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Kilians Blog: Im "Doppel-Flow" von Bangkok

Holten Gold bei ihrer Doppel-Premiere: Tobias Hippler (l) und Kilian Ort (©ITTF)

19.12.2022 - Als Tischtennisprofi kommt man viel herum. Ein paar Orte bleiben einem dabei besonders in Erinnerung - sei es, weil man dort ein erfolgreiches Turnier gespielt hat oder weil der Ort an sich so interessant war. Im Fall der ITTF Challenge Thailand Open 2018 ist für Kilian Ort sicherlich beides zutreffend. In seinem Blog erzählt er sowohl von seinem ersten großen Triumph im internationalen Erwachsenenbereich als auch von den Eindrücken, die er in Bangkok gesammelt hat.

Los ging mein Thailand-Trip von Düsseldorf aus über Helsinki in die thailändische Hauptstadt Bangkok, wo mir außerhalb des Suvarnubhumi-Flughafens erstmals die tropischen Verhältnisse bewusst wurden. Nach knapp zwölf Stunden Flugzeit wunderte ich mich auch ein bisschen, warum beim kleinen Van, der als Abhol-Shuttle diente, die große Schiebetür - anders als bei uns - auf der linken Seite zu finden ist. Ich hatte schon davon gehört, dass in Großbritannien, Hongkong oder auch in Japan die Autos auf der linken Straßenseite verkehren und demnach der Fahrer auf der rechten Seite sitzt. Doch die Tatsache, dass auch in Thailand links gefahren wird, war bis zum Tag meiner erstmaligen Ankunft in Bangkok - im Mai 2018 - an mir vorbeigegangen. Wieder was gelernt!

Shoppingcenter als Turnierkulisse

Im Shuttle unterhielt ich mich mit einem Volunteer über die politische Lage in der konstitutionellen Monarchie. Mein Gegenüber erläuterte mir, dass viele Leute mit dem regierenden König unzufrieden seien. Das thailändische Staatsoberhaupt würde sich häufiger in Deutschland aufhalten als in seinem Heimatland, was zu Beginn der „Coronazeit“ auch in deutschen Medien erhöhte Aufmerksamkeit erlangte, da sich Rama X. nicht immer vorbildlich an die Regelungen der bayerischen Staatsregierung gehalten haben soll. Darüber hinaus erklärte mir der freiwillige Helfer, dass Kritik an seiner Majestät mit einer Haftstrafe verbunden sei. Für mich waren dies interessante erste Eindrücke von einem Land, von dem ich – wie bei vielen anderen Nationen auch – bis auf den Flughafen, das Hotel und die Halle leider nicht viel mehr zu sehen bekam. 

Alles in allem war ich an diesem Mittwochmittag ziemlich hektisch unterwegs, da mich Tobias Hippler davon überzeugte, erstmals mit ihm Doppel zu spielen, und um 21.10 Uhr Ortszeit unser Auftaktdoppel in der Quali anstand. Oftmals wurde zu der damaligen Zeit bei den „Challenge“-Turnieren erst am Donnerstagabend mit den Doppeln begonnen, weshalb ich von der Ansetzung überrascht war und sonst auch meine Flüge anders gebucht hätte. Hippi war bereits in Bangkok, da er sich auch im Einzel durch die Mühlen der Qualifikation arbeiten musste, was zumindest den Vorteil hatte, dass er bereits akklimatisiert war. Im Hotel angekommen berichtete mir Hippi davon, dass sich die Halle innerhalb eines großen Shopping-Centers befindet. Ich bin nun wahrlich keine „Shopping Queen“, doch habe auch ich schon das ein oder andere Einkaufszentrum in europäischen Metropolen von innen gesehen, weshalb ich beim erstmaligen Betreten des Fashion Islands in Bangkok von der Dimension des Gebäudes mehr als beeindruckt war. Neben den vielen Modeshops, den unzähligen Smartphone-Accessoires-Ständen und großen Verpflegungs-Korridoren ergänzten u.a. ein Kino, eine Eislaufarena und in der dritten Etage eine große Sporthalle, die in dieser Woche als Tischtennishalle fungierte, das vielfältige Angebot für die Kunden. Die Turnierorganisatoren machten sich dies zu Nutze, indem sie nicht selbst Essen bereitstellten, wie es sonst üblich ist, sondern den Spielern Gutscheine gaben, mit denen man sich in bestimmten „Food-Courts“ selbst verköstigen konnte. Das Essen war qualitativ gut und da dort alles relativ günstig war, konnte man sich den Bauch auch schön vollschlagen. Lediglich beim Verzehr von Fleisch sollte man in Asien vorsichtig sein, um bei der nächsten Dopingprobe ein böses Erwachen zu vermeiden. 

Ärger mit falschen Aufschlägen

Nach den ersten Eindrücken in der Achtmillionen-Metropole ging es für das Doppel Hippler/Ort – wie schon erwähnt – am Mittwochabend los. Glücklicherweise trafen wir in der ersten Qualifikationsrunde auf zwei Thailänder, die wir - bei allem Respekt - auch mit ein bisschen Jetlag in den Knochen niederhalten mussten, was uns auch souverän gelang. Am darauffolgenden Tag wartete in Form zweier junger Koreaner schon ein anderes Niveau auf uns. Den Namen des Rechtshänders lasen wir an diesem Tag selbst das erste Mal, der Linkshänder – Cho Dae Song – ist einigen Kennern der Szene mittlerweile ein Begriff. Vom Coach an der Bande – Oh Sang Eun, u.a. WM-Einzelmedaillengewinner von 2005 – sollten die meisten Tischtennisspieler, die in den 2000er Jahren schon größer als 1,20 Meter waren, zumindest schon einmal etwas gehört haben. Nach 1:2-Rückstand drehten wir die Partie noch zu unseren Gunsten und erreichten somit das Hauptfeld der Thailand Open. 

Im Einzelwettbewerb meinte es die Losfee nicht ganz so gut mit mir. Eigentlich war ich der Meinung ziemlich gut drauf gewesen zu sein, doch unterlag ich bereits in der ersten Runde des Hauptfelds einem ungesetzten Chinesen namens Xu Ruifeng. Ich muss zugeben, dass ich dieses Spiel gut und gerne auch hätte gewinnen können, da ich meinem Kontrahenten spielerisch zumindest nicht deutlich unterlegen war. Doch jeder, der selbst mal längere Zeit am aktiven Wettbewerbsbetrieb teilgenommen hat, kennt wohl das Gefühl aufgrund falscher Aufschläge des Gegners im Nachteil zu sein. Über dieses Thema könnte man sicherlich ein Buch schreiben, doch möchte ich es dabei belassen, dass nahezu alle Profis – sei es bewusst oder unbewusst – diesbezüglich im Grenzbereich arbeiten. Wer aber mal einen Aufschlag von Xu Ruifeng gesehen hat, könnte ernsthafte Zweifel daran bekommen, ob sich die aktuelle Aufschlagregel in dessen chinesischer Provinz schon rumgesprochen hat. Nichtsdestotrotz hätte ich den einfachen, aber sinnvollen Ratschlag, „fokussiere dich auf deinen Aufschlag“, den ich Jahre später von meinem heutigen Teamkollegen Bastian Steger erhalten habe, auch schon 2018 anwenden sollen, um nicht unnötige Energie wegen diskutabler Aufschläge zu verschwenden. Das Einzelturnier war für mich somit nach einer 2:4-Niederlage früher als erhofft beendet. 

Rein in den „Doppel-Flow“

Da auch Hippi unglücklich ausgeschieden war, konnten wir uns auf das Doppelturnier fokussieren, in dem wir nach Siegen über eine taiwanesische und eine französische Paarung bis ins Halbfinale vorstießen. Dort angelangt warteten mit Masataka Morizono und Kenta Tazoe zwei Japaner, gegen die wir uns nicht allzu viel ausrechneten, da Erstgenannter nur wenige Monate zuvor noch im Doppel-WM-Finale gestanden hatte. Sein Doppelpartner hieß damals Oshima, doch hörte ich von meinem japanischen Vereinstrainer Koji Itagaki, dass auch Tazoe im Land der aufgehenden Sonne als exzellenter Doppelspieler angesehen wird. Als wir allerdings auch die favorisierten Japaner niederringen konnten, wuchs in uns der Glaube, dass uns selbst die Inder Gnanasekaran/Shetty im Finale nicht mehr stoppen konnten, da wir uns in einen „Doppel-Flow“ gespielt hatten - und wir sollten Recht behalten. 

Es hatte sich damals so ergeben, dass wir nach jedem verwandelten Matchball aufeinander zusprangen, um unsere Oberkörper „aneinanderklatschen“ zu lassen. So handhabten wir es natürlich auch nach dem gewonnenen Doppel-Finale, was allerdings glücklicherweise das einzige Mal war, dass man die billige Kopie des Jubels der Gebrüder Bryan, die gemeinsam 16 Grand-Slam-Titel im Tennis gewannen, im Stream sehen konnte. Denn die koordinativen Fähigkeiten der Kameraden Hippler und Ort waren diesbezüglich eher kläglich ausgeprägt. Nachdem das Einzelturnier für uns beide enttäuschend verlief, konnten wir somit dennoch mit einem guten Gefühl die thailändische Hauptstadt verlassen. In mir reifte durch dieses Turnier die Erkenntnis, dass ich doch mit Linkshändern Doppel spielen kann. Zu dem damaligen Zeitpunkt hatte ich über ein Jahrzehnt hinweg fast ausschließlich mit Rechtshändern ein Doppel gebildet, weshalb ich Hippi dankbar dafür bin, dass er damals die Doppelanfrage an mich adressierte.

Wiederholung im nächsten Jahr?

Im kommenden April findet in Bangkok nach mehrjähriger Corona-Pause wieder ein internationales Turnier statt. Mir ist nicht bekannt, in welcher Halle dieses Event stattfinden wird, doch allen, die vorzeitig die Segel streichen müssen und denjenigen, die zufällig in Thailands Hauptstadt unterwegs sind und ein Faible für Shopping haben, kann ich das Fashion Island ans Herz legen: Es ist für jeden etwas dabei. 

(Kilian Ort)

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