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Daniels EM-Blog: Bitte nur ein bisschen Englisch!

Die Presse-Tribüne in Jekaterinburg von außen fotographiert (©Koch)

01.10.2015 - Mehr als die Hälfte der Europameisterschaften in Jekaterinburg sind rum. Zeit, um ein Zwischenfazit zu ziehen – aber mal nicht im sportlichen Sinne. Wie ist die Veranstaltung organisiert, wie sind die Arbeitsbedingungen für Journalisten, welchen Eindruck machen Mitwirkende, Land und Leute? Redakteur Daniel Koch vergleicht die EM in Russland mit früheren Kontinentalmeisterschaften in den letzten Jahren.

ITTF-Präsident Weikert, die wichtigste sportpolitische Persönlichkeit im internationalen Tischtennis, muss auf seinem Weg zur Mixed-Zone, zu den deutschen Nationalspielerinnen, seine Akkreditierung vorzeigen, von Volunteers begleitet werden und statt des direkten einen großen Umweg nehmen – das ist eine Szene, die sich im letzten Jahr am ersten Abend der Europameisterschaft in Lissabon abspielte. Nicht viel besser erging es den dort anwesenden Journalisten. Eine Pressetribüne in der Halle gab es nicht, sondern nur einen abgesperrten Pressebereich im Außentrakt. Wollte man zu den Spielern nach unten, um sich Stimmen zu den gerade absolvierten Partien einzuholen, musste man einen langen Weg zurücklegen und stets mindestens einen Volunteer im Schlepptau haben, der gewissermaßen die Eintrittskarte zur Mixed-Zone war – der direkte Weg über einen Aufzug wurde vom Sicherheitspersonal versperrt. Was für ein Aufwand! Noch ein Nachteil: Aufgrund der fehlenden Pressetribüne musste ich mich zum Live-Tickern auf die Zuschauerränge setzen. Bei Laolas war da hin und wieder das eigene Notebook gefährdet, wenn die Arme des Vordermanns nach hinten flogen.

Wesentlich besser sieht es in diesem Jahr aus. Die Pressetribüne liegt an der Kopfseite der vier Tische in der Haupthalle, auf die man eine gute Sicht hat. Auch einige Tische der Nebenhalle lassen sich von hier erblicken. Die Spieler kommen meist – wenn man sich nicht wie ein, heute sicherlich auch gefrusteter Michael Maze, vor den Journalisten drückt – an der Pressetribüne vorbei, sind für Interviews und Nachfragen greifbar. Auch einen Internetausfall – den gab es im letzten Jahr häufig, ärgerlicherweise verstärkt während des Herren-Finals zwischen Deutschland und Portugal – kam hier bisher selten vor. Na gut, auch hier in Jekaterinburg lässt die Verpflegung für die Journalisten zu wünschen übrig, ist alleine bei jeder Pressekonferenz von Fußball-Bundesligisten um ein Vielfaches besser. Außer Keksen, Wasser, Kaffee und Tee schaut man in die Röhre, kann sich aber immerhin an einigen Ständen verköstigen, um die manchmal bis zu 14 Stunden in der Halle ohne Loch im Magen zu überstehen. Was in diesem Jahr aber teilweise gar nicht lief, zumindest im Mannschafts-Wettbewerb: Der Ergebnisdienst. Oft wurden Spielergebnisse falsch eingetragen, schlichtweg herumgedreht. Auf Nachfrage hieß es, dass die dafür verantwortlichen Personen die Spieler nicht alle kennen und es dann zu Verwechslungen kommen kann...

Wenn Google Translate nicht wäre...
Was mir auch noch auffällt und noch stärker als im letzten Jahr in Lissabon oder vor zwei Jahren in Wien der Fall ist: Die Leute, fast egal, wer es ist, sprechen hier überall kaum bis gar kein Englisch. Das war mir – es ist mein erster Aufenthalt in Russland und meine Russisch-Kenntnisse beschränken sich auf ein paar Zahlen, "Danke", "Auf Wiedersehen", etc. – schon am Flughafen aufgefallen. Ich fragte die Dame an der Information auf Englisch nach „Bus 1“. Nicht einmal das Wort Bus verstand sie, sondern bat mich samt Gepäck hinter die Rezeption zu kommen, um mir per Google Translate zu vermitteln, was sie mir letztendlich sagen wollte – und das am mehr oder weniger internationalen Flughafen von Jekaterinburg. Ähnlicher, kurioser Fall am ersten Tag hier in der Halle: Den Weg zur Toilette wollte ich von einem Volunteer wissen. Er verstand meine Frage, ihm fehlten aber die Worte. Statt einfach in die Richtung zu zeigen, packte er sein Smartphone aus und tippte die Antwort ins mobile Wörterbuch ein...

Ob es die Café-Mitarbeiter, Sicherheitsleute, Busfahrer sind, die meisten merken zwar oder müssten zumindest merken, dass man kein Landsmann ist, wenn man sie auf Englisch anspricht. Das hält sie nicht davon ab, auf Russisch zu antworten, dich gerade zu wie selbstverständlich zuzuquatschen. Das soll nicht böse gemeint sein, aber: bei uns – ja, das Deutsche ist dem Englischen wesentlich näher als das Russische – würde man bei so einer Veranstaltung doch Leute einsetzen, die zumindest ein paar Wortfetzen Englisch sprechen oder zumindest verstehen, aber die sind in diesem Land nun einmal rar gesät. Naja, irgendwie klappt die Verständigung dann doch immer, notfalls mit dem Griff in die Pantomime-Kiste. Und und wie gesagt, insgesamt sind die Bedingungen hier für ganz in Ordnung! Auf spannende Individual-Wettbewerbe nun also!

(DK)

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