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Dietmars Blog: Ein klares Bekenntnis zum Hochleistungssport

Künftig ist die WM kein 'Familientreffen' mit Teams aus aller Welt mehr (©Wehking)

15.05.2018 - Die Mannschafts-Weltmeisterschaften in Halmstad haben auch sportpolitisch einige ausgesprochen bemerkenswerte Ergebnisse gebracht. Neben der Verkürzung von Sperren für Aktive, die den Verband gewechselt haben, ist besonders auch der Beschluss zur Verkleinerung von künftigen WM-Turnieren ab 2021 von großer Bedeutung. Unser Blogger Dietmar Kramer bemüht sich um eine Einordnung dieser Entscheidung.

Tischtennis ist eine so unglaublich vielschichtige Sportart. Einmal ist Tischtennis ein Einzelsport, aber zugleich auch Mannschaftssport. Ein anderes Mal ist Tischtennis ein Hallensport, kann und soll künftig verstärkt auch im Freien betrieben werden. Wiederum ein anderes Mal ist Tischtennis ein Aktivensport, taugt aber auch zum Zuschauersport in der Halle und – zumindest grundsätzlich und praktisch besonders auch in Asien – für den TV-Bildschirm. Und noch ein anderes Mal ist Tischtennis ein Breitensport, aber gleichfalls auch ein Hochleistungssport. 

Vielseitigkeit sorgt für viele Spannungsfelder

Sicherlich ließe sich die Vielseitigkeit des Tischtennis noch durch einige weitere Beispiele gut darstellen. Doch alleine die aufgeführten Bereiche bilden quasi seit jeher auch Spannungsfelder, in denen sich das Tischtennis bewegt und bereits so mancherlei Konflikte, ja mitunter beinahe schon Glaubenskämpfe austragen und auch aushalten musste. Zu diesen tatsächlichen Glaubenskämpfen gehörte bislang auch die Abwägung von Für und Wider von Großveranstaltungen wie Welt- und Europameisterschaften. Im seit mehreren Jahren besonders aufgeladenen Spannungsfeld zwischen Breiten- und Spitzensport stellten die ebenso liebevoll wie spöttisch „Familientreffen“ genannten Titelkämpfe mit zwischenzeitlich beinahe sogar 1000 Aktiven für die einen den wahren Sinn des Sports im Allgemeinen und den besonderen Charme des Tischtennis im Besonderen dar, für die anderen hingegen schlichtweg einen Anachronismus und damit ein Hindernis für die professionelle Entwicklung des Sports.

Bei den Mannschafts-Weltmeisterschaften in Halmstad nun hat der Weltverband ITTF dieses Spannungsfeld aufgelöst. Mehrheitlich beschloss das Board of Directors eine Verkleinerung der WM-Veranstaltungen ab 2021 – für Individual-Konkurrenzen bei Damen und Herren auf jeweils 128 Aktive und für die Team-Wettbewerbe auf jeweils 32 Mannschaften. Für die Traditionalisten und Nostalgiker mag die Entscheidung eine schmerzhafte Zäsur darstellen. Für die Befürworter einer weiteren Professionalisierung bedeutet die Verkleinerung aber einen Fortschritt. Tatsächlich erscheint das ITTF-Votum, lässt man den Blick über den Tellerrand zu anderen Sportarten wandern, als schon längere Zeit überfällig oder anders ausgedrückt: zeitgemäß. Mehr noch: Die künftigen WM-Formate sind ein - wie klare Positionierungen heutzutage auch gerne bezeichnet werden – eindeutiges Statement. Ein Statement für Entwicklung und Fortschritt. Ein Statement für den Anspruch einer olympischen Sportart an sich selbst. Alles in allem besonders ein klares Bekenntnis zum Tischtennis als professioneller Hochleistungssport.

Nutzen bis hinunter zur Basis möglich

Nutzen davon haben zuvorderst die WM-Events an sich: Die nunmehr tatsächliche Ballung von Spitzenspielern bedeutet sportlich eine Aufwertung wohl beinahe eines jeden Matches. Bei den Mannschafts-Wettbewerben werden schon die einzelnen Vorrundenspiele – einmal einen Modus mit acht Vierer-Gruppen vorausgesetzt – wichtiger und mutmaßlich ebenfalls qualitativ hochwertiger sein als bisher. Organisatorisch lassen sich Titelkämpfe im für die Zukunft geplanten Rahmen zudem viel einfacher als wahres Tischtennis-Happening inszenieren. Die kompakteren Formate bieten darüber hinaus zusätzliche Spielräume für einen hochattraktiven Zeitplan. Zu den Profiteuren können auch die Aktiven gehören. In Zeiten eines immer dichter gedrängten Terminkalenders besteht durch die Reduzierung zumindest bei den Mannschafts-Turnieren die Chance zur Abkürzung des Weges ins Endspiel auf höchstens sieben Matches, während die Finalisten von Halmstad ein Minimum von acht Begegnungen zu bestreiten hatten.

Die konzentrierte Turnierform macht WM-Veranstaltungen durch die voraussichtlich kürzere Dauer sowohl für WM-Touristen als auch für Medien attraktiver. Heutzutage verlangen TV- und Online-Konsumenten nun einmal nach Bildern und Texten über Entscheidungssituationen (oder wenigstens ähnliche Konstellationen) und nicht nach einem unendlich zäh anmutenden Vorrunden-Geplänkel im Marathon-Modus. Hopp oder top eben. Doch auch zwischen den Weltmeisterschaften, speziell jenen für die Mannschaften, kann sich die Entscheidung von Halmstad positiv auswirken. Denn grundsätzlich müsste zu bewerkstelligen sein, die Teilnahme an WM-Turnieren an Erfolge in einer echten und nicht wie für EM-Turniere bisher nur formal bedeutsamen Qualifikation zu koppeln. Die dadurch steigende Bedeutung von Ausscheidungsspielen würde Tischtennis kontinuierlich im Gespräch halten und damit die Chance auf breiteres Interesse bieten. 

Vom breiteren Interesse kann letztlich auch der formal in Halmstad von WM-Turnieren abgekoppelte Breitensport profitieren. Mehr wichtige Auftritte von „Local heroes“ in heimischen Hallen in wirklich wichtigen Begegnungen wären eine günstige Grundlage, mehr junge Menschen in die Arenen und später vielleicht auch an die Tische zu locken. 

Verwässerung von WM-Turnieren nicht mehr angemessen

Ob solche Gedankenspiele und Pläne aufgehen müssen, sei dahingestellt. Die Richtigkeit der Kursbestimmung von Halmstad ist ohnehin unabhängig davon zu bescheinigen. Denn ein olympischer Sport mit einer solchen globalen Verbreitung wie Tischtennis kann sich schon lange nicht mehr erlauben, seine Spitzenveranstaltungen durch noch so charmante Einlagen von Amateuren oder Exoten zu verwässern. Die ITTF hat das erkannt. Auf dem Weg zur fraglos noch weiter notwendigen Optimierung seiner Premium-Produkte ist der Weltverband in Schweden denn auch einen großen Schritt vorangekommen – und damit spätestens auf den zweiten Blick auch bei der Förderung des Sports an der Basis. Das klare Bekenntnis zum Tischtennis als Hochleistungssport ist dafür unverzichtbar gewesen.

(Dietmar Kramer)

 

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