Buntes

Materialkomitee: "Zweite Plastikball-Generation wird besser sein"

In Kürze wird eine zweite Generation von Plastikbällen auf den Markt kommen (©Fabig)

30.11.2016 - Auch fast zweieinhalb Jahre nach seiner Zulassung als offizielles Spielgerät stehen dem Plastikball viele Spieler eher noch skeptisch gegenüber, haben zum Teil schlechte Erfahrungen gemacht. In Kürze wird nun die zweite Generation des Plastikballs auf den Markt kommen. Von Dr. Torsten Küneth, dem Mitglied des ITTF-Materialkomitees, wollten u.a. wir wissen, wie die Qualität bei dieser Ballgeneration ist, wann die Preise sinken und orange Bälle auf den Markt kommen.

myTischtennis: Die Einführung des Plastikballs wurde zu Beginn bereits vom Jahr 2012 auf 2014 verschoben. War selbst das im Nachhinein noch zu früh?

Dr. Torsten Küneth: Nein, selbst, wenn wir die Einführung noch einmal um drei Jahre nach hinten verschoben hätten, wäre das gleiche passiert. Die Umstellung von einem auf ein ganz anderes Produkt ist immer mit Kinderkrankheiten verbunden. Jeder Projektmanager aber weiß: Man muss eine Deadline setzen, um ein Projekt fertigzustellen. Das soll nicht überheblich klingen, aber ich verstehe es, wenn Menschen Angst vor Veränderungen haben. Ich verstehe daher auch die Kritik am Plastikball. Aber wir kommen an ihm nicht vorbei. Irgendwann mussten wir auf die Situation reagieren, dass die Produktion und der Transport des Zelluloidballs mit immer größerem Aufwand und Einschränkungen verbunden sind. Dass in der ersten Phase der Einführung des Plastikballs nicht alles rund laufen würde, dessen waren wir uns bewusst. Ich verstehe die Unsicherheit im Bezug auf den Plastikball und bin sicher, dass sie vorbeigehen wird.

myTischtennis.de: Sie sind nicht nur Teil des ITTF-Materialkomitees, sondern auch selbst Amateurspieler. Welche Entscheidung des Bundestags bezüglich des verpflichtenden Einsatzes des Plastikballs hätten Sie sich als Spieler gewünscht? Die Saison 2017 oder 2019 als Startzeitpunkt?

Dr. Torsten Küneth: Das war mir eigentlich fast egal. Vor zwei Jahren habe ich mit dem Plastikball der ersten Generation trainiert und keinen großen Unterschied festgestellt. Als Spieler habe ich das Ganze mit Gelassenheit betrachtet.

myTischtennis.de: In Kürze kommt nun die zweite Generation der Plastikbälle auf den Markt...

Dr. Torsten Küneth: Das stimmt. Die Rohfassung dieser Bälle haben die Hersteller bei der WM 2015 präsentiert. Ins Zulassungsverfahren kamen die Bälle zu Beginn der Saison 2015/2016. Alle haben die Zulassungstests bestanden. Wir wissen also, dass an Verbesserungen gearbeitet wurde und wird. Wir können aber nicht verbieten, dass Bälle der ersten Generation weiter verkauft werden. Wie lange die Übergangsphase zur zweiten Generation dauert, kann man nicht sagen. Wenn 2019/2020 der Plastikball Pflicht sein wird, werden aber längst die Bälle der zweiten Generation verbreitet sein.

myTischtennis.de: Die Qualität dieser zweiten Generation soll besser sein. Wie äußert sich das und welche Maßnahmen wurden oder werden grundsätzlich ergriffen, um die Qualität der Plastikbälle zu verbessern?

Dr. Torsten Küneth: Die Materialmischung wurde komplett geändert, was ein Durchbruch war, gerade im Hinblick auf die Haltbarkeit. Ich war bei Tests dabei, bei denen die Plastikbälle der ersten Generation mit einem Holzschläger auf einen Betonboden geschlagen wurden und nach einer geringen Anzahl von Schlägen kaputtgingen. Die Plastikbälle der zweiten Generation sind beim gleichen Test erst nach über 100 Schlägen kaputtgegangen.

myTischtennis.de: Wie gewährleistet die ITTF einen hohen Standard bei den Bällen?

Dr. Torsten Küneth: Stichprobenartig werden Bälle in Shops auf der ganzen Welt eingekauft. Diese werden in verschiedenen Labors alle nach den gleichen Spezifikationen getestet. Sobald die Bälle der zweiten Generation auf dem Markt sein werden, werden wir diese natürlich auch ausgiebig testen.

myTischtennis.de: Vielfach wird noch darüber geklagt, dass sich die Plastikbälle selbst stark voneinander unterscheiden. Wird sich das in Zukunft mit der neuen Materialmischung ändern?

Dr. Torsten Küneth: Nach meiner Kenntnis ja. Die Hersteller, bei denen das Produktionsverfahren ähnlich war, aber die Materialmischung anders, haben in diesem Punkt ähnliche Wege gefunden.

myTischtennis.de: Wie wird man die Bälle der ersten und der zweiten Plastikball-Generation beim Kauf unterscheiden können?

Dr. Torsten Küneth: Auf der ITTF-Zulassungsliste (old.ittf.com->Equipment->Balls, Anm. d. Red.) steht immer dabei, wann der Ball zugelassen wurde – mit der genauen Bezeichnung des Balls – also der, die auch auf den Ball gedruckt wird. Wer Wert darauf legt, dass er die Bälle der verschiedenen Generationen auseinanderhalten kann, wird auf unserer Liste nachschauen können. Auch Online-Händler werden bei ihren Angebotsseiten sehr wahrscheinlich die genaue Bezeichnung des Balls angeben.

myTischtennis.de: Die erweiterten Toleranzgrenzen im Vergleich zum Zelluloidball für die Bereiche Härte, Rücksprunghöhe und Gewicht wurden im Januar 2016 abgeschafft. Was war der Hintergrund dieser erweiterten Toleranzgrenzen und wird sich der Plastikball in seinen Spieleigenschaften nun an den Zelluloidball weiter annähern?

Dr. Torsten Küneth: Den Herstellern wollte man zu Beginn Zeit für Forschung und Weiterentwicklung geben und hat bis Januar 2016 eine Frist gesetzt. Das wurde z.B. auch in Zustimmung mit der Athletenkommission gemacht. Zum 1. Januar 2016 sind diese erweiterten Toleranzgrenzen ausgelaufen. Seitdem bestehen wieder nahezu die gleichen Toleranzen wie beim Zelluloidball. Diese konnten bei allen Plastikbällen der zweiten Generation eingehalten werden. Die ITTF arbeitet im Übrigen gerade an weiteren Testverfahren z.B. für die Reibung, um die Eigenschaften der Bälle noch weiter zu vereinheitlichen.

myTischtennis.de: Wann sinken die Preise für die Plastikbälle?

Dr. Torsten Küneth: Da gilt für uns als Weltverband: Der Markt soll die meisten Dinge selbst regeln. Es ist schwierig, den Herstellern die Geschäftsstrategie vorzugeben. Wir haben gegenüber diesen aber ausgedrückt, dass sie auch in ihrem Interesse die Preisunterschiede zwischen Plastik- und Zelluloidbällen im Auge behalten sollten. Zwischen den Zeilen soll die Botschaft dann sein: Wer seine Chargen bestmöglich optimiert und für den besten Preis verkauft, der wird einen Vorteil haben. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Entwicklung des Plastikballs die Hersteller zweistellige Millionenbeträge gekostet hat. Diese Kosten müssen erst einmal wieder eingenommen werden. Sobald die Hersteller erkennen, dass sie das schaffen, gehen wir daher davon aus, dass die Preise weiter fallen. Die Plastikbälle sind ja bereits nicht mehr so teuer wie noch am Anfang.

myTischtennis.de: Ist es absehbar, wann orange Bälle auf den Markt kommen?

Dr. Torsten Küneth: Uns wurde ein oranges Modell zur Zulassung eingereicht, aber dabei gab es noch Probleme mit der Rundheit. Die Hersteller waren in den letzten Jahren ganz massiv mit der Optimierung des Plastikballs an sich beschäftigt und nicht mit der Produktion einer zweiten Farbe. Theoretisch könnte die Stimmung auch sein: „Wenn die orangen Bälle eine Nische sind, stellen wir keine her“. Eine so große Nachfrage nach orangen Bällen war möglicherweise nicht erwartet worden. Wir als ITTF könnten in dem Fall wenig machen, gehen aber nicht von diesem Szenario aus. Wir gehen davon aus, dass bei der zweiten Generation der Plastikbälle orange Bälle nachkommen.

myTischtennis.de: Ist die Produktion von orangen Bällen denn so ein zusätzlicher Aufwand für die Hersteller?

Dr. Torsten Küneth: Es ist kein grundlegend anderes Verfahren, aber es ist halt ein zusätzlicher Prozessschritt. Die Materialien sind aber die gleichen.

myTischtennis.de: Wo liegen denn die größten Unterschiede bei Bällen mit Naht und nahtlosen Bällen – logischerweise abgesehen von der Naht? Wird es auch vorerst weiterhin beide Varianten geben?

Dr. Torsten Küneth: Die Gewichtsverteilung verhält sich unterschiedlich. Die Bälle ohne Naht springen höher ab und haben selbst eine gleichmäßigere Härte als z.B. der Zelluloidball. Egal, ob mit Naht oder ohne, alle Bälle sind an die gleichen Toleranzgrenzen gebunden. Es wird vorerst ‚zweigleisig’ mit beiden Ballarten weitergehen, so mein Eindruck.

(DK)

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