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Der Phasendrescher: Fast vergessen! Die Eingangsdoppel

Für viele eine lästige Pflicht: Bevor es losgehen kann, muss erst noch Doppel gespielt werden (©Koch/Laven)

15.08.2016 - Was lehren uns die vergangenen Tage in Rio de Janeiro? Das Doppel ist je nach Spielmodus ein ganz entscheidender Faktor. So machten etwa Petrissa Solja und Shan Xiaona im Halbfinale gegen Japan einen ganz wichtigen Punkt mit vereinten Kräften. Auch im Amateur-Tischtennis spielen die Doppel, die zu Beginn der Partie ausgetragen werden, eine bedeutende Rolle. Wie sie in der Kreisklasse oft wahrgenommen werden, erzählt uns unser ‚Phasendrescher‘ Philipp Hell.

Das eigene erste Match läuft bereits seit einer Weile, doch im Hinterkopf spukt noch eine Frage herum: Hat man da nicht etwas vergessen? Plötzlich fällt es einem siedendheiß ein: Doppel? Ach ja, da war ja was, die Eingangsdoppel! Und völlig irritiert stellt man umgehend fest, dass am Nachbartisch tatsächlich noch Doppel gespielt wird. Hätten wir ja beinahe glatt vergessen.

Mit angezogener Handbremse

Im Kreisliga-Tischtennis werden die Doppel beinahe schon traditionsgemäß sträflichst vernachlässigt. Trainiert wird so gut wie nie und die Aufstellung ist eine Mischung aus Willkür, dem kleinsten gemeinsamen Nenner aller Beteiligten sowie den privaten Vorlieben der Alpha-Tiere einer Mannschaft: Die Nummer 1 spielt selbstverständlich immer nur im Einser-Doppel, einer will auf gar keinen Fall das Opfer-Doppel geben, ein anderer spielt nicht mit dem Ersatzmann (der kann eh nix), ein weiterer Spieler kann nicht mit dem Noppenspieler an den Start gehen und der verbliebene Mann wiederum spielt schon seit seiner Jugend nur mit dem Herbert.

So richtig Vollgas scheint in den Eingangsdoppeln ohnehin kaum jemand zu geben, man beobachtet lieber den Gegner, achtet auf dessen Stärken und Schwächen und rechnet sich bereits die eigenen Chancen in den anschließenden Einzeln aus. Solange, bis man sich mal wieder über einen saublöden Aufschlagfehler seines Partners lautstark ärgern muss. Schließlich ist ohnehin vorher bereits klar, dass das starke Einserdoppel das Opferdoppel des Gegners klar im Griff haben wird, oder? Das eigene Opferdoppel heißt aus gutem Grund so. Und das Dreier-Doppel mit dem Ersatzmann aus der Vierten – ach…

Amateurzirkus-Vorstellung mit Klamauk-Faktor

Besonders dreist treiben es diejenigen Kandidaten, die schlicht und einfach ihr Pulver noch nicht verschießen wollen und dies auch nur mehr oder weniger gut verbergen können. Da werden die gemeinen Aufschläge ausgelassen, die Laufleistung wird auf ein Minimum reduziert und selbst der Vorrat an unflätigen Selbstbeschimpfungen wird für später aufgehoben. Schließlich stehen dann die wichtigen Einzel an, bei denen es um die wirklich harte Währung geht: um TTR-Punkte statt nur um eine gute Doppel-Bilanz, für die man sich ja bei der Aufstellung für nächste Saison auch wieder nichts kaufen kann.

So gleichen die Eingangsdoppel einer Amateurzirkus-Vorstellung auf überschaubarem Niveau mit hohem Klamauk-Faktor: Da versucht ein fideler Senior um seinen bulligen Partner mit dem Wendekreis eines Vierzigtonners und dem Bewegungsradius eines Bierdeckels herumzulaufen. Da verzweifeln Spieler am Offensivfeuerwerk ihres Nebenmannes, der die Bälle, die er da spielt, zuletzt Ende der 90er auf der Platte untergebracht hat. Da starren Spieler intensiv und hochkonzentriert auf ihren Schlägerbelag, damit sich der Partner nach dem Ball bücken muss. Da brüllen sich am Nachbartisch die Mitspieler gegenseitig an, dass sie doch bitte dem Gegner nicht immer die Bälle so hoch auflegen sollen und ein kurzer Aufschlag sei auch ab und zu enorm hilfreich gegen diesen offensiven Linkshänder! Und anschließend streiten sich alle vier Spieler darüber, wer jetzt eigentlich gerade auf wen aufschlagen muss, schließlich hattet ihr doch im ersten Satz, dann haben wir bei 4:2 im zweiten gewechselt, ihr hattet anschließend diesen Kantenball, und dann hat der Klaus…

Der Schiedsrichter wiederum sitzt teilnahmslos daneben: Nie weiß er, wie es steht, die Wechselregel ist ihm schon immer ein Buch mit sieben Siegeln gewesen und Angaben auf die falsche Seite zählt er aus Prinzip nicht. Die kann er auch gar nicht sehen, da er wie ein Achtklässler lustlos auf dem Stuhl fläzt und nebenbei auf seinem Smartphone eifrig bei Tinder unterwegs ist - zumindest so lange, bis er die spärlich bekleidete siebzehnjährige Tochter des Abteilungsleiters entdeckt, ihm ein lauter Schrei entweicht und er damit unabsichtlich den spektakulärsten Ballwechsel des ganzen Spiels unterbricht. Schon blöd, gerade bei Matchball für den Gegner.

Wen interessiert schon das entscheidende Doppel?

Eigentlich liegt das Wohl und Wehe einer Mannschaft unter Doppel-Gesichtspunkten meistens ohnehin in der Hand bzw. den Schlägern des Dreierdoppels. Hier duellieren sich die überforderten Ersatzleute mit den in der Rangliste so weit hinten stehenden Spielern, dass es für sie selbst für das Opferdoppel nicht mehr gereicht hat. Spielerisch würde man sofort einen mehrklassigen Unterschied zu dem sonstigen Geschehen dieses Punktspiels erkennen – wenn man nur zusehen würde. Doch wenn es im Dreierdoppel in die entscheidende Phase geht, laufen an den anderen Tischen schon längst die Einzel der Starspieler – und diese fordern selbstverständlich die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden ein.

Geht das Spiel am Ende des Abends nach einem genauso frühen wie unglücklichen 0:3-Rückstand nach den Doppeln mit 6:9 verloren, so sind sich alle Beteiligten darüber einig, dass nächste Woche endlich mal Doppel trainiert werden muss. Und vielleicht sollte man sich gleich noch ein paar strategische Gedanken über die Zusammensetzung der Doppel-Paarungen machen. Wie, der Ulf kann Dienstag nicht, Sören ist die ganze Woche auf Malle und am Freitag ist der Hans-Dieter wie immer bei seiner 300 km entfernt lebenden Freundin? Dann eben übernächste Woche, dann aber ganz bestimmt, Jungs!

(Philipp Hell)

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