EM-Blog: Entgegen dem olympischen Trend
Die Team-EM, die ab Sonntag in Kroatien ausgetragen wird, folgt einer langen Tradition. Der olympische Trend weist jedoch in Richtung Mixed-Teamwettbewerbe. Ist bald mit Veränderungen zu rechnen?

Team-Europameisterschaften, so wie sie am Sonntag im kroatischen Zadar eröffnet werden, gibt es schon seit den Fünfzigerjahren. Lange Zeit wurden sie in einem Aufwasch mit den Individualmeisterschaften ausgetragen, erstmals 2014 in Lissabon gewährte man dem Teamwettbewerb eine eigene Bühne. Was in all den Jahren und bis heute gleich geblieben ist: Die Damen und Herren einer Nation bilden jeweils eigene Mannschaften - gemischte Teams gab es nie. So wird es auch in Zadar sein, woran erst einmal nichts Ungewöhnliches ist. Die Frage lautet eher: Wird dieser Wettbewerb noch lange so fortgeführt oder wird er irgendwann durch einen Mixed-Team-Wettkampf ersetzt oder ergänzt? Und wäre das wünschenswert oder sollte man alles so lassen, wie es ist?
Folgt man den olympischen Entwicklungen?
Diese Überlegungen resultieren aus der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) im April, bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles die Damen- und Herren-Teamwettbewerbe abzuschaffen, dafür Damen- und Herren-Doppel und eine Mixed-Teamkonkurrenz zu spielen. Die nur alle vier Jahre ausgetragenen Olympischen Spiele sind das prestigeträchtigste Event, das ein Sportler in seiner Karriere gewinnen kann. Drum ist es nicht verwegen, davon auszugehen, dass diese Entscheidung auch die restliche Landschaft im Tischtennis-Leistungsbereich verändern wird. Und dass man gut beraten ist, möglichst schnell auf den neuen Zug aufzuspringen (zum passenden Blog kurz nach der IOC-Entscheidung). Seit April ist jedoch in diesem Bereich nicht mehr viel passiert. Die getrenntgeschlechtliche EM findet ab Sonntag in Kroatien statt, im Mai wird die getrenntgeschlechtliche WM in England ausgerichtet - ob das auch künftig so sein wird sowie Details zum olympischen Mixed-Team-Wettbewerb sind auch den Verbandsverantwortlichen noch immer nicht bekannt (siehe den Artikel „Team der Zukunft“ in der Oktober-Ausgabe des Magazins tischtennis).
Man scheint selbst noch nicht so recht zu wissen, was nun der richtige Weg ist. Folgt man dem IOC und passt seine prestigeträchtigen Mannschaftswettbewerbe an, so dass es künftig auf allen Ebenen nur noch gemischte Team-Events gibt? Oder bleibt man seinen seit Jahrzehnten etablierten Traditionen treu und kürt weiterhin Welt- und -Kontinentalmeister im Damen- und Herren-Team, aber nicht im Mixed-Team? Für die erste Variante spricht eine gewisse Kohärenz im Wettkampfkalender. Bislang gab es sowohl einen Europa- und Weltmeister als auch einen Olympiasieger in den getrenntgeschlechtlichen Mannschaften. Ein Wettkampf auf der einen Ebene konnte als Vorbereitung und Vorzeichen für die nächste Ebene gelten. Die Bedeutung einer WM und EM für Damen- und Herren-Teams könnte dagegen schwinden, wenn in dieser Disziplin keine Olympia-Titel mehr gewonnen werden können - so wie die Bedeutung des Mixed Team World Cups, der bereits zweimal mit mäßigem internationalen Interesse in China ausgetragen wurde, künftig sicher steigen wird.
Keine weiteren Wettbewerbe einführen
Für die zweite Variante spricht die jahrzehntelange Erfolgsgeschichte dieser Konkurrenzen, die Fans auf der ganzen Welt begeistern. Never change a running system - zumal nicht gesagt ist, dass das IOC dauerhaft auf diesem Weg bleibt und das olympische Programm nicht vielleicht 2032 schon wieder umstellt. Wie sich die ITTF und die Kontinentalverbände auch entscheiden mögen, die dritte Variante, eine zusätzliche Einführung, sollte man in meinen Augen nicht wählen: Im Turnierkalender tummeln sich schon so viele Events, ob auf WTT-, ITTF-, ETTU- oder nationaler Ebene, dass die Spieler jetzt schon kaum mehr wissen, wie sie all dem gerecht werden sollen. Und auch die Zuschauer sind langsam, aber sicher überfordert. Eine Mixed-Team-WM und -EM oben drauf würden diese Situation nur noch verschärfen. Dann lieber den konsequenten Schritt gehen und die getrenntgeschlechtlichen Meisterschaften durch Mixed-Konkurrenzen ersetzen - und im schlimmsten Fall zur Rolle rückwärts bereit sein. Es wäre im Tischtennis nicht das erste Mal.
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