Buntes

Fetzner: "Mussten sogar Geheimnummern beantragen"

Das Weltmeister-Duo: Steffen Fetzner und Jörg Roßkopf (©Roscher)

26.08.2014 - Im Jahr 1989 stellte er zusammen mit Jörg Roßkopf die Tischtenniswelt auf den Kopf: Als Youngster gewann Steffen 'Speedy' Fetzner mit dem jetzigen Bundestrainer bei der Heim-WM in Dortmund die Goldmedaille im Doppel. Im myTischtennis-Interview anlässlich unserer Themenwoche zum Doppel spricht der 46-Jährige über seine Gefühlslage vor dem entscheidenden Matchball, die Bedeutung des Triumphs für den Sport in Deutschland und das Verhältnis zu Jörg Roßkopf.

myTischtennis.de: Herr Fetzner, Sie und Jörg Roßkopf haben ja schon im Jugend-Bereich zusammengespielt und sind 1986 Jungen-Europameister im Doppel geworden. Haben Sie beide früh gemerkt, dass das passsen könnte zwischen Ihnen?

 

Steffen Fetzner: Die ersten Spiele haben gleich gezeigt, dass das passen würde. Da konnte ein Blinder sehen, dass wir spielerisch gut harmonieren. Mitentscheidend war aber auch, dass wir uns privat gut verstanden haben. 

 

myTischtennis.de: Kommen wir gleich auf die Weltmeisterschaft 1989 zu sprechen: Mit welcher Erwartung sind Sie und Jörg Roßkopf damals ins Turnier gegangen?

 

Steffen Fetzner: Man erhofft sich ja immer den größtmöglichen Erfolg. Da wir auch schon ein gutes Doppel waren, die Internationalen Deutschen Meisterschaften gewonnen hatten, dachten wir, wir könnten für eine Überraschung gut sein. Der WM-Titel selbst war aber eher unvorhersehbar. 

 

myTischtennis.de: Im Halbfinale haben Sie das bis dahin drei Jahre lang unbesiegte Doppel Chen Longcan/Wie Quingguang geschlagen. Hätten Sie vor dem Spiel damit gerechnet? 

 

Steffen Fetzner: In dieses Spiel sind wir recht locker gegangen. Wir hatten nichts zu verlieren, sind von der Euphorie-Welle getragen worden. Die Chinesen waren auch irgendwie verunsichert durch die Finalniederlage gegen Schweden. Mit dem Selbstvertrauen, das wir aufgebaut hatten, war dieser Sieg dann möglich.

 

myTischtennis.de: Welche Siegchance hatten Sie sich vor dem Finale gegen Zoran Kalinic/Leszek Kucharski ausgerechnet?

 

Steffen Fetzner: Unser Glück vor dem Finale war, dass wir gar keine Zeit hatten, darüber wirklich nachzudenken. Alle haben uns als Favoriten angesehen, was die Situation natürlich nicht leichter für uns gemacht hat. Dementsprechend verkrampft haben wir begonnen. Wir waren da sehr sehr nervös, aber am Ende ist alles gut gegangen.  

 

myTischtennis.de: Vor dem Finale soll Ihnen Hans Wilhelm Gäb die Goldmedaille gezeigt haben, um Sie schon ein bisschen anzustacheln. Ist das so richtig? 

 

Steffen Fetzner: Das stimmt in der Form nicht. Vor dem Turnier gab es eine Besprechung, bei der eine Goldmedaille herumgegeben wurde. Die war allerdings für die Siegerinnen im Damen-Doppel vorgesehen.

 

myTischtennis.de: Was ist Ihnen vor dem von Jörg Roßkopf verwandelten Matchball durch den Kopf gegangen, nachdem Sie beide zuvor schon drei Bälle hatten liegen lassen?

 

Steffen Fetzner: Man macht sich in einer solchen Situation sicherlich Gedanken. Da waren teilweise Chancen dabei, die wir hätten nutzen müssen. Es ist klar, dass man dann umso nervöser wird. Der knappe Ausgang gehörte aber auch irgendwie mit zur Dramaturgie des Spiels. Wenn der letzte Satz 21:16 ausgegangen wäre, hätten alle gesagt: „Das war ja einfach“. So aber war die Spannung bis zum Hallendach spürbar. Ich glaube, dass es nicht noch mal eine vergleichbare Stimmung in einer Halle in Deutschland gab. Nach dem Matchball hat sich die ganze Freude schließlich entladen.

 

myTischtennis.de: Was ist an der Anekdote dran, dass Ihnen Ihre Mutter noch vor der Siegerehrung einen Zettel mit der Nationalhymne zugesteckt hat, damit Sie auch ja textsicher waren?

 

Steffen Fetzner: Gar nichts. Das habe ich auch vor kurzem irgendwo gelesen und musste etwas schmunzeln. 

 

myTischtennis.de: Nach dem Spiel wurden Sie noch vor den Bundesliga-Übertragungen in das aktuelle sportstudio des ZDF geschaltet. Wie war das damals?

 

Steffen Fetzner: Die Bedeutung dessen haben wir damals gar nicht so wahrgenommen. Wir haben da jede Interview-Anfrage ganz normal angenommen, wie vorher auch. Man schwebt in diesem Moment auf einer Euphorie-Welle und begreift erst später, was um einen herum passiert.

 

myTischtennis.de: Wie sehr hat der WM-Triumph den Tischtennissport in Deutschland verändert und wie stark auch die Wahrnehmung des Sports hierzulande?

 

Steffen Fetzner: Durch den WM-Triumph nahm das Interesse der Medien enorm zu und dadurch konnten Sponsoren an Land gezogen werden. Insgesamt kann man sagen, dass der Erfolg zu einer Professionalisierung des Tischtennissports in Deutschland geführt hat. 

 

myTischtennis.de: Wie war das mit dem Hype um Ihre Person? Sind Sie in der Zeit danach auf der Straße angesprochen worden? 

 

Steffen Fetzner: Dadurch, dass die WM in Dortmund stattfand, war der Hype schon groß. Ja, wir wurden in der Woche danach teilweise auf der Straße angesprochen. Wir mussten sogar unsere Telefonnummern wechseln und Geheimnummern beantragen. Für uns folgten einige Fernsehauftritte, am Samstag nach dem Erfolg waren wir dann z.B. auch vor Ort im aktuellen sportstudio geladen. Außerdem standen einige Werbeauftritte auf dem Programm. 

 

myTischtennis.de: Im Jahr 1997 trennte sich Jörg Roßkopf vorläufig von Ihnen als Doppelpartner. Kam die Trennung überraschend? Wie haben Sie das damals empfunden?

 

Steffen Fetzner: Die Trennung war in gewisser Weise vorprogrammiert durch meinen Wechsel nach Berlin zwei Jahre zuvor. Vladimir Samsonov spielte damals in Düsseldorf mit Jörg zusammen Doppel und es war ein logische Entscheidung, dass beide dann auch international zusammen starten würden. Es war damals an der Zeit zu sagen, dass Jörg und ich etwas Neues ausprobieren. 

 

myTischtennis.de: Im Jahr 2009 sind Sie bei den Deutschen Meisterschaften noch einmal gemeinsam mit ihm an den Tisch gegangen. Wie kam es zu dieser Idee?

 

Steffen Fetzner: Das war eine kleine PR-Aktion für die Deutschen Meisterschaften, ohne große Ambitionen. Da haben wir 20 Jahre nach dem WM-Titel in Dortmund beschlossen, noch einmal zusammen Doppel zu spielen. 

 

myTischtennis.de: Im Einzel haben Sie bereits an der Senioren-EM teilgenommen. Ist vielleicht ein Doppel mit Jörg Roßkopf bei einem solchem Turnier geplant? 

 

Steffen Fetzner: Das würde ich jetzt erst einmal ausschließen. Die Sache bei den Deutschen Meisterschaften 2009 war da doch eher eine PR-Aktion mit einmaligem Charakter. 

 

myTischtennis.de: Wie ist Ihr Verhältnis zu Jörg Roßkopf heutzutage?

 

Steffen Fetzner: Das ist nach wie vor sehr gut. Wir telefonieren häufig, haben engen Kontakt und sehen uns durch unsere Verpflichtungen innerhalb des Sports oft bei internationalen Turnieren. 

 

myTischtennis.de: Als abschließende Frage würden wir gerne Ihre Meinung hören: Das Doppel scheint eine immer untergeordnetere Rolle zu spielen bei Mannschaftswettkämpfen, wird z.B. in der Bundesliga oder auch bei der Mannschafts-WM gar nicht mehr gespielt. Was denken Sie darüber?

 

Steffen Fetzner: Das Doppel hat sicherlich enorm an Wert verloren. In den Doppel-Wettbewerben treten die besten Einzelspieler nicht mehr an, das finde ich sehr schade. Bei den Individualwettbewerben kann ich es in gewisser Weise verstehen, weil die Belastung der Spieler noch größer geworden ist. Zur unser Zeit gab es aber auch schon viele Spieltermine. Dennoch ist es nachvollziehbar, wenn sich die Spieler auf das Einzel konzentrieren wollen. Ich als jemand, der im Doppel viele Erfolge gefeiert hat, finde diese Entwicklung aber etwas schade.

Die letzten Ballwechsels des WM-Finals 1989 sehen Sie unten noch einmal im Video: 



(DK)

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