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Leserbrief: Mäzene im Tischtennis - Fluch oder Segen?

Ex-Zweitligaspieler Sebastian Schwarz hat seine Meinung zum Thema Mäzene geändert (©privat)

11.05.2020 - In unserer Rubrik „Leserbriefe“ kommen User zu Wort, die ihre Meinung zu einem bestimmten Thema kundtun wollen. Sebastian Schwarz, der lange Zeit in der 2. Bundesliga gespielt und seine Karriere schließlich bei der TG Neuss beendet hat, nahm dieses Angebot bereits ein paar Mal in Anspruch. In seinem heutigen Leserbrief beschreibt er, wie sich seine Meinung zum Thema Mäzene im Tischtennissport geändert hat.

Ein Leserbrief von Sebastian Schwarz aus Neuss

In der aktuell für uns alle schwierigen und herausfordernden Zeit ist mir ein Thema wieder in den Sinn gekommen, das mich bereits in vergangenen Jahren einige Male beschäftigt hat und in den kommenden Monaten und Jahren wahrscheinlich immer weiter an Bedeutung gewinnen wird. Es geht um Mäzene im Tischtennisbereich, von denen ich in den vergangenen drei Jahrzehnten etliche kennengelernt habe und über deren Ansehen bzw. Existenzberechtigung seit jeher viel diskutiert wird. Sind diese Mäzene nun Fluch oder Segen für den TT-Sport oder vielleicht sogar beides zugleich? Ich hatte hierzu immer eine ambivalente Einstellung, die ich nun nachträglich doch recht eindeutig in eine Richtung korrigiert habe. 

Klinkenputzen ist mühsame Angelegenheit

Beinahe jeder kennt es:  Der kleine Verein bemüht sich nach Leibeskräften, an jeder nur denkbaren Stelle ein paar Euros aufzutreiben, um die eigene „Erste“ in den höheren Spielklassen einigermaßen konkurrenzfähig antreten zu lassen bzw. überhaupt das Spielmaterial und die Spielbekleidung zu finanzieren. Jeder, der sich in diesem Bereich schon einmal versucht hat, weiß, wie schwierig es ist, durch das berühmte „Klinkenputzen“ wirklich zählbare Ergebnisse zu erzielen. Dann kommt auf der anderen Seite jemand, der mit genügend Kapital ausgestattet ist, um einen ganzen Verein auszurüsten und sich eine erste Mannschaft zusammenzustellen, die mindestens eine Klasse stärker ist als alle anderen und so mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am Ende vorne stehen wird. Gespielt wird in diesem Fall natürlich nur nach dessen Regeln. Und wenn irgendwann die Lust schwindet, in den Tischtennissport zu investieren, verschwindet der unterstützte Verein von einem Moment auf den anderen wieder in der Versenkung.

Es fehlt also nach der Auffassung Vieler bisweilen eine gewünschte und geforderte Nachhaltigkeit, was in vielen Diskussionen oft als einer der ersten Punkte angeprangert wird. Darüber hinaus habe ich oft den Vorwurf gehört, dass einige Mäzene sich lediglich eine Plattform zur Selbstdarstellung schaffen würden, um eine bestehende narzisstische Persönlichkeitsstörung ausleben zu können; dies sei nicht in Einklang zu bringen mit den Grundgedanken des Vereinssports. Zuletzt sei es doch einfach nicht gerecht, wenn jemand kommt, mit Geld “um sich wirft“ und dann die jahrzehntelange schweißtreibende Arbeit eines örtlichen Vereins dadurch torpediert, dass der eigentlich „verdiente“ Aufstieg am Ende doch noch scheitert.

Dankbarkeit statt Ablehnung

Diese oder ähnliche Argumente sind im ersten Schritt nachvollziehbar. Auch meine Gedanken gingen früher in diese Richtung. Mittlerweile bin ich aber sicher, dass diese Grundeinstellung nicht richtig ist, weil bei dieser Bewertung ganz wesentliche Punkte außer Acht gelassen werden. Die persönlichen Motive sowie die jeweiligen Persönlichkeitsstrukturen der Mäzene möchte ich bei den nachfolgenden Überlegungen weitestgehend außer Betracht lassen, weil dies für die Beantwortung der Ausgangsfrage nicht wichtig ist. Hierzu nur so viel: Die Spannbreite ist auch in diesem Bereich groß. Neben dem positiv tischtennisverrückten Gönner im Hintergrund und dem ebenso positiv verrückten Exzentriker in erster Reihe gibt es natürlich auch gänzlich unerträgliche „Exemplare“, von denen man menschlich nur insoweit lernen kann, als man sich am besten die genau gegenteiligen Verhaltensmuster aneignet. 

Davon ab ist doch die aktuelle Situation so, dass die Mitgliederzahl im Vereinssport Tischtennis seit Jahren sukzessive sinkt. In höheren bzw. hohen Spielklassen wird es auch immer schwieriger. Dort ist es oft problematisch, überhaupt die Sollstärke zu erreichen. Es ist abzusehen, dass sich diese Entwicklung weiter verschärft. Viele der Unternehmen, die bisher noch kleinere Beträge zur Verfügung stellen konnten, werden hierzu auf absehbare Zeit nicht mehr bereit bzw. in der Lage sein. Allein vor diesem Hintergrund können wir doch alle dankbar sein, wenn es Einzelne gibt, die mit ihren Mitteln dafür sorgen, dass der Vereinssport lebendig bleibt. Den Grund für die jeweilige Unterstützung muss man schließlich nicht in jedem Fall unterstützen bzw. gut finden.

Macht bitte weiter!

Da Investitionen in den Tischtennissport grundsätzlich keinen finanziellen Profit versprechen, liegt es auf der Hand, dass nur andere Motive maßgeblich für einen Einsatz sein können. Im besten Fall ist es allein die Liebe zum Sport und im schlechtesten Fall lediglich die Suche nach einer Plattform zur Selbstdarstellung. Egal. Die Hauptsache ist doch, dass investiert und unterstützt wird. Damit ist die Eingangsfrage beantwortet. Mäzene sind aktuell mehr denn je Hoffnung und Segen als Fluch. Keiner weiß momentan, ob und in welcher Form der Vereinssport auch von öffentlicher Seite subventioniert werden wird. Ich vermute aber, dass - wenn überhaupt Unterstützungsleistungen avisiert werden - viele andere Bereiche vorrangig bedacht werden (müssen). 

Dementsprechend geht meine Bitte an alle kleinen und großen Mäzene: Unterstützt weiter bzw. weitet euren Einsatz noch einmal aus. Fangt dabei an der Basis an, damit - wenn es endlich wieder losgeht - genügend Material für die Schüler und Jugendlichen bereitsteht. Helft außerdem dabei, dass auch der hochklassige, für den interessierten Zuschauer doch so attraktive TT-Sport weiter in der bisherigen Form Bestand haben kann. Hoffen wir darüber hinaus, dass es bald wieder losgehen kann und das „Klickern“ wieder in den Sporthallen rund um den Globus deutlich hörbar sein wird.
 

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Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Auswahl und sinnwahrende Kürzungen behalten wir uns vor.

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