Pro vs. Contra

Pro vs. Contra: Mixed als Disziplin der Zukunft?

Ein tolles Paar - auch im Mixed: die neuen Europameister Joao Monteiro und Daniela Monteiro Dodean (©Fabig)

24.10.2016 - Die Europameisterschaften in Budapest haben es vorgemacht: Der Mixed-Wettbewerb macht sich auch bei der großen EM sehr gut und muss nicht separat ausgetragen werden. Doch kann und sollte es diese Disziplin schaffen, auch in Zukunft im Hobby- und Profibereich - und gar bei den Olympischen Spielen - mehr zum Einsatz zu kommen? Jan Lüke und Lennart Wehking diskutieren im Pro vs. Contra die Vor- und Nachteile.

PRO:

Die Olympischen Spiele sind im Leistungssport das Nonplusultra. Sie sind der Karrierehöhepunkt im Leben einer jeden Sportlerin und eines jeden Sportlers. Nicht minder wichtig sind sie auch für den organisierten Sport selbst, richtet sich der Förderrahmen für die Sportverbände, sprich das Geld, fast ausschließlich nach dem sportlichen Abschneiden beim olympischen Kräftemessen. Nun macht sich das höchste Gremium des internationalen Sports, das IOC, Gedanken über die Einführung einer dritten olympischen Disziplin im Tischtennis. Traut man den Gerüchten, geht es dabei um das Mixed-Doppel. Olympische Medaillen für die besten gemischten Doppel dieser Welt? Eine fantastische Idee! 

Meine positive Bewertung dieses möglichen mutigen Schritts des IOC müsste ich mit dem Verweis auf eine immense finanzielle und mediale Wertsteigerung unserer Sportart insgesamt durch einen weiteren olympischen Wettbewerb eigentlich gar nicht weiter begründen – ich mache es trotzdem gerne! Denn: Das gemischte Doppel ist eine Disziplin, die eine ganz neue Facette in unseren Sport bringen kann – und, nicht zu vergessen: Es schon mal getan hat. 

Damen- und Herrentischtennis haben wenig gemein, wird zumindest immer behauptet. Mehr Rotation und Tempo bei den Männern, eine höhere Ballsicherheit und mehr Spielsystem-Variationen bei den Frauen. Allein diese Kombination an einem Tisch sorgt für Spannung, weil eine perfekte Abstimmung und die cleverste Taktik stärker wiegen als die Einzelspielstärke der Beteiligten. Nicht von ungefähr setzte sich bei den kontinentalen Titelkämpfen vor einigen Tagen das Ehepaar Monteiro/Dodean die Krone auf. Falls das gemischte Doppel in der Zukunft wirklich olympisch glänzt, kann ich es kaum erwarten zu sehen, wie sich sämtliche Topspieler  positionieren, von denen die meisten die Neuauflage bei der EM ja gemieden haben. 

Doch nicht nur im Spitzenbereich würde die Wiederbelebung des Mixed Impulse setzen, auch im Amateurbereich könnten viele ihren Gefallen an dieser Disziplin finden – da bin ich mir sicher. Die Mischung der Geschlechter macht sicherlich auch für das Spiel in unteren Klassen seinen Reiz aus und könnte auch für eine Veränderung in der Trainingskultur sorgen. Für mich steht deshalb fest: Wird das gemischte Doppel im Spitzenbereich gepusht, könnte die Basis nachziehen. Vielleicht hat man auch im zähen Ringen um den Nachwuchs gegenüber anderen Sportarten, bei denen die Geschlechtertrennung gar nie aufgehoben werden wird, einen Vorteil. Unsere Schwester-Sportarten Badminton und Tennis nutzen die Chancen dieser Disziplin jedenfalls schon länger. Grundsätzlich würde es gerade in Deutschland mit Blick auf den Breitensport Sinn ergeben, wieder öfter ans Mixed zu denken. Dass in absehbarer Zeit Frauen auch überkreislich uneingeschränkt die Spielberechtigung für Herrenmannschaften bekommen könnten, ist längst kein fernes Gedankenexperiment mehr. Es wird Teil einer Möglichkeit werden, um den Wettkampfsport auch in unteren Klassen für alle Aktiven am Laufen zu halten. 

Meine Einschätzung basiert übrigens auch auf eigener Erfahrung: Einen der spannendsten Mannschaftswettkämpfe habe ich in meiner Zeit in Frankreich erlebt. Bei den dortigen Hochschulmeisterschaften durfte ich im Mannschaftswettkampf Seite an Seite mit einem Mannschaftskollegen und der besten Dame der Hochschule um Punkte für die Unitruppe aus Montpellier zocken. Neben dem Einzel und Doppel wurde in der Spielreihenfolge auch das gemischte Doppel prominent platziert und war nicht nur für die Zuschauer oft das Highlight im Matchplan. 

Bei all der Zukunftsmalerei ist klar, dass der Erfolg der Disziplin davon abhängt, wie stark die Anstrengungen von Verbandsseite wären – insbesondere im Hinblick auf die sehr akute Terminfülle. Wenngleich ich mir sicher bin: Für eine Priorisierung würde dann schon Olympia sorgen. 

(Lennart Wehking)

CONTRA:

Kramt man tief in der Kiste der Altherrenwitze, findet man dort diesen, nun ja, sagen wir, Scherz über das Mixed. Das sei ja so was wie ein Herren-Einzel mit Damen-Behinderung. Höhö. Ach, wie witzig. Selten so gelacht - nicht! Tatsächlich bin ich der Meinung, dass dem Mixed oftmals Unrecht getan wird. Ich halte das Mixed, ohne selbst allzu oft die Gelegenheit bekommen zu haben, es zu spielen, grundsätzlich für eine spannende Sache mit großem Mehrwert für den Tischtennissport. Nichtsdestotrotz und vielleicht auch gerade deswegen: In meinen Augen ist es ein Schritt in die vollkommen falsche Richtung, dass das gemischte Doppel in diesem Jahr wieder mit ins EM-Programm aufgenommen wurde.

Die Beweggründe des Europa- und Weltverbandes sind eindeutig. Die Tür für eine dritte olympische Disziplin bei den Olympischen Spielen steht einen kleinen Spalt weit offen – und Tischtennis versucht, sich dort reinzudrücken. Neben Einzelwettkämpfen und Mannschaftswettkämpfen, die erst 2004 eingeführt wurden, für die aber wiederum das Doppel gestrichen wurde, könnte schon in Tokio 2020 erstmals ein fünfter Satz Medaillen für die Tischtennisspieler ausgeschüttet werden. So jedenfalls die Gerüchte, die die Runde machen. Das würde die Bedeutung des Tischtennissports in der olympischen Familie stärken – und hätte aus vielen Richtungen einen finanziellen Benefit für unseren Sport zur Folge.

Es ist von außen betrachtet schwer zu sagen, ob die auf den ersten Blick etwas planlos wirkende Wiederaufnahme des Mixed-Doppels ins EM-Programm mit Blick auf die Olympischen Spiele und das IOC tatsächlich etwas bringen wird. Ich bezweifele es. Denn eigentlich zäumt man hier das Pferd von hinten auf. Im Tischtennis besteht für die Disziplin Mixed keine entsprechende Kultur. Man kann fast sagen: gar keine. Das gemischte Doppel ist derzeit eine tote Disziplin. Abgesehen von den wenigen Großereignissen wie EM oder WM gibt es keine Wettbewerbe, nicht einmal bei den Deutschen Meisterschaften wird das Mixed ausgespielt. Und wenn es dann mal Wettbewerbe gibt, werden sie zumeist von den besten Spielerinnen und Spielern nicht wahrgenommen.

Warum auch? Die haben mit einem übervollen Turnierkalender ohnehin schon viel zu viel zu tun, als dass sie den mit einer weiteren Disziplin zuschütten könnten. Das gilt schon fürs Doppel, das im professionellen Tischtennis im letzten Jahrzehnt stark an Bedeutung verloren hat. Das gilt fürs Mixed noch viel mehr. Sogar die Chinesen, die das Mixed-Doppel zumindest lange kultivierten, lassen mit ihren besten Spielern mittlerweile davon ab. Sie schicken bei der WM mittlerweile ihre junge zweite Garde ins Rennen. Das beste Beispiel für den Abwärtstrend des Mixed aber war die zuletzt als eigenständiges Turnier abgekoppelte Mixed-EM: Die hing fast wie ein Sidekick zum ‚großen‘ Tischtennis an ihrer einstigen Kernsportart. Als erweitertes Spaßturnier, an dem sich wenige Spezialisten aus noch weniger Nationen versuchten.

Wenn man die Disziplin Mixed fördern und etablieren möchte, dann sollte man von Verbandsseite aus auch bereit sein, ihr ernsthaft Raum zur Entwicklung zu schenken. Hat man diesen Raum nicht, und danach sieht es derzeit doch stark aus, dann sollte man meiner Meinung nach darauf verzichten. Ein- oder zweimal im Jahr einen Mixed-Wettkampf an ein Turnier anzuheften, ist jedenfalls alles andere als ein nachhaltiger Weg, dieser Disziplin auch nur im Ansatz gerecht zu werden. Und das hätte sie sich eigentlich verdient.

(Jan Lüke) 

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