WM-Countdown

WM-Zeitzeuge Thomas Weikert: „Darüber war ich tief traurig“

2012 schlüpfte Thomas Weikert als DTTB-Präsident noch in die Rolle des Gastgebers (©Roscher)

18.02.2017 - Heute sind es noch genau hundert Tage, bis in Düsseldorf die WM 2017 beginnt! Grund genug für uns, eine kleine Countdownreihe zu starten, die sich mit Zeitzeugen der bisherigen Heimweltmeisterschaften seit dem zweiten Weltkrieg beschäftigt. Unser freier Redakteur Dietmar Kramer rollt das Feld von hinten auf und hat einen ziemlich wichtigen Zeitzeugen der WM 2012 zum Interview gebeten: Thomas Weikert, heutiger ITTF-Chef, damals noch DTTB-Präsident.

 myTischtennis.de: Als DTTB-Präsident waren Sie während der WM sicherlich gefühlt 24 Stunden im Einsatz. Wie hat es sich in einem solchen Tunnel gelebt?

Thomas Weikert: Gewisse Mechanismen waren ja schon von der WM 2006 und der EM 2009 bekannt und wiederholen sich, die Strukturen stehen dadurch ja auch weitgehend. Beim DTTB und der TMG arbeiten glücklicherweise viele Menschen, auf die auch wirklich Verlass ist, ein richtig gutes Team. Man ist dann sehr fokussiert und versucht, immer die noch letzten möglichen Probleme zu erkennen und am besten auch gleich zu lösen. Ich erinnere mich noch gut an die Visa-Probleme, besonders mit den Aktiven aus den afrikanischen Ländern. Da haben wir uns sehr intensiv und hartnäckig eingesetzt, ich habe auch persönlich mit Botschaftern anderer Länder telefoniert, um die Athleten nach Deutschland zu bringen, was ja auch gelang.

myTischtennis.de: Sie haben sich 2012 in Ihrer WM-Bilanz auch kritisch zur Größe von WM-Turnieren mit Teilnehmern aus damals 145 Nationen geäußert. Was hatte Sie dazu veranlasst, mit dieser Thematik offensiv an die Öffentlichkeit zu gehen?

Thomas Weikert: In Deutschland hatten wir ja keine richtigen Probleme. Was mich dazu gebracht hat, war die neuerliche Grundsatzerkenntnis, dass immer weniger Länder in der Lage sein würden, eine WM in dieser Größe noch auszurichten. Uns war auch klar, dass es selbst in Deutschland neben Dortmund nur noch wenige andere Städte wie Bremen, Stuttgart oder auch Düsseldorf gibt, die das leisten könnten, selbst bei Berlin müsste man schon Einschränkungen machen. Diese Gemengelage hat zu meiner Kritik geführt. Die Absicht war damit nicht die Aufspaltung der Tischtennis-Familie, sondern ein Anstoß dazu, wie man künftig noch ein WM-Turnier auf hohem Niveau gestemmt bekommt und ggf. auch Regularien so ändert, dass die Familie erhalten bleibt. Es ist ja für jeden Veranstalter auch eine Kostenfrage.

myTischtennis.de: Hätte aus Ihrer Sicht im Rückblick 2012 etwas besser laufen können?

Thomas Weikert: Ich bin ja durchaus selbstkritisch und habe mir mit etwas Abstand zur WM diese Frage auch gestellt, und im Nachhinein muss man sicher einräumen., dass wir uns – bei allen wirklich sehr intensiven Bemühungen - mehr Fernsehzeiten gewünscht hätten. Organisatorisch aber sehe ich nichts, das man, von wirklichen Kleinigkeiten abgesehen, hätte besser machen können. Für ein noch angenehmeres Ambiente und Rahmenprogramm oder auch breitensportliche Kampagnen war das Budget zu knapp. Richtig mehr Geld für solche Maßnahmen hat in Deutschland eben nur der Fußball.

myTischtennis.de: Was ist denn von der WM 2012 geblieben? Oder was hat die WM 2012 gebracht?

Thomas Weikert: Man erhofft sich von einer solch großen Veranstaltung zunächst vor allem Aufmerksamkeit – bei Zuschauern, Medien und Sponsoren. Alles zusammen würde mehr Einnahmen bedeuten, die man zur Entwicklung des Sports verwenden könnte. Ich denke, im näheren Umfeld, in Dortmund selbst und im Westen, hat die WM ganz sicher etwas gebracht, haben einige den Weg zum Tischtennis gefunden. Mehr Fernsehzeiten aber haben wir nicht bekommen, auch keine nützlichen Mehreinnahmen. Die Statistik sagt leider auch, dass nicht allzu viele neuen Mitglieder hinzugekommen sind. Auch wegen dieser Ergebnisse findet in diesem Jahr in Düsseldorf dieses Mal auch einmal eine Einzel-WM statt, weil die WM 1989 in dieser Hinsicht sehr viel gebracht hat. Nach der WM 2012 hat sich der DTTB aber auch in erheblicher Weise neu  orientiert, man macht jetzt nicht mehr nur klassisch Tischtennis, sondern hat sich geöffnet für neue Felder, die grundsätzlich mit Tischtennis in Verbindung stehen. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass wir eine Großveranstaltung ausrichten und danach alles von alleine läuft. Deshalb auch ein Kompliment an die jetzigen Verantwortlichen mit Michael Geiger, meinem Nachfolger, an der Spitze.

myTischtennis.de: Was war denn Ihr emotionalster Moment bei der WM 2012?

Thomas Weikert: Ich kann mich noch sehr gut an das Viertelfinale der Damen gegen Singapur erinnern, als ich bei einem Matchball von Kristin Silbereisen schon aufgesprungen war und dachte, dass unsere Mannschaft gewonnen und damit wieder das Halbfinale wie 2010 erreicht hätte, das war aber nicht so, wir haben verloren, und darüber war ich tief traurig. Das war der emotionalste Moment für mich.

myTischtennis.de: Was wünschen Sie sich als ehemaliger DTTB-Präsident und heutiger ITTF-Präsident für die WM in Düsseldorf?

Thomas Weikert: Eine schöne WM und einen friedlichen Umgang aller teilnehmenden Nationen untereinander. Ich erhoffe mir auch einen neuen Präsentationsstatus, dass die WM medial noch besser dargestellt wird. Wir arbeiten momentan dafür auch an einigen neuen Effekten für den Center-Court-Bereich, von denen ich glaube, dass es gut werden wird. Es wird da etwas kommen. Als ITTF- und ehemaliger DTTB-Präsident darf ich auch sagen, dass ich der Heim-Nation nicht zuletzt wegen der Stimmung bei der WM eine oder zwei Medaillen wünsche. Ich fände es auch schön, wenn bei den Medien zusätzliche Aufmerksamkeit geweckt werden könnte durch bestimmte Aktionen wie vielleicht wieder ein deutsch-chinesisches Doppel. Dem DTTB wünsche ich außerdem einen Gewinn durch die WM, der für die Entwicklung eingesetzt werden kann.

myTischtennis.de: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Weikert.

...Fortsetzung folgt in drei Wochen, wenn wir als nächstes einen Zeitzeugen der WM 2006 in Bremen zu Wort kommen lassen.

(Interview: Dietmar Kramer)

Kommentar schreiben

Um weiterhin qualitativ hochwertige Diskussionen unter unseren Artikeln zu gewährleisten, haben wir uns dazu entschlossen, die Kommentarfunktion mit dem myTischtennis.de-Login zu verknüpfen. Wenn Sie etwas kommentieren möchten, loggen Sie sich einfach in Ihren Account ein. Die Verwendung eines Pseudonyms ist weiterhin möglich, der Account muss jedoch einer realen Person zugeordnet sein.

* Pflichtfeld

Copyright © 2025 myTischtennis GmbH. Alle Rechte vorbehalten.