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Dietmars Blog: Auch „Borussia reloaded“ ein Erfolgsmodell

Einer der Düsseldorfer Neuzugänge: der 25-jährige Schwede Kristian Karlsson (©Fabig)

23.01.2017 - Der Pokalsieg am vorletzten Sonntag in der ratiopharm Arena Ulm/Neu-Ulm ist für Branchenführer Borussia Düsseldorf beim 25. Triumph alles andere als business as usual gewesen. Den souveränen Titelgewinn dürfen die Rheinländer nach Ansicht unseres Bloggers Dietmar Kramer als Bestätigung für ihre Philosophie und erst recht auch als Beweis für ihre Kompetenz werten.

Düsseldorfer Premieren-Gefühl trotz Silber-Jubiläums
Siegerfotos sehen grundsätzlich weitgehend gleich aus: Aktive jubeln um die Wette, strahlen gemeinsam mit Funktionären und in der Bildmitte ist deutlich eine Trophäe – zumeist in die Höhe gestemmt – zu erkennen. Insofern unterschieden sich die Bilder von Borussia Düsseldorfs Mannschaft nach dem Sieg bei der Pokal-Endrunde auch kaum von den zahlreichen Impressionen der 24 vorherigen Triumphe der Rheinländer in dem prestigeträchtigen Wettbewerb. Dennoch war Ulm für die Düsseldorfer trotz des „Silber-Jubiläums“ alles andere als business as usual: Der souveräne 3:0-Sieg im Finale gegen den 1. FC Saarbrücken-TT bedeutete gleich auf Anhieb den ersten Titel mit einem zu großen Teilen umgebauten, sprich: neu zusammengestellten Team.

Zwar darf sich die Borussia aufgrund ihres Anspruchs und ihres Standings im deutschen Tischtennis durchaus beinahe schon qua Existenz stets als natürlicher Mitfavorit in dem mitunter tückischen Wettbewerb ansehen. Doch erleichtert gerade in diesem Jahr ein Blick zurück die angemessene Einordnung des mit größtmöglicher Souveränität aufgestellten Rekordes von nunmehr fünf Pokalerfolgen in Serie. Gerade einmal vor Jahresfrist nämlich stand die Vereinsführung der Borussen unerwartet und mithin unverschuldet wenn nicht vor dem Scherbenhaufen ihrer bisherigen Personalpolitik, so doch wenigstens vor einem Riesenproblem. Denn kopfschüttelnd bis konsterniert nahm Tischtennis-Deutschland wie die Düsseldorfer selbst die Entscheidung des hoch gehandelten Talents Patrick Franziska zum Wechsel vom unumstrittenen Branchenführer mit seinen optimalen Rahmenbedigungen nach Saarbrücken zur Kenntnis. Dazu kam der Abschied vom griechischen Publikumsliebling Panagiotis Gionis. Kurz: Auf einen Schlag hatte sich Düsseldorf auf den Verlust gleich einer halben Mannschaft einzustellen, was vor dem Hintergrund der „Teilzeitstellen“ von Timo Boll und Sharath Kamal Achanta umso schwerer wog. Anders ausgedrückt: Praktisch ohne die ansonsten üblichen Hinweise hatte Düsseldorfs Management beinahe von einem Tag auf den anderen eine Zäsur zu vollziehen, die obendrein in letzter Konsequenz einen Paradigmenwechsel notwendig machte. „Quo vadis, Borussia?“, lautete seinerzeit eine der meistgestellten Fragen in der deutschen Tischtennis-Szene.

Mission accomplished – Umbruch erfolgreich gemeistert
Zwölf Monate später lässt sich in mehr schon als nur einer ersten Zwischenbilanz, in die auch die Herbstmeisterschaft in der Bundesliga einfließen muss, ein überaus gelungener Umbruch konstatieren – Mission accomplished: selbst in Anbetracht von Düsseldorfs Mitteln und Anziehungskraft keine Selbstverständlichkeit. Mit Ruhe, Augenmaß und nicht zuletzt gleichfalls notwendigem Sachverstand reagierte der Liga-Primus auf die nicht alltägliche Herausforderung.

In erstaunlich kurzer Zeit erfanden Manager Andreas Preuß, Trainer Danny Heister und ihre Mitstreiter die Borussia nicht weniger als neu: Hinter dem inzwischen ebenso wie einst Jörg Roßkopf aus Düsseldorf nicht mehr wegzudenkenden Anführer Timo Boll schlugen die „Löwen“ durch die Verpflichtungen von Stefan Fegerl, Kristian Karlsson und Anton Källberg gleich drei Fliegen mit einer Klappe. Dass insbesondere mit Fegerl und Karlsson eine Qualitätssteigerung einhergehen würde, war dabei genauso klar wie die durchaus signifikante Senkung des Durchschnittsalters im Kader um gleich vier Jahre (natürlich hauptsächlich durch Källberg).

Was jedoch bei allem Feingespür für die charakterliche Eignung eines Spielers zu einem Borussen wirklich überrascht, ist der wahrhaftig neue Schwung in Düsseldorfs Team. Seit dem ersten Spieltag der laufenden Saison sind Heisters Spieler sichtlich heiß, lassen über den Tischen zumeist die Luft brennen und mit förmlich greifbaren atmosphärischen Feuerwerken regelmäßig den Funken auf Publikum und Fans überspringen. Der Zusammenhalt, nicht zuletzt ein Ergebnis der praktisch unverhandelbaren und konsequent gepflegten Klubphilosophie von einer hohen Präsenz der Spieler vor Ort, motiviert auch einen „alten Hasen“ wie Boll zusehends in seiner Rolle als „Vaterfigur“ der neuen Borussen-Generation.

Nostalgie durch „Borussia 4.0“ überflüssig
Dem Anschein nach und noch mehr den bisherigen Saisonergebnissen zufolge ist „Borussia reloaded“ oder noch besser gesagt: „Borussia 4.0“ ein neuerliches Erfolgsmodell. Das, wenn Düsseldorf seinen nach der Vorsaison abgewanderten Spielern nicht nachtrauern und Franziska sowie Gionis trotz seines begeisternden Stils keine Träne hinterherweinen muss, ist über den Pokalsieg hinaus der womöglich größte Erfolg für den siegesgewohnten Verein aus der NRW-Metropole.

Die positive Bilanz des Umbruchs ist für Preuß und Co. indes keine neue Erfahrung. Immer wieder in den vergangenen Jahrzehnten gehörte Düsseldorfs Mannschaft nach einigen Jahren wieder neu erfunden. Im Winter 2016 dürften die Borussen sich sehr wohl an 2000 erinnert haben, als die Abschiede von Vereins-Ikone Roßkopf und Topspieler Vladimir Samsonov sogar einen Umbau von den Spitzenpositionen aus nach unten erforderlich gemacht hatte – und die Klubführung mit viel Mut und Weitsicht um Youngster wie Christian Süß und Bastian Steger eine „Boygroup“ formte, die schon kurze Zeit wieder zum Maß aller Dinge in Deutschland avancierte.

Rückkehr zu angestammten Prinzipien wahrscheinlich
Solch eine Ausgestaltung symbolischer Not zu einer wahren Tugend war Düsseldorf anno 2016/17 nicht möglich – und das mag als ein wenig Wasser im süßlich schmeckenden Wein erscheinen. Die vom Verein parallel zu allem natürlichen Erfolgsstreben stets verfolgte Förderung des nationalen Nachwuchses war den Borussen dieses Mal aufgrund der Marktlage nicht möglich. Erst zum vierten Mal in den mittlerweile über 20 Jahren seit dem Bosman-Urteil von 1995 gehört nur ein deutscher Spieler zum Düsseldorfer Kader, der in den vergangenen Jahren ob seines Anteils an Nationalspielern nicht zu Unrecht auch immer wieder einmal als „Borussia Deutschland“ bezeichnet wurde.

Man muss indes kein Prophet sein für die Voraussage für eine Rückkehr der Düsseldorfer zu ihren angestammten Prinzipien. Wäre die Borussia im Fußball-Business tätig, würden längst Spekulationen über ein Interesse des Branchenführers an Spielern wie dem immer noch steigerungsfähigen Spätzünder Benedikt Duda ins Kraut schießen. Womöglich aber gehen die Rheinländer noch eine halbe Generation zurück und bilden in Bolls absehbar letzten Jahren noch einen richtigen Youngster zu einem konkurrenzfähigen Bundesliga- und vielleicht auch Nationalspieler aus.

Die jüngsten Erfahrungen können dabei für die Borussia nur die größtmögliche Ermutigung sein.

(Dietmar Kramer)

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