Beim vorgestellten Trainingsdesign beginnen die Spieler eigenständig mit einer neuen Übung (©Fabig)
07.07.2015 - Nachdem Martin Adomeit in der vorigen Woche eine Reihe von unterschiedlichen Wechselmethoden im Technik- oder konditionellen Bereich vorgestellt hat, um das Training interessanter, abwechslungsreicher und effektiver zu gestalten, stellt er heute die Fortschreibung dessen im Gebiet Taktik vor. Exemplarisch geht er die Möglichkeiten eines alternativen Trainingsdesigns an einer Einheit gegen vorhandorientierte Spieler durch.
Der Wechsel der Übungen erfolgt rein aufgaben- und zielorientiert - losgelöst von den üblichen Zeitschemata. Das heißt, Spieler beschäftigen sich mit Lösungsmöglichkeiten, die sie noch nicht so gut beherrschen, länger als mit denen, die bereits gut beherrscht werden. So wird auch in der Halle in völlig unterschiedlichen Rhythmen und Zeitabläufen trainiert. Bedingung hierfür ist, dass die Gegner beim Training in etwa das gleiche Niveau haben - alternativ können die Punktvorgaben verändert werden. Gleichzeitig ist es organisatorisch vonnöten, dass die Spieler die Übungen am Laptop, auf Ausdrucken oder an der Tafel einsehen können, um selbstständig damit zu beginnen. Denn sonst wäre der Coach ständig mit dem Erklären der Übung beschäftigt und hätte keinerlei Kapazitäten mehr, um den Spielern auch am Tisch helfen zu können.
Diese Art von Übungen und Trainingsverläufen bedingt eine gewisse Gewöhnungsphase, auch daran, Übungen überhaupt zu verstehen und - besonders wenn die Übungen nur in schriftlicher Form vorliegen - eine gewisse Fähigkeit, Textbaustein in praktische Vorstellungen umzuwandeln. Zeichnungen, die das Ganze unterstützen, helfen dabei. Zu Beginn wirkt alles ungeheuer kompliziert, aber auch die unten stehenden Übungen können und sind von neun- und zehnjährigen Kindern schon genau so umgesetzt worden. Auffällig ist, dass Spielern mit höherer Spielfähigkeit diese Übungen und besonders deren Verständnis deutlich leichter fallen als schwächeren Spielern. Dies zeigt, dass schon der Prozess des Verstehens der Übung ein wichtiger Teil des Trainingsprozesses ist, um die Spielfähigkeit zu erhöhen.
Genau hierum geht es im taktischen Training. Die kognitiven Fertigkeiten und Fähigkeiten sollen gesteigert werden. Zunächst als rein kognitiver Prozess während des Verstehens der Übung, dann während der körperlichen Aktivität des Tischtennisspielens. Genau um diesen Prozess geht es nachher beim Wettkampf, wenn der Athlet seine technischen Fertigkeiten möglichst clever einbringen soll. Auch dies ist, wie so vieles andere im Leben, Übungssache. Wichtig für die Qualität der Übungen ist nicht, dass sie möglichst schnell gemeinsam absolviert werden, sondern dass der eine Spieler versuchen soll, den Erfolg des anderen zu verhindern, genau wie im Wettkampf auch. Wenn eine Übung schnell absolviert wird, ist es aus Sicht des Spielers, der die Übung schnell absolviert, eine gute Leistung, aus der Sicht des anderen, der es verhindern soll, katastrophal schlecht.
Wenn die Übungen ‚schlecht‘ laufen, ist dies ein Zeichen dafür, dass die taktischen Fähigkeiten der Spieler dringend zu trainieren sind. Vielleicht sind dann Vorübungen nötig, die dies etwas erleichtern. Wenn das Verständnis während der Übung ansteigt, ist das ein Zeichen des guten Trainingseffektes.
Exemplarische Einheit zum Spielen gegen VH-Griff
Ziel: Taktische Verbesserung des Spiels gegen VH-Griff
10´ Aufwärmen
10´ Einspielen
1. Übung:
Aufschlagplatzierung (lang) gegen VH-Griff
Spieler A: LA in Ecken Spieler B: VHT überall
(KA in VH - frei)
frei
Wechsel nach Punkten Spieler A:
- 8 x direkt mit LA
- 4 x mit 2. Ball
- 1 x in längeren Ballwechseln
- 1 x mit oder nach KA
Wenn beide die Spieler die Übung erfüllt haben, folgt die 2. Übung.
2. Übung:
Aufschlagplatzierung in VH (kurz oder lang gegen VH-Griff)
Spieler A: KA/LA in VH Spieler B: LR in RH/Mitte
(LA in Mitte RH - VHT - frei) (KR - frei)
frei
Wechsel nach Punkten Spieler A:
- je 2 Punkte direkt mit KA und LA
- je 3 Punkte mit 2. Ball nach KA und LA
- 2 Punkte in längeren Ballwechseln
- 1 Punkt mit LA in Mitte RH
Wenn beide Spieler die Übung erfüllt haben, erfolgt die 3. Übung.
3. Übung:
Rückschlagplatzierung auf KA (kurz VH, lang RH)
Spieler A: KA in VH Spieler B: KR in VH/Sch in RH
(LA in RH - frei)
VHT in RH/F in VH T/B eine Ecke
frei
Wechsel nach Punkten Spieler B:
- je 3 x mit KR in VH, Sch in RH
- je 2 x mit 2. Ball in VH, RH
- 1 x in längeren Ballwechseln
- 1 x nach LA in RH
4. Übung:
Rückschlagplatzierung auf KA (lang eine Ecke)
Spieler A: KA in Mitte Spieler B: LR eine Ecke
(LA in Mitte - frei) (KR in VH - frei)
VHT in Mitte B/T andere Ecke
frei
Wechsel nach Punkten Spieler B:
- je 3 x mit LR in VH, RH
- je 2 x mit B/T andere Ecke
- 1 x in längeren Ballwechseln
- 1 x nach LA in Mitte
- 1 x mit KR in VH
5. Übung:
Platzierung 1. Topspin
Spieler A: KA in VH Spieler B: LR in 2/3 VH
(LA in Ecke - frei) (KR - frei)
VHT eine Ecke
frei
Wechsel nach Punkten Spieler A:
- je 3 x mit 1. T in VH, RH
- 1 x in längeren Ballwechseln
- 1 x mit LA in Ecke
- 1 x nach KR
6. Übung:
Platzierung 1. Topspin
Spieler A: KA überall (LA - frei) Spieler B: KR in VH (LR in eine Ecke - frei)
Sch/F in Mitte/RH T in eine Ecke
frei
Wechsel nach Punkten Spieler B:
- 1 Punkt mit KR
- 3 Punkte mit 1. T in RH
- 5 Punkte mit 1. T in VH
- 2 Punkte in längeren Ballwechseln
- 1 Punkt nach LA
- 2 Punkte mit LR in Ecke
7. Übung:
Auflösung kurz-kurz gegen VH-Griff
1 - 4 x kurz-kurz (Spieler B: lange Auflösung - frei)
Spieler A: sSch/F in Ecken Spieler B: VHT
frei
Wechsel nach Punkten Spieler A:
- je 3 Punkte mit sSch oder F in jede Ecke
- 2 Punkte in längeren Ballwechseln
- 1 Punkt nach langer Auflösung Spieler B
Abschlussspiel wieder für alle gemeinsam, egal, wie weit sie gekommen sind
Kaiserspiel
Sonderregel: Rückschlag muss mit VH erfolgen, der Aufschläger seinen 2. Ball mit VH spielen.
Zum pdf-Download des Trainingstipps
(Martin Adomeit)
Der Auto
Martin Adomeit war Nationaltrainer in drei Ländern (Deutschland, Luxemburg und Belgien) und gewann mit allen Nationen Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften. 1998 wurde er in Deutschland Trainer des Jahres. Jetzt arbeitet der 51-jährige Lippstädter als freiberuflicher Trainer. Er führt unter anderem Lehrgänge für Vereine, Bezirke oder Verbände durch, gibt Einzeltraining und betreibt einen TT-Shop. International betreute er zuletzt Quadri Aruna beim World Cup in Düsseldorf. Zu erreichen ist Martin per Telefon unter 02941-273385 oder per mail unter lippstadt@tt-store.de. Die Adresse der Webseite ist www.lippstadt.tt-store.de.
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