Buntes

TT-Spieler Santivañez: Gut integriert, dennoch von der Abschiebung bedroht

Ivan Santivañez Portocarrero und seine Freundin Katerina (©privat)

23.02.2018 - Dass Tischtennis bei der Integration oft enorm weiterhelfen kann, haben wir anhand von diversen Beispielen schon in der Vergangenheit thematisiert. Ähnlich ist es bei dem Fall, denen wir Ihnen im Folgenden vorstellen: Ohne Deutschkenntnisse vor vier Jahren nach Weil am Rhein gekommen hat sich der Peruaner Ivan Santivañez Portocarrero inzwischen bestens integriert. Dennoch soll er in Kürze abgeschoben werden.

Vor vier Jahren folgte der damals 18-jährige Ivan Santivañez Portocarrero der Einladung des Deutschen Marc Wannagat – selbst Tischtennisspieler und -trainer – und besuchte ihn und seine Familie in Weil am Rhein am Dreiländereck Deutschland-Schweiz-Frankreich. Beide hatten sich bei einem Trainingscamp in Perus Hauptstadt Lima kennengelernt, Wannagat war auf Anhieb begeistert davon, was Santivañez für den Tischtennissport auf sich nahm, z.B. achtstündige Bustouren aus dem peruanischen Hochland, um so trainieren zu können, wie es seinem Niveau entsprach. Was aus solchen Spielern werden könne, wenn sie die Möglichkeiten besäßen, die man in Deutschland hat, fragte sich Wannagat und lud Santivañez zu sich. 

Der jüngste Sohn einer Arbeiterfamilie aus ärmlichen Verhältnissen sprach zu dieser Zeit weder Deutsch noch Englisch, hatte aber ein großes Interesse daran, die neue Kultur und Europa kennenzulernen. Nach den ersten drei Monaten war der Peruaner schließlich so begeistert von Land und Leuten, dass er den Plan fasste, Deutsch zu lernen und sich in Deutschland eine Zukunft aufzubauen, auch um damit seiner Familie in der Heimat langfristig helfen zu können.

Perspektive in vielerlei Hinsicht schaffen
Der ortsansässige Tischtennisverein in Weil am Rhein, der benachbarte Tischtennisclub Saint Louis in Frankreich und die mittlerweile eng befreundete Gastfamilie Wannagat halfen Santivañez auf seinem weiteren Weg. Daraus entstand das ehrenamtliche Sportförderprojekt "TT-Scouting", das jungen ausländischen Talenten die Möglichkeit eröffnet, sich in Deutschland im Tischtennis, aber auch außerhalb der Trainingshalle in privater und beruflicher Hinsicht weiterzuentwickeln und sich eine Perspektive zu schaffen. Im Fall von Santivañez konnte so finanzielle Unterstützung gefunden werden, die Hilfe des deutschen Staates musste er bis heute zu keinem Zeitpunkt in Anspruch nehmen. 

Nicht einmal zwei Jahre dauerte es, bis der Peruaner Deutsch und Englisch fließend sprach. Entsprechende Tests wie z.B. den "Intensiv-Integrationskurs" oder die Prüfung „Leben in Deutschland“ schloss er mit Bestnoten ab. Sesshaft – so könnte man sagen – ist Ivan Santivañez Portocarrero inzwischen in Deutschland geworden. Hier hat er seine Freundin Katerina kennengelernt, mit der er seit zwei Jahren zusammen ist, und darüber hinaus viele Freunde. Über einen Zeitraum von zwei Jahren gab er dem Nachwuchs des ESV Weil am Rhein ehrenamtlich Training, ein bis zwei Mal pro Woche bietet er ehrenamtlich in einer Talent-Fördergruppe interessierten Spielern Trainingsstunden an. In Frankreich spielte der 22-Jährige in der Liga National 3, der fünften französischen Liga, vergleichbar mit der deutschen Oberliga. Nebenbei bildete er sich weiter und stieg im vergangenen Sommer ins Berufsleben ein – bei einer kleinen Marketingfirma, die im Sportmarketing auch stark im südamerikanischen Raum aktiv ist.  

"Ivan ist total frustriert und fühlt sich eingesperrt"
Das alles ist inzwischen Geschichte: Nach aktuellem Stand darf Santivañez weder arbeiten noch Tischtennis spielen in Saint Louis, noch seine Freundin im nahegelegenen schweizerischen Schaffhausen besuchen. Warum? Der Peruaner ist nach deutschem Gesetz in der Bundesrepublik momentan nur noch "geduldet". Eingereist war der 22-Jährige als Anwärter auf ein Studium, geplant war ein BWL-Studium, später ergab sich jedoch die Anstellung in der Marketingfirma. "Die Behörde beharrt auf Paragraphen, ihr fehlt der Blick über den Tellerrand hinaus. Nun soll er abgeschoben werden", berichtet Marc Wannagat. Ohne Einkommen hält sich Santivañez derzeit durch seine Ersparnisse über Wasser, dieses Geld wäre eigentlich für seine Familie in Peru vorgesehen gewesen. "Ivan ist total frustriert und fühlt sich eingesperrt. Er sagt selbst, dass er so hart gekämpft, sich etwas erschaffen hat und er sich jetzt so fühlt, als ob nun 'alles umsonst war' und er 'einfach nur Zeit verloren hat.' Wie ihn die Ausländerbehörde behandelt, ist eine eigene, unglaubliche Story für sich", findet Wannagat und hat deshalb eine Petition ins Leben gerufen, die die Abschiebung verhindern soll. 

Mit dem Sachverhalt und der Kritik konfrontiert, hält sich Stadtsprecher Jürgen Schopferer mit Verweis auf die Wahrung der Persönlichkeitsrechte mit einer detaillierten Stellungnahme zurück, wie die "Weiler Zeitung" berichtet. „Aus Sicht der Stadt liegt kein Aufenthaltsgrund vor, der für eine Aufenthaltserlaubnis in Weil am Rhein spricht.“ Aktuell entscheide das Verwaltungsgericht über den Fall, heißt es im Zeitungsbericht von Donnerstag weiter. 

(DK)

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