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Jans Blog: Life in plastic, it’s fantastic

Bei den Profis ist der Plastikball längst Alltag (©Fabig)

21.11.2016 - Die skandinavische Eurodance-Band Aqua, aus deren Song „Barbie Girl“ die Textzeile aus der Überschrift stammt, besang die Vorteile von Plastik schon 1997. Seit dem Wochenende ist nun klar: Auch im deutschen Tischtennissport wird man ab Juli 2019 komplett auf Plastik setzen. Für unseren freien Redakteur Jan Lüke ist das Kind schon viel früher in den Brunnen gefallen. In seinem Blog legt er dar, welche Fehler in der Zelluloid-/Plastikball-Ablösung gemacht wurden.

Das Spielgerät im Tischtennis ist ein mattweißer oder mattorangener Ball mit einem Durchmesser von 40 Millimetern, der aus Plastik besteht. Vergleichbare Sätze werden sich zukünftig in den Definitionen unserer Sportart finden. Ein Wesensmerkmal des Spiels wird sich bald und dann endgültig ändern: Das Spielgerät wird nach Jahrzehnten nicht mehr aus Zelluloid bestehen – sondern aus Plastik. Neu ist das nicht, sondern steht bereits seit 2011 fest, als der Weltverband die dazugehörige Regeländerung auf den Weg brachte. Darüber zu diskutieren, ob dem Tischtennissport denn nun Bälle aus Plastik oder Zelluloid besser stehen würden, ist natürlich weiterhin möglich. Aber es ist auch: vollkommen sinnlos. Die einheitliche und flächendeckende Einführung des Plastikballs auch im Amateurbereich wird kommen. Und damit hat sich’s. Ende der Diskussion. Zumindest für mich.

Ein Desaster

Etwas anderes aber ist sehr wohl und nach wie vor diskutabel – und zwar die Art und Weise, wie sich die Einführung des Plastikballs gestaltet. Oder besser gesagt: wie sie gestaltet wird. In dieser Geschichte gibt es seit dem vergangenen Wochenende ein neues Kapitel: Spätestens mit der Saison 2019/2020, also mit dem 1. Juli 2019 ist es verboten, offizielle Wettkämpfe innerhalb des DTTB mit Zelluloidbällen auszutragen. Das beschloss der Bundestag am Sonntag um Punkt 13.32 Uhr. Der Verband versucht mit der Regelung zu retten, was längst nicht mehr zu retten ist. Die Einführung des Plastikballs ist für die Basis im deutschen Tischtennis zu einem mittelschweren Unglück geworden, das bereits äußerst empfindliche Schäden verursacht hat und noch verursachen wird. Wenn die letzten Zelluloid-Fanatiker im Frühjahr 2019 ihre finalen Bälle mit dem alten Material schlagen, dann wird der Profisport seit einem halben Jahrzehnt dieselbe Sportart mit einem anderen Spielgerät betreiben. Das ist, anders kann man es nicht nennen, ein Desaster. Und es ist die Folge von etlichen falschen Entscheidungen.

Die Fehler bei der Einführung des Zelluloidballs liegen freilich nicht erst ein paar Tage zurück und wurden erst recht nicht am vergangenen Wochenende auf dem Bundestag in Frankfurt gemacht. Sie wurden vielmehr zu der Zeit begangen, als die ersten Maßgaben zur Einführung des neuen Balles gefasst wurden. Was der DTTB seinerzeit getan hat: Er hat die Umsetzung einer massiven Regeländerung in seiner Sportart in den Verantwortungsbereich der Aktiven abgeschoben. Frei nach dem Motto: „So soll es zukünftig aussehen – also kümmert euch drum!“ Indem der Verband eine „Empfehlung“, so das Wording, ausgesprochen, nicht aber verbindliche Fristen, bis zu denen auf den neuen Ball umgestellt werden muss, gesetzt hat, hat er die Entscheidungshoheit in diesem Prozess aus der Hand gegeben. An die Produzenten der Bälle, aber vor allem an Vereine und Spieler.

Es war klar, dass das nicht klappt

Der Plan, dass jeder Verein dieser Empfehlung folgt, seine restlichen Zelluloidballbestände aufbraucht und dann selbstständig zum neuen Material greift, mag verlockend geklungen haben. Dass er nicht aufgehen würde, hätte den Verantwortlichen dennoch vom ersten Tag an klar sein müssen. Natürlich lässt sich argumentieren, dass es weder vernünftig noch logisch von Vereinen und Aktiven war und ist, sich weiterhin an den Zelluloidball zu klammern. Warum? Siehe oben. Der Beschluss zur Einführung steht, und er wird bestehen bleiben. Darauf rückwärtsgewandt oder trotzig zu reagieren, bringt niemanden weiter. Dennoch war klar, dass es – wie bei vielen Regeländerungen zuvor – für nicht unwesentliche Teile der Basis so kommen würde. 

Und sogar hier haben die Verbände, wenn an dieser Stelle auch nicht unbedingt der DTTB, sondern eher der Weltverband mit einer überhastet wirkenden Einführung, entscheidende Fehler begangen: In Rücksprache mit den Herstellern, mit denen man ohnehin in Kontakt stand, hätte vorab sichergestellt werden müssen, dass spätestens mit dem ersten Tag ihrer Einführung Plastikbälle in ausreichender Menge und ausreichender Qualität verfügbar sind. Das hätte die Aktiven ermutigen und stärker dazu bewegen können, selbstständig von Zelluloid auf Plastik zu gehen. Als sich Vereine und Spieler solche Gedanken aber erstmals machen mussten, gab es auf dem Markt kaum Bälle in fast durchweg katastrophaler Qualität, was sowohl Spieleigenschaften als auch Haltbarkeit anging. Die erste Abneigung gegen das neue Spielgerät war geschaffen – und sie war: hausgemacht. Mittlerweile gibt es zwar genügend Plastikbälle, deren Qualität sich obendrein erheblich verbessert hat, wenngleich sie in der Breite noch immer nicht konstant der der früheren Zelluloid-Produktionen entspricht. Das aber sind die letzten Kinderkrankheiten, die verschwinden werden. Die Skepsis gegenüber dem Plastikball wird man der Basis dennoch so schnell nicht wieder austreiben können. 

Weiter geht's im Schwebezustand

Was nun folgen wird, sind knapp drei weitere Jahre, die im deutschen Tischtennis bis zu einem einheitlichen Neuanfang mit Plastik verstreichen werden. In denen wird es mit jedem Tag weniger, aber dennoch weiterhin Vereine geben, die – und das, weil sie schlichtweg das Recht dazu haben – zu Zelluloid greifen. In diesen Vereinen wird es weiterhin Kinder geben, die das Tischtennis spielen mit Zelluloidbällen erlernen. Es wird weiterhin vor jedem Wochenende mit Auswärtsspiel und vielen Trainingseinheiten die Frage bleiben, mit welchen Bällen denn gespielt wird. Das alles hätte der DTTB seinen Aktiven ersparen können. Denn das, was der DTTB am vergangenen Wochenende in Frankfurt beschloss, hätte er bereits vor über zwei Jahren beschließen müssen.

(Jan Lüke)

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