International

Hartmut Freund einziger Deutscher bei INAS-Weltspielen

Auch Topspieler Dimitrij Ovtcharov unterstützt Hartmut Freund (©Freund)

05.10.2019 - Bei den Olympischen Spielen sind es Länder wie Fidschi, Nepal oder Barbados, die bei der Eröffnungsfeier nur mit einer Handvoll Sportlern einlaufen. Bei den Global Games des Weltverbands INAS, den nur alle vier Jahre stattfindenden Weltspielen für Leistungssportler mit mentaler Behinderung, wird ausgerechnet Deutschland in einer Wochen im australischen Brisbane nur von einem Athleten vertreten: dem Tischtennis-Spieler Hartmut Freund.

Hartmut Freund ist etwas Besonderes. Seine Intelligenzminderung ist viel gravierender als die fast aller seiner Gegner in der Startklasse 11 (intellektuelle Behinderung). Er hat einen IQ von 46 – der in der Regel 20 bis 30 IQ-Punkte niedriger ist als der seiner Wettbewerber, die oft Auto fahren können und Fremdsprachen sprechen. Außerdem ist er Autist. Dennoch erreichte Freund bei den INAS-Europaspielen im vorigen Jahr in Paris Bronze im Herren-Einzel und gewann schon sechs Medaillen bei Weltranglistenturnieren des Tischtennis-Weltverbands ITTF. Und bei insgesamt acht Teilnahmen an Welt- und Europameisterschaften der Weltverbände INAS und ITTF seit 2011 hat er es im Herren-Einzel bisher sieben Mal in die Finalrunde der besten Spieler geschafft. 

Erstmals Chinesen am Start

Etwas Besonderes ist Freund auch deshalb, weil er der weltweit einzige Tischtennis-Sportler ist, der in diesem Jahr an den Weltspielen beider Weltverbände für Sportler mit intellektueller Behinderung teilnimmt. Edelmetall wie im März bei den ebenfalls alle vier Jahre ausgetragenen World Games der Special Olympics in Abu Dhabi, wo er im Einzel und im Doppel Silber in der stärksten Leistungsklasse gewann, dürfte aber in Brisbane außer Reichweite sein. Denn während bei den Special Olympics auch viele Sportler mit ähnlich schwerem Handicap wie Freund am Start sind, dominieren bei den INAS-Weltspielen leichter beeinträchtigte Spieler. Zudem sind in Brisbane ab dem 12. Oktober zum ersten Mal überhaupt – eine weltweite Premiere im Leistungssport der intellektuell Behinderten – auch die Festland-Chinesen am Start, die wegen ihrer Dominanz im Regelsport als stark eingeschätzt werden.

Zwar bietet INAS nun zwei weitere Startklassen bei seinen Weltspielen an. Doch während eine nur Sportlern mit Down-Syndrom offensteht, ist die andere Autisten ohne Intelligenzminderung vorbehalten. Freund ist zwar Autist, hat aber auch eine schwere Intelligenzminderung. Zudem hat er zwar einen noch niedrigeren IQ als die meisten Down-Syndrom-Sportler, hat aber kein Down-Syndrom. Daher darf er in diesen Klassen nicht starten. Bisherige Bemühungen des DBS um die Einführung einer weiteren Startklasse für Tischtennissportler mit schwerer geistiger Behinderung waren bislang nicht erfolgreich. 

Teilnahme und Spaß im Vordergrund

Für Hartmut Freund ist dies indes nicht von Bedeutung. Zum einen versteht er es nicht. Zum anderen tritt er in der Bezirksliga des Nichtbehindertensports für den TTC Bietigheim-Bissingen stets gegen Spieler an, die gar keine Behinderung haben. Erst vor zwei Wochen holte er bei den Bezirksmeisterschaften Bronze im Einzel der über 50-jährigen Senioren – einer Startklasse ohne Spielstärkebegrenzung (TTR-Limit). Seine in Abu Dhabi gewonnenen Silbermedaillen dienen ihm zwar – eine für Autisten typische Verhaltensweise – als Talisman: Er steckt sie jedesmal in die Hosentasche, wenn er das Haus verlässt. Jedoch stehen für ihn, der während der Sätze sowieso nie mitzählt, bei den Global Games die Teilnahme als solche und der Spaß am Tischtennis-Sport im Vordergrund. Wovon sich jeder überzeugen kann, der die Videos auf seiner Facebook-Fanpage anschaut. 

Trotz seiner geringen Medaillenchancen wird Freunds Start in Brisbane von keinem Geringeren als Tischtennis-Superstar Dimitrij Ovtcharov unterstützt. Da der vom Deutschen Behindertensportverband (DBS) für die Weltspiele gemeldete 51-Jährige die Teilnahmekosten für sich und seine beiden Betreuer selbst finanzieren muss, hat seine Familie eine Crowdfunding-Kampagne über die Plattform Kam-on! initiiert. Auch Ovtcharov hat für den Bezieher einer Erwerbsminderungsrente auf Sozialhilfe-Niveau gespendet. Von großer Bedeutung ist für den Schwaben zudem das Materialsponsoring durch die Firma JOOLA. Die mit Kam-on vereinbarte Mindestzielmarke von 3.500 Euro wurde zwar inzwischen erreicht, doch die Aktion läuft wie geplant noch eine Woche, da die Kosten 8.400 Euro betragen.
 

(Norbert Freund/JS)

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