshalb erst nach den Kaisa China Open (29. Mai bis 3. Juni in Shenzhen) und den LION Japan Open in (6. Juni bis 10. Juni in Kitakyushu) in den kommenden Wochen zu bewerten sein. Womöglich werden die Turniere auch für Zhang Jike zum persönlichen Indikator, wie ernst er ein Comeback noch einmal angehen will. Ähnlich äußerte sich die aktuelle Nummer 87. der Weltrangliste: „Ich werde eine Reihe von World-Tour-Events spielen, um langsam wieder zu meiner Form zu finden und werde jedes Spiel ohne Erwartungen spielen.“ Auf ein baldiges Karriereende deuten solche Aussagen zumindest nicht hin. Die Tischtenniswelt darf sich darüber ohne Zweifel freuen.

(Jan Lüke)

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