Timos Blog: In den Fußstapfen eines Bundesliga-Dinos

    Fußball ist cooler als Tischtennis, fand myTT-Volontär Timo Gotsch – zumindest, als er vor zehn Jahren mit Tischtennis aufhörte. Seit einem Jahr spielt er wieder aktiv und ist auf Abwehr umgestiegen.

    Meine Mutter Qianhong Gotsch spielt bereits so lange in der Bundesliga, dass viele sie als „Dinosaurier“ bezeichnen. Die längste Zeit ihrer Karriere verbrachte sie bei der SV Böblingen, auf dem Bild spielte sie 2017 im Pokal für die SVB. Mittlerweile schlägt sie beim SV DJK Kolbermoor auf. Bilder: © Dr. Stephan Roscher und Simon Fabig

    Es gab eine Zeit, in der hätte man mich mit Tischtennis jagen können. Damals war ich etwa zwölf Jahre alt, hatte meine noch junge Tischtennis-Karriere gerade beendet, und nachdem Deutschland 2014 Weltmeister geworden war, nahm der Fußball in meinem Kopf eine so große Rolle ein, dass ich den ganzen Tag über an nichts anderes dachte (auch nicht an die Schule). Ich ging sogar so weit, dass ich regelmäßig sagte: Mit Tischtennis will ich nichts mehr zu tun haben.

    Ich weiß noch genau, warum ich damals aufgehört habe. Meine Aktivenzeit umfasste vier Jahre, und in dieser Zeit nahm ich den Sport sehr ernst. Vor den Spielen war ich hibbelig, während den Ballwechseln angespannt, nach den Niederlagen oft den Tränen nahe. Dabei habe ich nie Profi werden wollen, und so etwas wie Anspannung war mir fremd, weil mir niemals Druck gemacht wurde. Vielleicht habe ich mir daher selbst zu viel Druck gemacht.

    Von meinen Wurzeln gelöst

    Meine Loslösung vom Sport mit dem kleinen weißen Ball war vermutlich für viele unverständlich. Tischtennis war mir in die Wiege gelegt geworden, meine Mutter spielt seit Jahrzehnten in der Bundesliga (Stichwort: Dinosaurier). Ich verdanke dem Sport sogar mein Leben. Wäre meine Mutter damals in China kein Tischtennisprofi geworden, wäre sie wohl niemals nach Deutschland gekommen und hätte meinen Vater nicht kennengelernt. Meine Abkehr davon war also ein Bruch mit meiner Identität. Säße ich bei Sigmund Freud auf der Couch, würde ich sagen, dass es vielleicht ein unbewusster Versuch war, mich von meinem geerbten Tischtennisbezug zu lösen („Ach, du spielst Tischtennis? Na, KEIN WUNDER!“).

    Mein zwölfjähriges Ich würde mir heute niemals glauben, würde ich ihm erzählen, dass ich wieder aktiv Tischtennis spiele. Aber vor einem Jahr fing ich richtig Feuer, habe eine Leidenschaft für diesen Sport entdeckt, die ich als Kind nie hatte – und zwar, weil ich beschloss, Abwehr zu spielen.

    Durch ein Familienprojekt mit einer reinen Gotsch-Mannschaft hatte ich bereits vor der Corona-Zeit wieder den Schläger in die Hand genommen, aber nur aus reinem Jux gespielt und nie trainiert. Und mein zu Beginn gegebenes Gelöbnis, nur „bei manchen Spielen“ aushelfen zu wollen, endete damit, dass ich von diesem Zeitpunkt an so gut wie jedes Spiel machte und in der fünften Mannschaft meines Heimatvereins zum Stammspieler wurde.

    Wieder gespielt, aber nie trainiert

    Ich wurde automatisch besser, meine in der Kindheit gelegte Basis kam mir zugute, während ich mich in der Kreisliga-Mannschaft von der Nummer sechs zur Nummer eins entwickelte. Aber ich merkte mir an, dass mir die wichtigsten Entwicklungsjahre fehlten. Mein Spielsystem war zu eindimensional, ich griff mit der Rückhand nie an, und meine Vorhand (mein Lieblingsschlag ist der Topspin, am besten als Gegentopspin) konnte ich nur selten richtig vorbereiten.

    Das Erweckungserlebnis kam mir, als ich einmal bei der ersten Mannschaft meines Vereins zusah. Die gegnerische Nummer eins spielte moderne Abwehr – seine Spielweise sah attraktiv aus, es gab schöne Ballwechsel, vor allem setzte er mit seinen Rückhand-Abwehrbällen seine starke Vorhand in Szene und kam häufig zu meinen Lieblingssituationen, dem Gegentopspin. Und – was nicht unwesentlich zu meiner Begeisterung beitrug – er gewann das Spiel deutlich. Nachdem ich sein Spiel gesehen hatte, dachte ich: „Das will ich auch!“

    Plötzlich Feuer gefangen

    Verrückt ist, dass ich meiner Mutter schon unzählige Male zugesehen habe (ich war öfter bei ihren Spielen dabei, als mir als Kind vielleicht lieb gewesen wäre), aber absurderweise war ich niemals auch nur auf die Idee gekommen, dass ich es mit Abwehr probieren könnte. Es brauchte dieses Spiel, damit es in meinem Kopf „Klick“ machte – und auf einmal griffen viele weitere Puzzleteile ineinander. Natürlich würde ich auf Abwehr umstellen, denn erstens war meine Rückhand bis dahin ohnehin meine Schwäche – klick –, zweitens würde ich mit der Abwehr meine Vorhand in Szene setzen können – klick –, und drittens hatte ich mit meiner Mutter eine Abwehrspezialistin, die mir das beste Abwehr-Training überhaupt geben konnte – klick, klick, klick.

    Spät, aber nicht zu spät wurde in mir eine bis dahin unbekannte Liebe zum Tischtennis entfacht. Jeden Tag wollte ich in die Halle und die Abwehrschläge lernen. Meine Mutter begleitete mich, egal zu welcher Stunde, und teilte etwas von ihrem gigantischen Wissen mit mir. Da ich damals noch studierte, fuhren wir oft morgens um 7 Uhr los, damit ich um halb zehn zur Hochschule weiterpendeln konnte. Abends fuhr ich noch zum Vereinstraining. Bald fing ich an, im Jugendtraining mitzuhelfen. Tischtennis, Tischtennis, Tischtennis, ein Jahr lang. Dem zwölfjährigen Timo wäre die Kinnlade heruntergefallen.

    Jetzt habe ich bereits eine ganze Saison seit meiner Umstellung auf Abwehr gespielt. Wie ich damit in den Punktspielbetrieb startete und wie es danach lief, dazu mehr in einer späteren Ausgabe. Fortsetzung folgt: Was ich beim Umstieg auf Abwehr lernen musste

    2 Kommentare

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