Buntes

TT richtig abbilden: Von Kamerapositionen und -perspektiven

Die richtige Kameraposition: Ein hitziges Thema (©Roscher)

06.08.2015 - Die fehlende TV-Präsenz des Tischtennissports war bei uns schon häufiger ein Thema. Als ein Grund dafür wurde z.B. in Gesprächen mit TV-Sendern angeführt, dass sich die Atmosphäre des Sports nur schlecht transportieren ließe. Inwiefern spielen die Kameraperspektiven dabei eine Rolle und welche ist die vermeintlich beste? Wir stellen eine interessante Abhandlung zum Thema und die Argumente der ITTF vor.

„Fußball ist Arbeit, Tennis ist Sport, Tischtennis ist Kunst“ lautet ein Spruch, der vielen Tischtennis-Spielern bekannt sein dürfte. Doch wie viel von der 'Magie', die am Tisch erzeugt wird, kann durch TV-Kameras auch letztlich an den Bildschirm zu Hause übertragen werden? Wie viel davon kommt beim Zuschauer an? Der stellvertretende Sport1-Chefredakteur Alexander Wölffing merkte vor wenigen Monaten im myTischtennis.de-Interview im Zusammenhang mit der fehlenden TV-Präsenz des Sports an: „Das Hauptthema beim Tischtennis ist die Kunst. Diese Geschwindigkeit, dieser Wahnsinn lässt sich – genau wie beim Eishockey – nur schwer im TV herüberbringen. Dieses Problem wird Tischtennis immer haben, auch wenn der Faktor ‚deutsche Helden’ mit Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov zumindest gegeben ist.“

Abhandlung über das Filmen von Tischtennis
Dass sich die Geschwindigkeit des Tischtennis nur schwer transportieren lässt, stellte auch Sony-Entwickler Jota Ito fest. Er beschäftigte sich intensiv mit dem Thema und verfasste eine Abhandlung über das „Filmen von Tischtennis“, in der er die aktuellen Kamera-Perspektiven infrage stellt und Verbesserungsvorschläge macht. An einer wie der derzeit häufig verwendeten Perspektive, die das Geschehen von leicht erhöhter Position aus dem Rücken des Spielers auffängt, kritisiert der Japaner: „Wenn die Kamera zu weit weg ist, kann das Spiel nur zweidimensional dargestellt werden und nicht im Verhältnis zur Geschwindigkeit des Balls. Wenn die Kamera zu hoch ist, dann ist vor allem der Bildausschnitt zu klein.“

Außerdem achteten die Fernsehanstalten zu sehr auf die Symmetrie des Bildes – beispielsweise, dass das Netz in der Bildmitte zu sehen sei. Am Ende seiner Abhandlung fordert Ito, die Kamera unter Berücksichtigung des Hintergrundes, der nicht zu ‚unruhig’ sein sollte, näher und flacher an das Spielgeschehen heranzubringen. Er schlägt für die ideale Position eine Distanz zwischen Kamera und Tisch von weniger als 12 Metern, einen Höhenwinkel von 10 bis 15 Grad und einen Seitenwinkel von weniger als 20 Grad vor. Sei die aus seiner Sicht optimale Position durch die Gegebenheiten in der Halle auf den ersten Blick nicht einnehmbar, müsse man trotzdem alles daran setzen, die Voraussetzungen dafür durch den richtigen Aufbau der Kameras zu schaffen – selbst dann, wenn das die Sicht mancher Zuschauer in der Halle beinträchtigen könnte.

Derzeitige Position am leichtesten umzusetzen
Warum wechselt der Weltverband ITTF aufgrund solcher Erkenntnisse bei seinen Veranstaltungen nicht wieder zu einer eher diagonalen Kameraposition? Spielt hierbei die Sichtbarkeit der Werbeflächen eine Rolle? Steve Dainton, Marketingchef der ITTF, erklärt auf myTischtennis.de-Anfrage: „Der Hauptgrund, aus dem wir an der derzeitigen Kameraposition festhalten, sind nicht die Sponsoren, sondern, dass wir finden, dass diese Kameraposition für alle unsere Events am besten umsetzbar ist.“ Man könne mit der aktuellen Methode „zu 100 Prozent garantieren, dass das TV-Bild während eines Großteils der Übertragungszeit sauber, klar und frei von störenden Dingen im Hintergrund“ sei. „Natürlich erkennt man die Flugkurve und den Spin des Balls deutlicher bei der diagonalen Kameravariante. Deshalb sagen wir den Fernsehanstalten auch, dass sie diese nehmen sollen, um Slow-Motions und Wiederholungen darzustellen. So kriegen wir eine Balance zwischen einem klaren, konstanten Bild hin und der Möglichkeit, die Schönheit unseres Sports abzubilden“, sagt Dainton.

Grundsätzlich würden die Meinungen beim Thema Kamera-Positionen auseinandergehen. Von manchen Leuten hätte er gehört, der diagonale Winkel sei der beste, um Tischtennis abzubilden. Auf der anderen Seite hätten ihm Fernsehanstalten berichtet, die aktuelle Kameraposition sei die beste, um einen ‚unruhigen’ Hintergrund zu vermeiden, außerdem sehe das auf diese Weise erzeugte Bild auf ihrem Kanal am besten aus. Hans Wilhelm Gäb, DTTB-Ehrenpräsident und ehemaliger ITTF-Vizepräsident, kritisiert den Weltverband im myTischtennis-Interview dafür, dass er an der derzeitigen Kameraposition festhält und nicht zu einem seitlicheren Blickwinkel übergeht. Dainton dazu: "Ich respektiere die Meinung von Hans Wilhelm Gäb und da ITTF-Präsident Thomas Weikert einen ähnlichen Standpunkt wie der 79-Jährige vertritt, wird sich in Zukunft wohl auch etwas in diese Richtung tun."

Fans wünschten sich GoPros und Drohnen
Bei einer Weltmeisterschaft seien laut Steve Dainton für ein Spiel bis zu zwölf Kameras im Einsatz, die abgesehen vom Spielgeschehen auch die Emotionen der Spieler, die Reaktionen der Zuschauer und Trainer und die Schiedsrichter erfassen sowie Aufnahmen von gegenüberliegenden Positionen und Superzeitlupen ermöglichen sollen. Um eine vernünftige TV-Übertragung auf die Beine zu stellen, seien mindestens sieben gewöhnliche Kameras und eine Kamera für die Superzeitlupe erforderlich, erläutert der ITTF-Marketingchef.

Vor nicht allzu langer Zeit rief der Weltverband die Follower seiner Facebook-Seite dazu auf, Vorschläge zu machen, aus welchen Blickwinkeln und auf welche Art sie das Geschehen am Tisch und in der Box gerne einmal verfolgen würden. „Manche Fans wünschten sich, dass wir die Spieler mit GoPros (das sind Action-Kameras, die hauptsächlich im Sport eingesetzt werden, Anm. d. Red.) ausstatten, um das sehen zu können, was die Spieler sehen. Andere wollten die Zeitlupen in Großaufnahme haben, um die Rotation besser sehen zu können. Zudem wurde vorgeschlagen, aus der Vogelperspektive zu filmen, Kamera-Drohnen einzusetzen oder eine Möglichkeit zu finden, die Beinarbeit der Spieler mitverfolgen zu können.“

Manche Ideen nur für Trainingsaufnahmen und Promotionvideos umsetzbar
Die meisten Vorschläge habe die ITTF auch tatsächlich geprüft. Solche, wie das Geschehen aus der Vogelperspektive oder von unterhalb des Tisches zu filmen, seien auch bei einzelnen Turnieren umgesetzt worden. Eine Kamera, die am Netz befestigt ist, und eine andere, die Kantenbälle filmt, seien ohnehin schon vorher dazugekommen. „Andere Ideen für Live-Übertragungen im TV konnten wir dagegen nicht umsetzen, dafür aber für Trainingsaufnahmen oder Promotionvideos verwenden“, so Dainton weiter. Nach neuen Möglichkeiten werde weiter geforscht, z.B. einer Technologie, die es erlaube, die Rotation des Balls während einer Live-Übertragung noch präziser abzubilden. Der Weg dahin sei kein leichter, aber man nähere sich dem Ziel.

Ob Tischtennis auch bald wieder häufiger im deutschen Fernsehen zu sehen sein wird? Dainton wagt das zu bezweifeln: „Leider ist der deutsche TV-Sport-Markt nicht der einfachste, weil die Möglichkeiten im Vergleich zu anderen Ländern zu groß sind. Zumindest ist Deutschland eines der Länder, in denen der Sender Eurosport sehr stark vertreten ist. Zu diesem haben wir eine gute Beziehung, was schon einmal eine gute Basis für mehr ist.“

Hier können Sie aus einer Auswahl von acht Kamerapositionen darüber abstimmen, welche Ihnen am besten gefällt!

(DK)

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