Song Zhichun (rechts) sprach mit uns über die 4. Mannschaft des BV 04 Düsseldorf (©privat)
28.04.2016 - Dass China das Aushängeschild im Tischtennis ist, weiß jeder, der sich mit der Sportart beschäftigt. Natürlich ist auch der ein oder andere Spieler aus dem Reich der Mitte in Deutschland unterwegs – aber nicht nur in den obersten Ligen. Ein gutes Beispiel ist dafür der BV 04 Düsseldorf. Der Klub ist die Heimat von insgesamt zehn Chinesen. Fünf davon spielten in dieser Saison sogar in einer Mannschaft in der 3. Kreisklasse und machten den Aufstieg perfekt.
Sonntagvormittag, 11 Uhr. Während der ein oder andere den letzten Tag der Woche eher entspannt angehen lässt, steht eine Reihe von chinesischen Spielern in der Halle des BV 04 Düsseldorf am Tisch. Wie so oft an diesem Wochentag haben sich Song Zhichun, Tang Xuyu und weitere Landsleute dort zum gemeinsamen Training eingefunden. Song ist seit dem Jahr 2014 mit von der Partie und einer von insgesamt fünf Chinesen, die in dieser Saison in der vierten Mannschaft des BV 04 in der 3. Kreisklasse (4er-Mannschaft) gemeldet waren und Spiele bestritten.
In China erste Kontakte mit Tischtennis auf Zementplatte mit Bambusnetz
Mit Tischtennis kam Song natürlich nicht erst hier in Deutschland in Berührung, sondern bereits in der Heimat. Als Grundschüler hatte er zum ersten Mal einen Schläger in der Hand, gespielt wurde auf einer Zementplatte, deren Netz aus einem Bambusrohr bestand, das an der Seite mit Steinen befestigt war. „Man lebte damals auf dem Land in sehr bescheidenen Verhältnissen“, erzählt der 52-Jährige, der in der Nähe von Qindao aufwuchs. „Aber Tischtennis hat mir damals trotzdem Spaß gemacht.“ Zehn Jahre später schwang er zur Uni-Zeit wieder den Schläger. 1994 siedelte er nach Deutschland über, wurde in Düsseldorf in einer Niederlassung seines chinesischen Arbeitgebers angestellt. Bis er sich einem Verein anschloss, dauerte es allerdings: Erst vor knapp zwei Jahren trat Song dem BV 04 Düsseldorf bei.
Xuyu und zwei weitere chinesische Vereinsmitglieder kannte er damals bereits. Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine Freundschaft zwischen den Akteuren aus dem Reich der Mitte. Inzwischen trifft man sich nicht nur zum Training, sondern macht auch privat etwas zusammen, von gemeinsamen Abendessen bis hin zu kleineren Reisen in andere Städte und Länder. „Der Klub hat mein Leben in dieser Hinsicht bereichert“, erzählt Song. Xuyu ergänzt: „Die Leute hier sind alle sehr offen, wir fühlen uns sehr willkommen. Wir haben mehr über die deutsche Mentalität gelernt, nehmen die Leute hier im Verein als sehr freundlich, verantwortungsvoll und gut organisiert wahr.“ Song erklärt weiter: "Ich habe hier bei BV meine Deutschkenntnisse noch einmal verbessern können und deutsche Freunde gefunden."
'Ni Hao' als Begrüßung vor dem Meisterschaftsspiel
Und was sagen die Mannschaftskameraden? Thomas Potthoff, Nummer eins des Teams, erläutert: „Durch den unerwarteten Tod unseres eigentlichen Kapitäns 'Kalli' Rohrig im Februar habe ich die Mannschaft bis Ende der Saison geführt, dadurch ist das Verhältnis zu den Mitspielern noch ein bisschen enger geworden. Mit den chinesischen Mitspielern wird mal auf Englisch, mal auf Deutsch kommuniziert, wobei sie dem Englischen näher sind. Untereinander sprechen sie Chinesisch. Im Doppel verstehen wir uns aber ohne viele Worte, die wichtigsten Anweisungen werden auf Englisch gegeben.“ Da die Mannschaft oft zu einem Großteil aus Chinesen besteht, ist die Begrüßung des gegnerischen Teams auch allzu naheliegend: 'Ni Hao' (zu deutsch: Guten Tag, Anm. d. Red.) nämlich.
So werden in der nächsten Saison die Klubs in der 2. Kreisklasse von Song, Xuyu und Co. begrüßt werden, denn die Mannschaft hat – wenn auch nicht als Favorit gehandelt – souverän den Aufstieg geschafft mit 17 Siegen aus 18 Spielen. Song erzählt mit einem Augenzwinkern: "Ich bin sicher, dass unsere Gegner immer großen Druck gespürt haben, wenn sie gesehen haben, aus wie vielen Chinesen unsere Mannschaft besteht. Nicht weil wir unglaublich gut wären, sondern weil China großes Ansehen in der Tischtennis-Welt besitzt."
„Jeder Mensch strebt nach einem besseren Leben“
Nicht entgangen ist es dem 52-Jährigen und seinen Mitspielern, dass gebürtige Chinesinnen in der deutschen Nationalmannschaft spielen. Einer von ihnen, Jie Wang, ist sogar ein guter Freund der Eltern von Shan Xiaona. Zur Präsenz einiger gebürtiger Chinesinnen in verschiedenen Nationalmannschaften Europas sagt Song: „Die Konkurrenz in China – das ist bekannt – ist unfassbar groß. Sie müssen sich nach Alternativen umschauen, um eine bessere Karriere hinzulegen.“
Dass manche Chinesen, auch Nicht-Tischtennisspieler, den Weg nach Europa antreten, um hier ein ‚freieres’ Leben zu führen als in der Heimat, glaubt er nicht unbedingt: „Jeder Mensch strebt nach einem besseren Leben, nach besseren Karrierechancen, mit einem freieren Leben hat das aber nichts zu tun.“ Nicht zuletzt, weil sein Sohn jetzt auch hier studiere und ebenfalls hier bleiben wolle, sehe er selbst seinen Lebensmittelpunkt in Zukunft, auch nach der Pension in gut 10 Jahren, eher in Deutschland. Weiteren trainingsintensiven Sonntagen steht also vorerst nichts im Wege!
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(DK)
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