Timos Reise-Blog: Nicht ganz wie Fan Zhendong

    Gemeinsam mit deutschen (Nachwuchs-)Spielern reiste myTT-Volontär Timo nach China. Beim deutsch-chinesischen Taicang-Turnier erfuhr er, wie Tischtennis verbinden kann – und was zwischen den Ländern doch so anders ist.

    Auf dem Center Court der Taicang Sports Arena gab es bei dem Freundschaftsturnier in Taicang einige hochklassige Spiele zu bestaunen. Darunter auch von einem Spieler aus Shanghai, der ein wenig wie Fan Zhendong aussah – und auch so ähnlich spielte. (Foto: Timo Gotsch)

    Fernsehkameras? Die würde man bei einem Freundschaftsturnier in Deutschland nicht erwarten. Schon gar nicht beim Tischtennis. Als wir am Vorabend des „China-Germany Friendship Cups“ in die Halle der Taicang Sports Arena laufen, stehen allerdings ganze drei Kameras fürs landesweite chinesische Fernsehen bereit. Alle sind ausgerichtet auf den Tisch in der Mitte.

    Ja, Tischtennis – oder Pīngpāngqiú, wie es auf Chinesisch heißt – ist im Reich der Mitte doch was anderes als bei uns. So gut wie keinen der chinesischen Spieler, die bei diesem Turnier in Taicang antreten werden, kennt man in Deutschland. Ziemlich gut sollen sie sein. Ich bin gespannt, wie sie gegen die deutschen Spieler performen – Cedric Meissner, Fanbo Meng, Benno Oehme, alles Namen, die von der deutschen Bundesliga bekannt sind.

    Was mich aber noch mehr interessiert: Wie die jungen deutschen Nachwuchsspieler, die ich zwei Tage zuvor in Shanghai kennengelernt und mit denen ich Xu Xins Café besucht habe, mit den Bedingungen hier in China umgehen. Die vier Talente aus Niedersachsen – Maris, Daniel, Matthis und Alex – sowie ihr junger Trainer Sören waren noch nie im Reich der Mitte gewesen.

    Kultur und Kitsch im Yu-Garten

    Weil es bei dem Taicang-Turnier vor allem um den kulturellen Austausch geht, fahren wir an einem der Tage vor dem Turnier zu einer der schönsten Sehenswürdigkeiten Shanghais. Mit einem Kleinbus werden die vier TTVN-Jungs, Sören, TTVN-Geschäftsführer Markus Söhngen und ich abgeholt. Kaum sitzen wir im Bus, werden wir von unserer Führerin gefragt, was für eine Sportart wir eigentlich betreiben. „Ihr spielt Fußball, richtig?“, fragt sie.

    Die vier TTVN-Kaderathleten klären die Führerin auf, dass sie für Tischtennis nach China gekommen sind. „Ja, das ist hier sehr populär“, sagt sie, „wie Fußball in Deutschland.“ Sie selbst ist kein großer Tischtennis-Fan, aber sie fragt uns trotzdem, wo Saarbrücken liegt. Nicht verwunderlich, dass sie diesen Ort kennt, denn von Fan Zhendongs Wechsel in die deutsche Liga hat in China so gut wie jeder gehört. In China ist er ein Superstar. „Xiǎo Pàng“ wird er in China auch genannt, erzählt sie uns – was auf Deutsch so viel heißt wie „Kleiner Dicker“. Aber das ist liebevoll gemeint, in China geben sich viele Menschen Spitznamen dieser Art.

    Eine kurze Abwechslung zur Trainingshalle: Im Yu-Garten sind wir umgeben von klassischer chinesischer Architektur. Die Führerin erklärt Daniel, Maris, Matthis, Alex und Sören (von links), dass der Garten bereits in der Ming-Dynastie erbaut wurde. (Foto: Timo Gotsch)

    Sie führt uns durch den Yu-Garten, einer Anlage aus der Ming-Dynastie, die in der Mitte des 16. Jahrhunderts erbaut wurde. Heute ist dort alles für den Tourismus aufgepeppt. Auf den Plätzen vor den alten Gebäuden mit geziegelten Pagodendächern läuft ununterbrochen kitschige Musik, die eher an eine Arcade-Flipper-Halle erinnert. In den klassisch chinesischen Häusern sind außerdem hochmoderne, klimatisierte Shops untergebracht – ein krasser Kontrast.

    In einem Li-Ning-Shop (für Sportmode) gibt es auch eine Tischtennis-Abteilung. Der Sport hat in China einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland. Spieler wie Ma Long sind dort so berühmt wie bei uns die größten Fußball-Stars. (Foto: Timo Gotsch)

    Gegensätze begegnen uns auch, als wir zwei Tage später erstmals zur Halle nach Taicang fahren. Wie ein großes Theater wirken die vielen Holzsitze der Arena, eine ganz eigene Atmosphäre. Neun Tische sind aufgebaut, einer davon prominent in der Mitte, als würde wirklich Fan Zhendong dort spielen. Die Kameras werden Spiele des Turniers nach ganz China übertragen. Eine Mixed-Zone für Interviews ist aufgebaut. Dabei handelt es sich „nur“ um ein reines Freundschaftsturnier. Nicht um eine Weltmeisterschaft.

    „Es ist sehr beeindruckend“, sagt Sören. „Die Bedingungen in der Halle sind sehr professionell, so etwas würde man etwa von den Deutschen Meisterschaften erwarten.“ Am Abend vor dem Turnier spielen sich alle deutschen Spieler ein, gewöhnen sich an die Halle. Die größte Umstellung: das Klima in der Halle. Wegen der für Shanghai und Taicang typischen hohen Luftfeuchtigkeit ist der Ballflug anders. „Die Chinesen mit ihren harten Asien-Beläge sind das gewöhnt“, sagt Fanbo Meng. „Wir mit unseren europäischen weicheren Belägen haben es schwieriger.“

    1|5
    Bild 1 von 5
    • Das erste Mal in der Halle: Die deutschen Spieler, darunter auch die U19-Talente des TTVN, machen sich mit der Halle vertraut. (Foto: Timo Gotsch)
    • In der Halle sind neun Tische aufgebaut, einer davon ist prominent in der Mitte platziert. Dieser Center Court ist den wichtigen Partien vorbehalten. (Foto: Timo Gotsch)
    • Die Aussicht von den Tribünen ist gut – man hat alle Tische im Blick. Etwas opernhaft wirken die Sitzränge aber doch. (Foto: Timo Gotsch)
    • Das Schild zum „8. Taicang China-Germany Friendship Cup“ zeigt die Sponsoren und Ausrichter des Turniers. Am nächsten Tag werden davor die Siegerehrungen sein. (Foto: Timo Gotsch)
    • Am Center Court sind bereits Kameras aufgebaut – insgesamt drei Stück. Am Turniertag werden sie das Geschehen live ins chinesische Fernsehen übertragen. (Foto: Timo Gotsch)

    Einen Tag später laufen die Kameras. Vom Tisch des Center Courts wird während des Turniers live übertragen und kommentiert. Das Team um Cedric Meissner spielt zuerst auf dem prominenten Tisch, gegen ein Team aus der Stadt Yixing. Spieler eines Kalibers wie Fan Zhendong treten nicht gegen sie an, aber Meissner hat bereits einen Akteur aus einem der gegnerischen Teams ausgemacht, der in der ersten chinesischen Liga – der Table Tennis Super League – unterwegs ist. Von weiter weg sieht er Fan Zhendong sogar verblüffend ähnlich.

    Aber die meisten der chinesischen Spieler beim Taicang-Turnier sind gar keine Profis. Zum Beispiel der Penholder-Noppenspieler, gegen den Meissner antritt und verliert. Es ist klar, das chinesische Amateur-Niveau ist nicht vergleichbar mit dem in Deutschland.

    Hohes Niveau für ein Freundschaftsturnier

    Die Jungs vom TTVN-Team treten zuerst gegen die Heimmannschaft an, drei Spieler aus Taicang. Ihr Trainer Sören weiß, dass sportlich nur schwer etwas zu holen ist, bei dem hohen Niveau. „Es geht eher darum, dass die Jungs die besprochenen Verbesserungen in ihrem Spiel umsetzen“, meint er. Kurz zuvor waren die vier Nachwuchsathleten bei einem WTT-Turnier in Tunis gewesen. „Chinesen machen kaum Fehler und sind sehr sicher. Gegen sie zu spielen, ist super, um sich zu verbessern.“

    1|28
    Bild 1 von 28
    • Der große Tag – die Spieler laufen zum Sportlereingang der Taicang Sports Arena. Der Spielerbus wird dabei von einem Kamerateam empfangen. Viele Banner künden bereits von dem Sportevent. Der Bus fährt im Tagesverlauf immer wieder von der Halle zum Hotel zurück und befördert auch chinesische Spieler. (Foto: Timo Gotsch)
    • Ein großes Team an Schiedsrichtern (in rote Hemden gekleidet) sorgt für die Spielleitung und einen reibungslosen Ablauf. (Foto: Timo Gotsch)
    • Da nicht viele Tische frei sind, spielen sich die vier TTVN-Jungs an einer Platte warm. Trotz Klimatisierung der Halle sind die Bedingungen spürbar anders: „Die Luftfeuchtigkeit hier ist unfassbar hoch“, sagt Maris (links vorne). Stellenweise würde es sich so anfühlen, als bliebe der Ball in der Luft stecken. (Foto: Timo Gotsch)
    • Auf der Tribüne sind die Plätze der offiziellen Gäste ausgeschildert. Zu den Ehrengästen zählen: Zhou Fei, stellvertretender Bürgermeister von Taicang, Christian Sommer, Vizepräsident des DTTB und CEO des German Centre Shanghai, Yan Hao sowie Duan Yueqiang, beide hohe Beamte der Stadt Taicang, und Herr Yu Zhigang, Tischtennis-Chef der Chinesischen Senioren-Sportvereinigung. (Foto: Timo Gotsch)
    • Die deutschen Spieler Cedric Meissner, Matthias Danzer und Tom Schweiger spielen sich am Tisch im Center Court neben den chinesischen Spielern ein. (Foto: Timo Gotsch)
    • Vor Turnierbeginn stellen sich die 16 Teams nebeneinander auf – für jede 3er-Mannschaft gibt es ein eigenes Schild mit chinesischem Namen. (Foto: Timo Gotsch)
    • Zur offiziellen Begrüßungszeremonie versammeln sich die Ausrichter des Turniers und die Ehrengäste, um Begrüßungsworte an die Spieler zu richten. Darunter auch Markus Söhngen vom TTVN sowie Christian Sommer vom German Centre Shanghai. (Foto: Timo Gotsch)
    • Durfte nicht fehlen: Zuerst läuft die chinesische Nationalhymne, danach die deutsche. Dafür wenden sich die Spieler und die Gäste zu den beiden Flaggen, die prominent an der Decke hängen. (Foto: Timo Gotsch)
    • Vor dem Start posieren die Teams noch für ein gemeinsames Foto. Insgesamt treten fünf deutsche und elf chinesische Teams an. Die Teamnamen sind oft mit den Namen der Sponsoren bestückt. (Foto: Timo Gotsch)
    • Bevor alle Spieler an die Tische gehen, eröffnet Christian Sommer mit einem der Ehrengäste das Turnier mit einem ersten Ballwechsel. (Foto: Timo Gotsch)
    • Kein Turnier ohne richtiges Einlaufen – wie bei einer WM geht es zur Aufstellung in die Box. (Foto: Timo Gotsch)
    • Los geht’s! Die Matches werden nach einem eigenen System gespielt, vergleichbar wie bei dem Team-Wettbewerb bei den Olympischen Spielen in Paris 2024. Die Doppel machen den Anfang. (Foto: Timo Gotsch)
    • Time-out! Die Schiedsrichter erfüllen ihre Aufgabe gewissenhaft und tragen dazu bei, dass eine richtige Wettkampf-Atmosphäre entsteht. (Foto: Timo Gotsch)
    • Alexander Uhing vom TTVN-Team tritt im ersten Einzel gegen einen chinesischen Spieler des heimischen Taicang-Teams an – und gewinnt. In der Vorrunde werden auf zwei Gewinnsätze gespielt. (Foto: Timo Gotsch)
    • Während des Turniers nehmen Fernsehteams Interviews auf. Hier wird TTVN-Geschäftsführer Markus Söhngen vor geschäftiger Kulisse befragt. (Foto: Timo Gotsch)
    • Begegnungen wie diese machen den Reiz des Turniers aus: Tom Schweiger im Gespräch mit einem der Spieler des Taicang-Teams. (Foto: Timo Gotsch)
    • Noch ein deutsches Team: Noah Heidemann und Nico Longhino vom BTTV machen im Doppel den Anfang. In der Vorrunde der B-Konkurrenz spielt das bayerische Trio souverän und gibt nicht einen Punkt ab. (Foto: Timo Gotsch)
    • Auf den Zuschauerrängen finden einige Interessierte ihren Platz. Oft aber verlassen die Fans die Sitze und schauen direkt von der Bande aus zu. (Foto: Timo Gotsch)
    • Um ihre Teams anzufeuern, kommen die chinesischen Fans sehr nah. (Foto: Timo Gotsch)
    • Viele chinesische Teams nehmen ihre Spiele auf – und streamen diese sogar live auf einer der chinesischen Plattformen. (Foto: Timo Gotsch)
    • Ein Blick hinter die Kulissen der Übertragung: Zwei Live-Kommentatoren sitzen auf der Tribüne und berichten über das Geschehen an den Tischen. (Foto: Timo Gotsch)
    • Teams, die schon seit vielen Jahren bei den Freundschaftsturnieren mitspielen, gibt es einige – eines davon ist der Shanghai Hurricane Table Tennis Club, der 2016 von drei Nicht-Chinesen (darunter auch Deutsche, deshalb das Deutschland-Badge auf den blauen Trikots) gegründet wurde. Seit vielen Jahren schon ist „Shanghai Hurricane“ mit den blauen Trikots in Taicang vertreten. (Foto: Timo Gotsch)
    • Deutscher Zusammenhalt: Die Nachwuchstalente des TTVN feuern das deutsche Team um Cedric Meissner bei den Finalspielen an. Das TTVN-Team ist in der A-Konkurrenz nicht weit gekommen. (Foto: Timo Gotsch)
    • Nach dem Turnier ist es Zeit für die Ehrungen: Knapp reicht es für Kirill Fadeev, Fanbo Meng und Benno Oehme (v.l.n.r.) nicht für einen Platz auf dem Treppchen. (Foto: Timo Gotsch)
    • In der B-Konkurrenz schafft es die Binzhou Table Tennis Association aus der Provinz Shandong auf den ersten Platz. Silber holt das deutsche Team um die BTTV-Spieler Nico Longhino, Fabian Rinderer und Noah Heidemann (v.l.n.r.). Das Team der Shanghai Hurricane wird Dritter. (Foto: Timo Gotsch)
    • In der A-Konkurrenz schafft es mit Tom Schweiger, Matthias Danzer und Cedric Meissner (v.l.n.r.) ebenfalls ein deutsches Team auf den zweiten Platz. Gold holt sich ein Team aus Shanghai, Bronze die Spieler vom Heim-Team aus Taicang. (Foto: Timo Gotsch)
    • Beim Abendessen geht der deutsch-chinesische Austausch erst so richtig los: Passend zum Oktober war der Buffet-Saal typisch bayerisch dekoriert. (Foto: Timo Gotsch)
    • Während des Essens gibt es zum Abschluss des Tages noch die besten Schnappschüsse und die Video-Highlights vom Turnier zu sehen. (Foto: Timo Gotsch)

    Mit 2:0, aber zwei umkämpften Sätzen, gewinnt Alex sein erstes Einzel. „Er spielt sehr komplett für sein Alter, sehr aggressiv. Er war sehr gut“, sagt sein Gegner über ihn. Auch für die chinesischen Spieler ist das Turnier reizvoll. Sie lernen deutsche Spielsysteme kennen und auch, wie deutsche Profis spielen.

    „Wir freuen uns sehr, gegen die deutschen Spieler anzutreten, sie sind sehr professionell“, sagt etwa der Penholder-Noppen-Spieler aus Yixing, der Meissner ärgern konnte. „Man merkt sofort an der Qualität in den Bällen, wie gut sie sind.“

    Chinesische Spieler zu stark

    Nach der ersten Tageshälfte und der abgeschlossenen Vorrunde ist klar, dass für die TTVN-Jungs nicht viel zu holen war. Um einen Platz auf dem Treppchen spielen sie nicht mit, dazu war die A-Konkurrenz doch zu stark.

    Für das Meissner-Team geht es hingegen ins Finale – gegen das Team aus Shanghai, wo Fan Zhendong der Chinese Song Zhuoheng mitspielt, der Fan Zhendong so sehr ähnelt. Der Linkshänder mag noch nicht auf dessen Niveau sein, aber richtig gut ist er dennoch. Das Match etwa gegen Meissners Teammitglied Tom Schweiger produziert mehrere Highlight-Bälle.

    Nicht ganz, aber fast wie Fan Zhendong: Der Spieler für die Auswahl aus Shanghai, Song Zhuoheng, sieht dem chinesischen Superstar ziemlich ähnlich und hat ebenfalls eine aggressiv-offensive Spielweise, mit der er Tom Schweiger vor Probleme stellt. Song spielt in der ersten chinesischen Liga. (Video: Timo Gotsch)

    Am Ende siegt das Team um Song Zhuoheng – wie eigentlich immer im Tischtennis kommen die Sieger aus China, auch bei diesem Freundschaftsturnier. Wenn das Turnier in Taicang eines deutlich macht, dann wie sehr sich Tischtennis-Deutschland und Tischtennis-China unterscheiden – und wie der Sport trotzdem dafür sorgt, dass beide Nationen sich näherkommen. Eine Annäherung, die jedoch im späteren Verlauf der Reise noch vertieft wurde: Beim Besuch in einem richtigen chinesischen Tischtennis-Internat in Anhui. Mehr dazu im nächsten Blog.

    Dieser Blog ist der zweite Teil einer Reihe: Die Reise nach China zum Taicang-Turnier und Anhui-Internat. Der erste Blog dreht sich um die Stippvisite beim Xuperman-Café der chinesischen Legende Xu Xin.

    Im dritten Blog besucht die deutsche Delegation das Huiyou-Internat in der Region Anhui und traf dort auf ziemlich gute chinesische Talente. Der vierte und letzte Blog „Das Trainings-Geheimnis der Chinesen“ wird nach Erscheinen an dieser Stelle verlinkt.

    2 Kommentare

    Um einen Kommentar abzugeben, musst du mit deinem myTischtennis.de-Account eingeloggt sein.