Timos Reise-Blog: Bei Xu Xin zu Gast
Gemeinsam mit deutschen (Nachwuchs-)Spielern reiste myTT-Volontär Timo nach China. Vor dem Turnier in Taicang trainierten die Tischtennis-Asse in Xu Xins eigener Halle, dem Xuperman-Café.

Meine Mutter ist Tischtennis-Profi, in China geboren und aufgewachsen. Ich hingegen habe mein ganzes Leben in Deutschland verbracht und lange Zeit mit Tischtennis nichts zu tun haben wollen – bis vor kurzem, als sich alles änderte. Dass ich so schnell danach auch die Chance haben würde, hinter die Kulissen des Tischtennis-Profisports zu blicken und auch nach China, der Wiege des Tischtennis und meine zweite Heimat, zu reisen, hätte ich nie gedacht. Möglich wurde es trotzdem.
Bevor ich im September als Redaktions-Volontär bei myTischtennis anfing, hatte ich von einem Turnier in Taicang noch nie etwas gehört. Dabei hat der deutsch-chinesische Freundschaftscup schon eine kleine Tradition und ist zu einem Wettkampf herangewachsen, bei dem durchaus einige Topspieler aus der TTBL oder der chinesischen Super League ihr Können zeigen. Einmal bei einem Turnier dabei zu sein und nebenbei erleben, wie Tischtennis in China so ist? Unbedingt!
Wegen meiner familiären Bindung nach China bin ich bereits im „Reich der Mitte“ gewesen, aber noch nie, um dort ein Tischtennis-Event zu begleiten. Das Turnier soll an einem Samstag Mitte Oktober stattfinden, am Dienstag davor steige ich in den Flieger. Nach meiner Ankunft am nächsten Tag soll ich, bevor es am Samstag losgeht, noch einige der deutschen Spieler kennenlernen, die bei dem Freundschaftscup in Taicang (einer Stadt in der Nähe von Shanghai) antreten würden.
Getroffen und verschätzt
Noch durch den elfstündigen Flug etwas bedröppelt, sitze ich später am Tag mit den deutschen Spielern und Begleitern vom TTVN und Christian Sommer – dem Chef des German Centre Shanghai und die treibende Kraft hinter dem Taicang-Turnier – beim Abendessen. Ich hatte die Spieler erst wenige Minuten zuvor kennengelernt, und als ich vorher zur Hotelpizzeria gelaufen war, sie zunächst für eine bunt zusammengewürfelte Teenager-Reisetruppe gehalten, die da im Foyer auf einem Sofa saß. Tatsächlich aber sind es die vier U19-Kaderathleten des TTVN gewesen, gemeinsam mit ihrem 20 Jahre jungen Trainer Sören Dreier. Begleitet werden sie zudem von TTVN-Geschäftsführer Markus Söhngen.
Nach dem Bestellen (Pizza und Nudeln, nicht gerade chinesisch) verraten mir die jungen Spieler, wie sie heißen und auch, wie alt sie sind. Bei zwei von ihnen hatte ich mich hoffnungslos vertan: Matthis Kassens und Maris Miethe schätzte ich auf 12 bis 13 Jahre, obwohl beide bereits 15 sind. Zumindest bei Daniel Nagy (15) und Alexander Uhing (16) lag ich beim Alter ungefähr richtig.
Alle vier hatten einige Tage vorher bei dem WTT Youth Contender in Tunesien gespielt. Obwohl sie bei unterschiedlichen Vereinen spielen, sind sie ein Team, das zusammen schon viel erlebt hat. Da sie einige Stunden vor mir angekommen sind, sind sie bereits bei Xu Xins Café gewesen, um dort zu trainieren. Ich würde die besondere Trainingshalle des chinesischen Superstars erst morgen sehen. Gespannt bin ich durchaus – es hieß, wenn Xu Xin Zeit hätte, würde er sogar selbst vorbeikommen.

Während uns die ersten Pizzen gebracht werden, erzählt Sommer, übrigens auch Vizepräsident des DTTB, ein wenig von Shanghai und über die Entstehung des Taicang-Turniers. Er berichtet, wie er die German Centre aufbaute, in Peking, dann in Shanghai, und wie er in China Fuß fasste – auch mit Tischtennis. 2016 hatte er schließlich mit genügend Sponsoren und der Regierung der Stadt Taicang den „China-Germany Friendship Cup“ aus der Taufe gehoben, ein Einladungsturnier, das sich mittlerweile zu einer Serie entwickelt hat und bei deren achten Ausgabe die vier Jungs des TTVN – und natürlich er selbst – mitspielen werden. Die heitere Energie, die Sommer auch beim Erzählen verströmt, ist ansteckend. Schon als er uns begrüßt hatte, wirkte er begeistert. „Er grinst dabei, als hätte er gerade in Las Vegas den Hauptgewinn gemacht“, sagt Maris.
Mitten in Shanghai
Am nächsten Tag fahren wir durch Shanghai zum Xuperman-Café, Xu Xins besonderer Trainingshalle. Eine kurze Strecke in Shanghai bedeutet allerdings trotzdem eine Autofahrt von einer halben Stunde. Unser Hotel liegt inmitten der beeindruckenden Wolkenkratzer des Shanghai-Stadtteils Pudong, und sich von dort den Weg durch den Berufsverkehr zu bahnen, dauert. Ohnehin ist in Shanghai alles riesig – hohe Gebäude, breite Straßen. Dabei ist alles überraschend begrünt und sauber. Am Abend vorher hatte Sommer erwähnt, dass Pudong sehr modern ist – vor 40 Jahren standen dort so gut wie keine Häuser. Jetzt schlägt dort das Herz einer der fortschrittlichsten Metropolen der Welt.

Auch der Ort, an dem Xu Xins Café untergebracht ist, ist einfach groß. Es befindet sich unten auf der Ostseite des Pudong-Fußballstadions, das von außen aussieht wie ein Ufo und ein wenig an die Allianz Arena erinnert, nur glatter – die Form soll laut den Bauherren an eine klassische chinesische Porzellanschale angelehnt sein.
Durch die Glasfront erhascht man bereits einen Blick auf das moderne Innenleben, zwei große Leuchtschilder weisen bereits das „Xuperman Cafe“ und das „Xuperman Sports“ aus. Im linken Teil befindet sich das namensgebende Café, eigentlich eher ein Xu-Xin-Erlebnisraum, und im rechten Teil ist der Trainingsbereich untergebracht mit Tischen, Ballroboter und sogar einem Kraftraum.
Die Eingangstür führt zuerst ins Café, rechts zweigt es zum Trainingsraum ab. Dort riecht es sauber und ein wenig nach Gummi, alles ist modern und schlicht in schwarz gehalten. Was auffällt, sind die gepolsterten Säulen, die in regelmäßigem Abstand im Raum stehen, und das starke Licht. Wirklich hoch ist der Raum nicht. Die kleine Halle ist außerdem, wie alle Innenräume in Shanghai, gut klimatisiert.
Das „Xuperman Sports“ ist fast leer, als sich die TTVN-Jungs warmmachen. An zweien der zwölf Tische spielen drei Chinesen, einer trainiert mit einem Ballroboter. Die anderen beiden – einer von ihnen wird nachher mit den TTVN-Jungs trainieren – peitschen die Bälle hin und her. Alle drei spielen (wie sollte es auch anders sein) im Penholder-Stil, wie der prominente Namensgeber für das Café.
Ein Mann, eine Marke
Das Café selbst ist geprägt von dem „Cloudwalker“ Xu Xin, oder eher: von seiner Cartoon-Figur. Es gibt einen Tresen und einige Tische, an denen man Kaffee und andere Getränke bestellen kann. Zunächst wirkt es wie eine Art Starbucks für Tischtennisspieler. Kaffee-Lifestyle und Tischtennis – eine Kombination, die auf den ersten Blick nicht wirklich zueinander passt. Dahinter steckt aber eine Geschäftsidee: Xu Xin, bekannt für seinen außergewöhnlichen und etwas exzentrischen Spielstil, will mit dieser Kombination eine neue, zu ihm passende Marke aufbauen. Und die Idee, nach einem Training gemütlich bei einem Getränk beisammenzusitzen, ist dann doch nicht so weit hergeholt.
Im Café zieren die Xu-Xin-Figuren so gut wie alle Wände, bemerkenswert oft zu einem X stilisiert. Das X spielt auf den Buchstaben der westlichen Schreibweise seines Namens an, sowie auf seine artistischen Schläge, etwa seinen oft gezeigten Behind-the-back-shot. Die Schläge waren so spektakulär, dass der bekannte Kommentator Adam Bobrow den chinesischen Ausnahmespieler beim Highlight-Spiel gegen Ma Long „Xuperman“ nannte – voilà, der Name für Xu Xins eigene Marke war geboren.
Das Einzige, was in dem Café noch fehlt, um das Xuperman-Erlebnis abzurunden, ist Xu Xin selbst. An diesem Abend kommt der chinesische Star allerdings nicht persönlich vorbei. „Er muss selbst für ein Turnier trainieren“, vertröstet Sommer. Dafür kommen andere Profis, und zwar aus Deutschland: Cedric Meissner, Fanbo Meng, Benno Oehme, und einige andere Tischtennis-Asse. Auf Einladung von Sommer sind sie an diesem Morgen in Shanghai gelandet und werden ebenfalls bei dem Freundschaftscup in Taicang mitspielen.
Die TTVN-Talente trainieren zunächst unter sich, bekommen später Tipps von dem chinesischen Trainer. Sommer hilft bei der Übersetzung von Chinesisch auf Deutsch. Außerdem von ihm eingeladen: ein achtjähriges Tischtennis-Talent, das im vergangenen Jahr gegen Tennis-Legende Roger Federer spielte. „Für das Alter spielt sie bemerkenswert gut“, sagt Sören Dreier, der neben Alexander Uhing und Daniel Nagy einige Ballwechsel mit dem Mädchen spielte. Für die TTVN-Jungs ein Vorgeschmack darauf, wie stark die Nachwuchsspieler in China bisweilen sind. Wie stark, würden die TTVN-Spieler und ich noch erleben – beim Turnier in Taicang und später im Internat in Anhui.
Bereits am nächsten Tag steht die Reise nach Taicang an. Dort würden die TTVN-Jungs und die anderen deutschen Spieler beim deutsch-chinesischen Freundschaftscup antreten. Wie die TTVN-Jungs Shanghai erkunden und wie das Turnier in Taicang verlaufen wird, lest ihr im zweiten Teil von Timos Reise-Blog.
Im dritten Blog besucht die deutsche Delegation das Huiyou-Internat in der Region Anhui und traf dort auf ziemlich gute chinesische Talente. Der vierte und letzte Blog „Das Trainings-Geheimnis der Chinesen“ wird nach Erscheinen an dieser Stelle verlinkt.
Was haltet ihr von der Idee, ein Café mit einer Tischtennishalle zu verbinden? Und würdet ihr das Xuperman-Café in Shanghai auch besuchen, wenn ihr mal dort seid? Schreibt gern in die Kommentare!
3 Kommentare
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