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Der Phasendrescher: Spielanalyse bei Wurst und Gerstensaft

Nach dem Spiel wird die eigene Leistung noch einmal bei Wurst und Kartoffelsalat analysiert (©Koch/Laven)

16.04.2018 - Unser ‚Phasendrescher‘ Philipp Hell biegt in die letzten Runden eines Amateurspiels ein. Das rein sportliche Geschehen ist nun abgehakt - jetzt geht es zur Aufarbeitung der eigenen Leistung bei Currywurst und dem einen oder anderen Kaltgetränk in die Kneipe nebenan. Wer überhaupt noch mitkommt und wie bereitwillig den monologisierenden Mitspielern gelauscht wird, beschreibt Hell wie gewohnt mit einer Prise Sarkasmus.

Endlich steht der langersehnte Höhepunkt des Punktspiel-Abends an. Nein, nein, nicht das alles entscheidende Schlussdoppel – der obligatorische Besuch in der Kneipe ist natürlich gemeint! Denn was gibt es Schöneres, als in der etwas versifften Sportlergaststätte nebenan bei labberiger, in Ketchup ertränkter Currywurst und öliger „Pizza alla Cheff“ nochmals die Höhen und Tiefen des Punktspiels im Detail durchzugehen und sich dabei am Gerstensaft gütlich zu tun?! 

Wer kommt noch mit?

Wobei der Kneipenbesuch längst nicht (mehr) zum Standardrepertoire vieler Spieler und sogar ganzer Mannschaften gehört. Ganz allgemein gesprochen gibt es einerseits Mannschaften, für die das Sportliche eines Kreisligamatches um die goldene Ananas klar im Fokus steht. Nur bei entsprechender Performance hat man sich das anschließende Bier auch verdient, bei einer üblen Niederlage fahren die beleidigten Leberwürste auch gerne einmal ebenso geschlossen wie umgehend nach Hause. Andererseits scheinen manche Mannschaften das Punktspiel nur als willkommenen Anlass zu nehmen, endlich mal wieder in die Kneipe zu kommen. Hier steht das Gesellige klar im Vordergrund und so darf niemand unter 1,8 Promille vorzeitig nach Hause gehen – wie das Spiel endete, weiß nach kurzer Zeit niemand mehr sicher zu sagen.

Zunächst gilt es also abzuwarten, wer überhaupt in der Kneipe auftaucht. Peinlich nämlich, wenn man zu zweit die vollzählig versammelte Auswärtsmannschaft unterhalten muss. Andererseits duscht Vegetarier Sören bekanntlich immer etwas ausgiebiger, kann also gut sein, dass er noch kommt. Er bestellt sich sein Fischgericht meist bereits telefonisch noch von der Halle aus und kann dann, kaum  in der Kneipe angekommen, direkt loslegen. Horst muss noch den Schlüssel abgeben, hatte aber angekündigt, dann auf jeden Fall noch nachzukommen und nicht etwa schnell nach Hause zu fahren, um die letzte Viertelstunde seines Herzensvereins in der Champions League zu sehen. Es folgen die üblichen Debatten, ob 4/6 Anwesenheit nun besser oder schlechter ist als 3/5, denn der Jugendliche wird aus Prinzip nicht mitgezählt. Wird es doch einmal richtig voll, weil zwei Spiele parallel ausgetragen wurden und nun plötzlich alle noch einen wahnsinnigen Durst haben, so wird vom äußerst zuvorkommenden Personal („Holt euch doch einfach den Tisch dort drüben und im Keller stehen auch irgendwo noch ein paar alte Stühle herum“) alles Nötige organisiert, bevor dann leider fünf von 24 Getränken fehlen und Klaus-Dieter nun wirklich noch nie ein kleines, alkoholfreies Radler bestellt hat…! Dafür muss Hotte seine ökologische Johannisbeer-Schorle nicht mal ordern, diese Bestellung kennt der Kellner nun wirklich auswendig. 

Spielanalysen bitte ohne Zwischenrufe

Das Schöne an so einem Kneipenbesuch ist ja eigentlich das miteinander Herumsitzen und das Gespräch mit Mitspielern sowie Gegnern. Wobei „Gespräch“ ein gegenseitiges Zuhören impliziert, von dem meistens keine Rede sein kann: In erster Linie hat eben jeder Spieler das Bedürfnis, entweder seine spektakulären und völlig verdienten Siege oder seine epischen und unverhofften Niederlagen noch mal im Detail durchzugehen – wenn möglich, ohne störende Zwischenrufe. Macht gar nichts, denn der Gegenüber monologisiert ebenfalls über seine eigenen Auftritte und so entspannt sich ein für Außenstehende ebenso irritierendes wie unterhaltsames „Gespräch“.

Spieler A: „Dann hab ich im dritten Satz natürlich losgelegt wie die Feuerwehr, um ihm gleich mal zu zeigen, was eine Harke ist.“ Spieler B: „Ich hab mich dann reingekämpft in das Match, war halt eine enge Kiste.“ A: „Dann aber den Vorsprung trotzdem irgendwie wieder verspielt.“ B: „Bei mir war es den ganzen Satz über knapp, nie mehr als zwei Vorsprung!“ A: „Dann konnte ich was für meine Statistik in der Verlängerung tun.“ B: „Ich hab’s dann klar verloren.“ A: „Nächster Satz lief bombig, zumindest bis er dann wieder aufgeholt hat.“ B: „Auch im nächsten Satz war ich dann immer knapp vorne.“ A: „Irgendwie war ich heute nicht so nervenstark wie sonst.“ B: „Ich hab aber ein paar klasse Punkte gemacht und somit den Satzausgleich geschafft.“ A: „Fünfter Satz ist aber leider nicht so mein Ding zur Zeit.“ B: „Fünfter Satz war aber leider noch nie meine Sache.“ A: „War aber egal, der andere war noch ängstlicher als ich.“ B: „Zum Glück war ich die Ruhe selbst.“ A: „Am Ende hat mich aber diese Schiri-Entscheidung aus dem Konzept gebracht!“ B: „Ich denke, ich hab es letztendlich verdient und eindeutig gewonnen, das sah der andere sicher auch so.“ Ja, schön wenn man so aneinander vorbeireden kann. Wann die beiden wohl bemerken, dass sie vom selben Match gegeneinander sprechen?

Junge Kneipensorgenkinder

Natürlich steht und fällt der Kneipenbesuch mit den Spielern einer Mannschaft. Wer beispielsweise einen Heimduscher dabei hat, muss entweder immer auf seine Anwesenheit in der Kneipe verzichten („Du, das dauert 45 Minuten, bis ich daheim bin, danach lohnt es sich einfach nicht mehr!“) oder er muss eine geschlagene Stunde auf ihn warten („Keine Sorge, ich bin in maximal 20 Minuten bei euch…“) oder aber man muss sich strategisch geschickt ans andere Ende des Tisches setzen – angeschwitzte Ballonseide kann selbst den Geruch von viel zu altem Frittierfett übertreffen!

Gerade Jugendliche sind beim Kneipenbesuch oftmals ein hartes Los. Entweder wären sie gerade viel lieber woanders (Heimduscher oder Partylöwen) oder haben Sorge, dass Mutti gleich auf dem Handy anruft (Tenor: Solange du deine Füße unter meinen Esstisch etc). Oder sie sind eh nie dabei, weil sie erstens morgen eine „wichtige“ Klassenarbeit haben, zweitens immer um halb zehn zu Hause sein müssen und sich drittens vorgenommen haben, diese Spelunke mit kreativem Namen wie „Der Wirtshauser“ nie zu betreten. Oder aber sie sind seit Jahren Fußball-gestählt. Womit jetzt nicht etwa ein auffallend gut gebauter Oberkörper gemeint ist, sondern eine Liebe zu exzessivem Konsum diverser Alkoholika. Und seit der Noah damals dem Hubert auf der Rückbank seines Autos über den Kindersitz gereihert hat, ist nicht nur Huberts Frau etwas schlecht auf Noah zu sprechen…

Der Pegel steigt

Überhaupt spielt der Alkohol natürlich immer eine entscheidende Rolle. Viele Spieler hatten heute nicht nur TTR-Punkte, sondern auch noch ein Bier ausgespielt. Andere bestellen immer das seit Jahren für 9,80 Euro auf der „Tageskarte“ stehende SchniPoPi (Schnitzel, Pommes, Pils). Und wieder andere bestellen zu vorgerückter Stunde gerne Gemeinschaftsgetränke in großen Behältnissen, um den Zusammenhalt der Truppe zu stärken und die Herpesviren in der Mannschaft gleichmäßig zu verteilen. Unter großem Hallo kreuzt dann noch der Rest der zweiten Mannschaft auf, der nach seinem Auswärtsspiel erst noch mit dem Gegner feiern war, nun aber – die Nacht ist ja noch lang – dringend einen Absacker benötigt. Kurz darauf bringt der Wirt ungefragt eine Runde Schnaps vorbei, ein klarer Hinweis darauf, dass spätestens in zwei bis drei Stunden Schluss sein wird. Bitter natürlich immer für Mannschaften, die unter der Woche spielen. Wankt man dann gegen halb drei aus der Kneipe und hat am Morgen Frühschicht, so dreht noch kurz der Running Gag von wegen „schneller schlafen“ die Runde, bevor man gemütlich nach Hause fährt – gehen kann schließlich keiner mehr.

Das dicke Ende kommt dann jedoch immer am nächsten Morgen, wenn man von der Göttergattin geweckt wird mit der Frage, was die Sporttasche in der Badewanne mache und wie man eigentlich zum Thema Vorbildfunktion für die Kinder stehe. Nun gilt es natürlich, sich launige Antworten a la „Vorbildfunktion bitte erst nach 14 Uhr“ zu verkneifen, die miefigen Sportklamotten kleinlaut selber in die Waschmaschine zu stecken (30 Grad? 60? 100?) und inständig zu hoffen, dass man den gestern zugesteckt bekommenen Zettel mit der Telefonnummer der bei Tageslicht immer nur bedingt attraktiven Kellnerin nicht auf dem Küchentisch hat liegen lassen.

(Philipp Hell)

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