Blog

Jans Blog: Ist das eine echte Pokalmeisterschaft?

Überraschungen wie den Halbfinaleinzug des SV Union Velbert 2012 gibt es leider viel zu selten (©Roscher)

22.12.2014 - Was macht den Reiz des DFB-Pokals aus? Zum Beispiel, wenn ein Bundesligist wie Mainz 05 in der ersten Runde dem Chemnitzer FC aus Liga drei gratulieren muss. Wie läuft das im Tischtennis ab? Borussia Düsseldorf hat sich gestern mit drei Spielen gegen drei TTBL-Vereine zum 23. Mal in der Vereinsgeschichte zum Pokalsieger gekrönt. Unser freier Redakteur Jan Lüke fragt sich, ob dies eine echte Pokalmeisterschaft ist und ob diese im Tischtennis überhaupt sinnvoll ist.

‚Der Pokal hat seine eigenen Gesetze.‘ Ein Satz, so abgegriffen wie inhaltsleer – und trotzdem immer dort im Einsatz, wo im Sport zum Pokalmodus gegriffen wird. Stimmt aber so eben doch nicht ganz. Pokalwettbewerbe folgen keinen anderen Gesetzmäßigkeiten als Ligawettbewerbe. Der Pokal ist, der Name sagt’s ja schon, eben genau das: ein anderer Wettbewerb mit anderem Modus und anderen Gegnern. Und der bringt –  Überraschung, Überraschung! – auch andere Ergebnisse zum Vorschein. Man muss keine obskuren Mythen und besondere Pokal-Gesetze bemühen, um zu erklären, dass in der Liga ein Drittligist eher nicht zu einem überraschenden Erfolgserlebnis gegen einen Erstligisten kommt. Die spielen da nämlich schlichtweg nicht gegeneinander.

Jülich gegen sieben Bundesligisten

Auch in Fulda hätte gestern ein Zweitligist die Deutschen Pokalmeisterschaft für sich entscheiden können. Der TTC Jülich, Tabellenführer im Bundesliga-Unterhaus, hat den Sprung ins Viertelfinale geschafft – und musste es von dort an mit sieben Bundesligisten aufnehmen. Gewonnen hat Jülich deshalb nicht. Gewonnen hat am Ende der Favorit. Das ist meistens so, da unterscheidet sich Tischtennis nicht sonderlich vom Rest der Sportwelt. Ansonsten verhält es sich im Tischtennis allerdings durchaus anders als in anderen Sportarten: Die Pokalmeisterschaft heißt im Tischtennis zwar auch ‚Pokal‘, hat dort aber letztlich nur den Anstrich eines echten Pokalwettbewerbs – mehr sicherlich nicht mehr. Weshalb das?

Gestern in Fulda ist eine Mannschaft Deutscher Pokalsieger geworden, deren Historie im diesjährigen Wettbewerb doch arg überschaubar war: Sie bestritt lediglich drei Spiele, die allesamt gegen andere Erstligisten – und das in nicht weniger als 24 Stunden. Um genau zu sein sogar, indem sie nur elf Einzel bestritt. Borussia Düsseldorf, der beinahe schon chronische Abonnement-Titelträger in allen nationalen Mannschaftswettbewerben, nämlich.

Ist das wirklich eine echte Pokalmeisterschaft?

Aber ist das, was in Fulda seinen Höhepunkt gefunden hat, wirklich eine echte Pokalmeisterschaft? In anderen Sportarten wie dem Fußball und auch dem Handball und dem Volleyball macht – um mal weiter in der Kiste mit abgegriffenen Pokal-Floskeln zu kramen – der Kampf von David gegen Goliath den Reiz des Wettbewerbs aus. Im Tischtennis fallen derartige Begegnungen weitestgehend flach. Mühsam durch viele Runden quält sich im Tischtennis kein Klub. Stattdessen werden in einem eigentlich nur dreistufigen Wettbewerb zunächst die Zweit- und wenigen spielberechtigten Drittligisten aufeinander losgelassen, ehe in der zweiten Runde die vier verbleibenden Zweitligisten, mehr können es ja ohnehin nicht in die zweite Runde schaffen, den Bundesligisten zum Fraß vorgeworfen werden. Ein Los ‚Zweitligist gegen Zweitligist‘ sieht der Wettbewerb nicht vor – und dementsprechend auch nicht das Losglück für einen unterklassigen Verein, der vom K.o.-Modus mit ausgelosten Runden profitieren könnte. Stattdessen gibt es genau das Gegenteil: Freilose für die beiden Vorjahresfinalisten. Düsseldorf und Fulda hatten bis zum ‚Final 8‘-Turnier, einem nach wie vor glänzend organisierten und interessanten Event, noch kein Spiel bestritten.

Natürlich muss von Verbandsseite dafür gesorgt werden, dass die großen Klubs und namhaften Spieler bei Laune gehalten werden. Aus Sicht eines Topspielers ist es absolut nachvollziehbar, dass er es sich gerne sparen würde, zu einem Auswärtsspiel zu einem Drittligisten oder Regionalligisten zu fahren, weil das zum Pokal eben dazugehört. Sportlich ist der Wettkampf wenig reizvoll, zudem fällt im pickepackevollen Jahr wieder ein Tag (oder für mehrere Runden: gar mehrere Tage) für Regeneration oder Training mit Blick auf die wirklich wichtigen Wettkämpfe weg. Obendrein lässt sich natürlich ein einzelnes Finalturnier, bei dem auch noch die vermeintlichen besten Teams des Landes an den Start gehen, schlichtweg besser verkaufen und vermarkten.

Welches Alleinstellungsmerkmal hat der Wettbewerb?

Dennoch muss man sich aus der Perspektive des Sports doch die Frage stellen, wofür es diese Deutsche Pokalmeisterschaft gibt und welches Alleinstellungsmerkmal den Wettbewerb auszeichnet. Denn der Pokalwettbewerb, der derzeit im deutschen Tischtennis ausgespielt wird, ist eben keine echte Pokalmeisterschaft. Eher handelt es sich um einen erweiterten Ligapokal, in dem die Vertreter einer Liga in einer anderen Wettbewerbsstruktur, nämlich dem K.o.-Modus, ihren besten ausspielen. Was meiner Meinung nach vor allem dort Sinn ergibt, wenn der Titelgewinn nicht im Play-off-Modus ausgespielt wird. Denn ein Ligapokal ist per se ja gar nichts Schlechtes. Im englischen Fußball gibt es das, im deutschen Basketball, wo längst die ligaübergreifende Pokalmeisterschaft abgeschafft wurde, auch. Dann würde die Titelvergabe zwar vollkommen ohne Nicht-Erstligisten ablaufen, einen großen Unterschied zum jetzigen System würde es aber auch nicht ausmachen. 

Wie der Pokal im deutschen Tischtennis ansonsten sinnvoller zu gestalten wäre? Gar nicht einfach. Timo Boll in der Sporthalle einer Grundschule in Schleswig-Holstein beim dort ansässigen Oberligisten, wie er auf Holzbänken Platz nimmt, auf denen auch ein paar tausend andere Tischtennisspielerinnen und -spieler jedes Wochenende sitzen? Das blieb bisher eine launige Idee. Aber vielleicht nicht grundsätzlich eine schlechte, wenn Bemühungen bestünden, dem Pokal auch wieder ein waschechtes Pokal-Image zu verschaffen. Der TTC Altena, der SV Union Velbert und eben in diesem Jahr Jülich haben es in den vergangenen Jahren geschafft, dem Wettbewerb noch zu einem ganz geringen Teil seine eigene Note zu geben – auch wenn es nicht zum Sieg gereicht hat. Das aber kann auch der Austragungsmodus nicht ändern: Denn letztlich gewinnt die beste Mannschaft – und die kam nun einmal mehr aus Düsseldorf. So eigen sind die Pokal-Gesetze dann eben auch nicht.

(Jan Lüke)

Kommentar schreiben

Um weiterhin qualitativ hochwertige Diskussionen unter unseren Artikeln zu gewährleisten, haben wir uns dazu entschlossen, die Kommentarfunktion mit dem myTischtennis.de-Login zu verknüpfen. Wenn Sie etwas kommentieren möchten, loggen Sie sich einfach in Ihren Account ein. Die Verwendung eines Pseudonyms ist weiterhin möglich, der Account muss jedoch einer realen Person zugeordnet sein.

* Pflichtfeld

Copyright © 2024 myTischtennis GmbH. Alle Rechte vorbehalten.