Zwei, die in Rio auf eine Einzelmedaille spekulieren: Dimitrij Ovtcharov und Timo Boll (©Fabig)
14.07.2016 - Gut drei Wochen sind es noch, dann beginnen in Rio de Janeiro am 6. August die Tischtennis-Wettbewerbe der Olympischen Spiele. Unmittelbar bevor sie ihre Koffer für den Abflug an die Copacabana packen, unterziehen sich Europas Asse und ein chinesischer Weltmeister in Hamm (15./16. Juli) ihrem letzten ernsthaften Formtest in einem hochkarätigen Einzelturnier, der ihnen zum Feinschliff auf dem Weg zu möglichen Medaillengewinnen verhelfen soll.
Elf in Rio startende Asse des Alten Kontinents plus Li Ping, Weltklasse-Katari mit chinesischen Wurzeln, werden ab Freitag zunächst in vier Dreiergruppen antreten und die Teilnehmer für Halbfinals und das Endspiel am Samstag ermitteln. Für die Teilnehmer ist das 'Top-12-Turnier' mehr als nur eine Überprüfung der eigenen Form zum Abschluss eines gemeinsamen Lehrgangs. Denn ein Hauch von Olympia weht auch deshalb über Hamm, weil das gesamte Turnier unter Olympia-Bedingungen ausgetragen wird: Tische, Netze und Bälle sind jene, die auch in Rio zum Einsatz kommen. Hinzu wurden 5.000 Euro als Preisgeld ausgelobt, für die man selbst im olympisch überteuerten Rio den einen oder anderen Caipirinha trinken kann.
„Für die Spieler ist das Turnier in Hamm ein sehr ernstzunehmender Test. Alle wollen noch einmal ihre Form überprüfen, um top vorbereitet nach Rio zu fliegen. Es ist wichtig, nach den ganzen Trainingslehrgängen wieder offizielle Wettkämpfe zu bestreiten, mit Zuschauern und Schiedsrichtern“, weiß Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf aus eigener Erfahrung. Der Rekordnationalspieler gewann selbst 1996 in Atlanta Bronze im Einzel und 1992 in Barcelona zusammen mit Steffen Fetzner Silber im Doppel und sorgte damit für die ersten deutschen Medaillengewinne im Tischtennis bei Olympischen Spielen.
Am liebsten zweimal: Ovtcharov und Boll träumen vom Siegerpodest
Der Trainer der deutschen Nationalmannschaft, die 2012 in London Bronze und 2008 in Peking Silber holte und nun am Zuckerhut erneut auf das Podest klettern möchte, schickt seine vier Topstars ins Rennen. Allen voran Dimitrij Ovtcharov, den derzeit besten Spieler Europas. Der Europameister ist die Nummer fünf der Welt, Gewinner der European Games sowie des Europe Top 16 und zusammen mit Timo Boll einer der ganz wenigen Spieler in der Welt, die an guten Tagen sogar Chinas Asse angreifen können. Der zweimalige World-Cup-Dritte, der sich 2012 in London Bronze im Einzel erkämpfte, will auch diesmal bei der Medaillenvergabe wieder ein Wort mitreden. In der Weltrangliste ist Ovtcharov hinter vier Athleten aus dem Reich der Mitte der 'beste Nicht-Chinese'. Ovtcharov: "Im Einzel dürfen bei Olympia nur zwei Chinesen starten. Es ist einfache Mathematik, dass das meine Chancen erhöht, aber auch die von anderen. Ich will in Rio in Topform sein und angreifen. Dass es ungemein schwer wird, ist klar, aber: Ich möchte gerne wieder auf das Siegerpodest, am liebsten zweimal - im Einzel und auch wieder mit dem Team."
Ovtcharov hat seit London das, von dem Timo Boll noch träumt: eine Einzelmedaille bei Olympischen Spielen. Die Olympia-Saison mit einer Knieoperation zu Beginn und einigen Erkrankungen verlief bis zum Frühling zwar alles andere als ideal für den zweimaligen World-Cup-Gewinner (2002 und 2005) und WM-Dritten von 2011, aber in den vergangenen Monaten konnte Deutschlands Rekordmeister seine Form und seine Trainingsbelastung kontinuierlich steigern. "In Hamm geht es darum, sich Spritzigkeit sowie Spielpraxis zu holen und am Feingefühl zu arbeiten, auch im Aufschlag-Rückschlagbereich. Zudem hoffe ich, dass ich mich in Rio im Verlauf des Turniers zu meiner Bestform steigern kann, wie mir das schon oft gelungen ist." Boll weiter: "Ich mache keinen Hehl daraus, dass der Gewinn einer Einzelmedaille mein Traum wäre, denn die fehlt mir ja noch in meiner Sammlung. Aber jeder, der mich kennt, weiß auch, dass mir die Mannschaft nicht minder am Herzen liegt. Wir haben ein gutes Team und wollen wieder aufs Treppchen. Das wird nicht leicht, aber bei Olympia ist vieles möglich.“
Einmal bereits dekorierte sich Bastian Steger in London im Mannschafts-Wettbewerb mit einer Medaille. Mit starken Leistungen auch in brenzligen Situationen hatte der zweimalige EM-Dritte im Einzel wesentlichen Anteil am Gewinn des bronzefarbenen Edelmetalls. "Das zu wiederholen oder in Rio gar noch etwas höher auf dem Siegerpodest zu stehen, das wäre ein absoluter Traum", sagt der in Düsseldorf lebende und für Bremen spielende Bayer, der angesichts der harten Konkurrenz aus den eigenen Reihen lange um sein Olympiaticket kämpfen musste. Am Ende aber überzeugte 'Mr. Zuverlässig' erneut mit seinen konstant guten Leistungen die Trainer. Die Rolle des Ersatzmannes nimmt diesmal der Neu-Saarbrücker Patrick Franziska ein, der damit ähnlich wie Bastian Steger 2008 in Peking als Teil des Teams erste Olympia-Erfahrungen sammeln kann. Bundestrainer Jörg Roßkopf betont aber: "Es gibt für mich keine Position vier. Es gibt nur die Positionen 3a und 3b – so eng ist es bei uns. Wir sind eine Mannschaft mit vier Spielern. Alle müssen bereit sein, jederzeit zu spielen, falls jemand kurzfristig krank oder verletzt ausfällt.“
Fünf deutsche Kontrahenten mit weltmeisterschaftlicher Vergangenheit
Härtester und prominentester Widersacher der Deutschen beim vorolympischen Fight in Hamm wird Vladimir Samsonov sein. Der mittlerweile 40 Jahre alte Ex-Europameister ist zwar dreimaliger Gewinner des Word Cups und WM-Zweiter im Einzel 1997, vermisst aber wie Timo Boll in seiner Vita noch eine Einzelmedaille bei Olympischen Spielen. Wahrscheinlich ist es 'Vladis" letzte Chance auf olympisches Edelmetall, doch unmöglich erscheint ein solches Unterfangen für den Top-Ten-Spieler aus Weißrussland nicht. Spätestens seit den Mannschafts-Weltmeisterschaften 2016 Anfang März in Malaysia mit dem sensationellen Bronzemedaillengewinn von Liam Pitchford, Paul Drinkhall und Samuel Walker weiß jeder, wie unplanmäßig auch im Tischtennissport Medaillen vergeben werden. Die drei als Außenseiter gestarteten und nun hochdekorierten Engländer zählen in Hamm ebenso zum Teilnehmerfeld wie der im Trikot von Katar bei Olympia spielende Li Ping. Der hagere Rechtshänder, der 2009 in Yokohama für China als Weltmeister auf dem Siegerpodest des Mixed-Wettbewerbs stand und anschließend auf der internationalen Bühne selten in Erscheinung trat, ist seit 2015 für das Emirat an der Ostküste der arabischen Halbinsel am Persischen Golf spielberechtigt und konnte im vergangenen Jahr bei den Belarus Open einen Einzeltitel in der World Tour gewinnen.
Stehen Altmeister Samsonov, die englische Boy Group und Li Ping für weltmeisterschaftliche Meriten, so garantiert Griechenlands Vertreter Panagiotis Gionis vor allem für spektakuläre Auftritte. Der einzige Abwehrspieler im Feld, Dritter der EM 2013 und des Europe Top 16 2015, mixt Rückhanddefensive und Vorhandangriffe zur modernsten, erfolgreichsten und attraktivsten Verteidigung Europas, mit der er in den vergangenen beiden Jahren im Trikot der Düsseldorfer Borussia vielen Angreifern den Zahn zog. Während Gionis nach Polen wechselt, wird der Ukrainer Kou Lei als neuer Spitzenspieler des TTC Zugbrücke Grenzau künftig Dauergast in deutschen Hallen sein. Der in China geborene Angreifer hat als größten Erfolg den Gewinn der Bronzemedaille bei den ersten European Games 2015 in Baku zu Buche stehen. Das Zwölferfeld komplettiert der Russe Alexander Shibaev, der sich zuletzt im Februar mit seinem dritten Platz beim Europe Top 16 glänzend in Szene setzte. Die Auslosung für das Test-Turnier in Hamm findet am Donnerstag-Nachmittag statt.
Der Spielplan:
Gruppe A
Dimitrij Ovtcharov
Li Ping
Paul Drinkhall
Li Ping – Drinkhall 0:3 (-5,-6,-9)
Ovtcharov – Li Ping 3:1 (9,7,-8,10)
Samstag, 11.00 Uhr: Ovtcharov – Sieger Spiel Li-Drinkhall
Gruppe B
Vladimir Samsonov
Kou Lei
Patrick Franziska
Kou Lei – Franziska 2:3 (3,-6,-9,10,-5)
Samsonov – Kou Lei 3:0 (4,7,9)
Samstag, 11.30 Uhr: Samsonov – Sieger Spiel Kou-Franziska
Gruppe C
Timo Boll
Panagiotis Gionis
Liam Pitchford
Gionis – Pitchford 2:3 (-8,-8,7,2,-8)
Boll – Gionis 3:1 (-5,6,8,9)
Samstag, 12.00 Uhr: Boll – Sieger Spiel Gionis-Pitchford
Gruppe D
Alexander Shibaev
Bastian Steger
Samuel Walker
Steger – Walker 3:2 (-5,8,-8,9,7)
Shibaev – Walker 3:2 (-10,-5,9,7,9)
Samstag, 12.30 Uhr: Shibaev – Sieger Spiel Steger-Walker
Spielsystem: Das Zwölfer-Feld tritt am Freitag, 15. Juli, zunächst in vier Dreiergruppen an. Am Samstag, 16. Juli, finden die letzten Gruppenspiele sowie Halbfinals (Gruppensieger) und das Endspiel statt. In den Gruppenspielen wird auf drei Gewinnsätze nach dem System „best of five“, die Halbfinals und das Endspiel auf vier Gewinnsätze „best of seven“ gespielt.
Voraussichtlicher Zeitplan
Spielsystem: Das Zwölfer-Feld tritt am Freitag, 15. Juli, zunächst in vier Dreiergruppen an. Am Samstag, 16. Juli, finden die letzten Gruppenspiele sowie Halbfinals und das Endspiel statt.
Freitag, 15. Juli
18.30 Uhr: Vorstellung der Spieler
ab 18.45 Uhr: Gruppenspiele (2 Tische)
Samstag, 16. Juli
11 Uhr: letzte Runde Gruppenspiele (1 Tisch)
13 Uhr: Pause
14 Uhr: Halbfinals
15.30 Uhr: Finale
16.30 Uhr: Siegerehrung
Auslosung am Donnerstag-Nachmittag
Austragungsort: Sporthallen der Friedensschule/HSHL, Joseph-Wiefels-Straße, 59063 Hamm
(DTTB)
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