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Dietmars Blog: Liga-Größe ist nur eine Baustelle

Durch Hagens Rückzug wird die Liga nächste Saison nicht voll (©Vorberg)

02.05.2016 - Nach dem Rückzug des TTC Hagen kann die Herren-Bundesliga in der kommenden Saison wieder einmal nicht in ihrer Sollstärke von zehn Mannschaften um die deutsche Meisterschaft spielen. Nach Ansicht unseres Bloggers Dietmar Kramer drängt die Zeit, aus den alljährlichen 'Zitterspielen' um ein 'volles Haus' in der Eliteklasse Schlüsse zu ziehen. Dabei kommen für ihn grundsätzlich zwei Möglichkeiten in Betracht.

Irgendwann musste es ja wieder einmal so weit kommen: Durch den unerwarteten Rückzug des TTC Hagen bekommt die Herren-Bundesliga zur neuen Saison ihr Haus nicht voll. Nur neun statt der vorgesehenen zehn Mannschaften werden in der nacholympischen Spielzeit um die deutsche Meisterschaft schmettern, auch weil aus der zweiten Liga nicht ein einziger Klub ein eigentlich doch natürliches Interesse am Sprung in die Beletage gezeigt hat. 

Zehner-Liga nach Hagens Rückzug ein Auslaufmodell

Die Eliteklasse unterhalb ihrer Sollstärke – das war nach einer für überwunden geglaubten Phase, in der die unerfreuliche Ausnahme beinahe schon zur Regel geworden war, zuletzt vor vier Jahren der Fall, als die TG Hanau noch kurzfristiger als nun Hagen seinen Rückzug erklärte. Dieses Szenario ist allerdings auch für die weitere Zukunft nicht auszuschließen. Dabei spielen außer den viel zitierten Einzelfällen auch strukturelle Probleme eine wichtige Rolle. An der Analyse der alle Jahre wieder auftretenden Schwierigkeiten arbeitet die Liga schon seit längerem; allmählich müssen aber auch Schlüsse gezogen und Entscheidungen getroffen werden.

Festzustehen scheint, dass die Ära der Liga mit (formal) zehn Mannschaften in absehbarer Zeit ausklingt, womöglich schon nach der bevorstehenden Rumpfsaison. Als Alternative zum derzeitigen Format kommen zwei schon aus der Vergangenheit bekannte Varianten in Betracht: Zum einen bietet sich als scheinbar logische Konsequenz aus dem bundesweit herrschenden Mangel (hauptsächlich) an finanziellen Möglichkeiten und daraus resultierend auch an Erstliga-Ambitionen eine Reduzierung auf acht Mannschaften an. Aber zum anderen wird auch umgekehrt unter zusätzlicher Berücksichtigung der bestehenden, aber auch einmal zu hinterfragenden Strukturen ein Schuh: Eine momentan auf den ersten Blick geradezu paradox anmutende Aufstockung der höchsten deutschen Spielklasse auf zwölf Mannschaften könnte vorerst die gewünschte Stabilisierung, sprich: die Besetzung aller zur Verfügung stehenden Plätze mehr als nur flankieren. Vor- und Nachteile bringen beide Modelle mit sich.

Achter-Liga als Konzentration der Kräfte

Die Achter-Variante entspräche einer auch im Leistungssport durchaus vernünftigen Konzentration der Kräfte. Es sollte mit einiger Sicherheit davon auszugehen sein, dass die Eliteklubs recht spielstarke Teams zusammenbekommen, die durch die zu erwartende Spannung im Rennen um die Play-off-Teilnahme und im Kampf um den Klassenerhalt die Attraktivität der Liga steigern würden. Außerdem hätten die Klubs aufgrund der geringeren Anzahl von Terminen wieder eine größere Anziehungskraft für Spieler der gehobenen Klasse, was den internationalen Ambitionen der Liga nach den zum Teil herben Dämpfern der vergangenen Jahre insbesondere in der Champions League nur gut tun würde. Die mutmaßlich geringen Chancen einheimischer Spieler auf Einsätze müssen bei der Abwägung von Pro und Contra kein allzu großes Gewicht erhalten: Hagen spielte ohne deutsche Aktive, und von den weiteren in der Hauptrunden-Tabelle der ausklingenden Saison infrage kommenden „Streichkandidaten“ ASV Grünwettersbach und Post SV Mühlhausen hatte lediglich Mühlhausen einen einheimischen Spieler gemeldet – den bald 37 Jahre alten Routinier Lars Hielscher…

Zwölfer-Liga als Anreiz für Zweitligisten

Was im Achter-Modell allerdings zu kurz kommt, ist die weiterhin nur schleppend gelingende Forcierung einer Verzahnung mit der zweiten Liga. Nach wie vor gilt zunächst der Sprung aus dem Unter- ins Oberhaus vor allem in finanzieller Hinsicht als Wagnis, wenngleich ein Spieler-Etat von wie aus Hagen kolportierten 60.000 Euro mit entsprechenden Ambitionen zu stemmen sein sollte. Eine auf zwölf Mannschaften aufgepumpte (weil sportlich nicht herzuleiten) Bundesliga würde allerdings den interessierten Zweitligisten die durchaus reizvolle Perspektive bieten können, im Kampf gegen voraussichtlich ähnlich knapp wirtschaftende Rivalen zumindest eine realistische Chance zur Vermeidung des direkten Wiederabstiegs zu besitzen. Auch würde sich eine (Pseudo-)Debatte über die Möglichkeiten für deutsche Spieler bei einer Aufstockung angesichts von mindestens sechs zusätzlichen Plätzen erübrigen.

Profi-Strukturen ausweiten und Spielsysteme vereinheitlichen

So begrüßenswert die Bemühungen der Liga-Führung über Wege aus der Problemzone aber auch sein mögen: Das latente Dilemma der faktischen Welten-Trennung zwischen erster und zweiter Liga lässt sich mittel- und langfristig, wenn überhaupt, wohl nur durch einschneidende Strukturveränderungen auflösen. Wünschenswert wäre auf Sicht natürlich eine automatische Erhöhung von Einnahmen für Vereine aus der zweiten Liga im Fall des Aufstiegs, so dass ihr steigender Finanzierungsbedarf zumindest teilweise gedeckt werden würde. Eine solche Maßnahme jedoch würde einen noch engeren Zusammenschluss wenigstens von Erst- und Zweitliga-Klubs unter einem Dach und nicht zuletzt auch eine erfolgreiche, weil auch einheitliche Vermarktungsstrategie bedingen. 

Auf Sicht erfordert die Entwicklung des (semi-)professionellen Liga-Betriebes zu einer tatsächlichen Marke noch einen weiteren Schritt: die Angleichung der Spielsysteme. Nach Lage der Dinge dürfte auf der absoluten Topebene inklusive der Bundesliga das Optimum erreicht sein, das Dreier-System bietet aller Kritik von Traditionalisten eine im Profi-Sport unverzichtbare Kompaktheit und verbindet dieses Element immer noch mit der ebenso unverzichtbaren Prise Unberechenbarkeit. Will die Liga dereinst als „TTBL aus einem Guss“ erscheinen, muss die Anpassung auch des Zweitliga-Systems an das professionelle Format kommen. Für zwei Tische und Fünf-Stunden-Marathonmatches ist im brutalen Verdrängungswettbewerb des Profisport-Business eben schon lange überhaupt kein Platz mehr. Anders ausgedrückt: Eine Sportart, in der von Liga zu Liga beinahe willkürlich unterschiedliche Regeln gelten, hat im Ringen um öffentliche Wahrnehmung nicht mehr den Hauch einer Chance. 

(Dietmar Kramer)

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