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Phasendrescher: Der Tischtennisgreis

Auf den Tischtennisgreis ist im äußersten Notfall Verlass (©Laven)

26.10.2020 - Langsam aber sicher biegt unser Phasendrescher Philipp Hell auf die Zielgerade seiner dritten Blog-Serie auf myTischtennis.de, zum Thema typische Phasen einer Amateurkarriere, ein. Hier darf natürlich der Tischtennisgreis nicht fehlen, der nicht mit dem Tischtennis-Opa aus der elften Phase verwechselt werden darf und sicher in jedem Verein zu finden ist. Der regelmäßige Ligabetrieb ist zwar nichts mehr für ihn, aber als ‚Feuerwehrmann‘ kann man doch noch auf ihn bauen.

Der Übergang vom Tischtennis-Opa zum Tischtennis-Greis ist fließend aber unaufhaltbar. Irgendwann gegen Ende des achten Lebensjahrzehnts ist es einfach soweit: Der Körper will nicht mehr so wie der Geist. Wobei auch Johanns Geist langsam etwas müde ist vom 24. Versuch, endlich in die 2. Kreisklasse aufzusteigen oder vom wiederholten – und vermutlich erneut nicht von Erfolg gekrönten – Bemühen, nach einem völlig überraschenden Aufstieg die Klasse eins höher tatsächlich mal zu halten. 

Das ganze Zeug mit diesem Internet

Pokale, Vereinsmeisterschaften, Ranglisten, Turnierserien oder neue Beläge interessierten Johann zuletzt eigentlich nur noch höchstens peripher. (Wobei man festhalten muss, dass neue Beläge schon in den letzten gefühlt 30 Jahren nicht mehr auf Johanns Agenda standen.) Zum Mannschaftsabend und zum Vereinsausflug ist er aber immer noch gerne gegangen, denn die soziale Seite am Tischtennis-Sport hat ihm schon immer am meisten zugesagt. Aber die ganzen Regeländerungen der letzten Jahre, bunte Beläge, Plastikbälle, Kreisreformen, das ganze Zeug mit diesem Internet – so richtig kam Johann da schon seit einiger Zeit nicht mehr hinterher. „Online“ sind alle Ergebnisse jederzeit einsehbar? Er wartet schon die letzten fünf Jahrzehnte darauf, dass die Lokalzeitung dienstags immer „Ergebnisse & Tabellen vom Tischtennis“ abdruckt, mehr Aktualität braucht Johann nicht.

Also hat er nach Ende der vergangenen Saison mit nunmehr 78 Jahren und gar nicht mal so schweren Herzens einfach beschlossen, seinen Tischtennis-Schläger mehr oder weniger spontan an den Nagel zu hängen und seine doch sehr lange Karriere (über 60 Jahre beim SV-DJK Grün-Weiß Schwarzberg!) zu beenden. Wobei er sich an den alten Schlager-Text hielt, dass man ja niemals so ganz gehe: Seinem – nun nur noch ehemaligen – Mannschaftsführer Peter hat er versprochen, dass dieser ihn im Falle eines Falles, also im wirklich außergewöhnlichsten Notfall, falls man sonst ein Spiel wirklich kampflos herschenken müsse und es in der Liga wirklich noch um Alles gehe, doch noch mal als Ersatzspieler anrufen und aufstellen könne.

Mit Weinschorle und Rommé im Garten

Von diesem Angebot macht Peter in den ersten Monaten der neuen Saison so regen Gebrauch, dass Johann sich nach sechs Einsätzen aus den ersten sieben Punktspielen der achten Mannschaft des SV-DJK gezwungen sieht, das Thema bei Peter freundlich aber bestimmt anzusprechen und dem Ganzen einen Riegel vorzuschieben. Schließlich hatte er seiner Gisela hoch und heilig versprochen, nun sportlich endlich deutlich kürzer zu treten um nun mehr Zeit zu zweit im eigenen Garten verbringen zu können, bei einem Gläschen Weißweinschorle und einer Partie Rommé oder Canasta. So werden Johanns Einsätze in der Rückrunde tatsächlich deutlich seltener, um schließlich eine Saison später praktisch ganz aufzuhören. Spielerisch war es zuletzt ohne regelmäßiges Training dann eben auch nicht mehr so prickelnd und die Bälle heben sich auch nicht mehr so einfach auf wie noch vor vier oder fünf Jahren. Ach, die Bandscheiben…!

Doch ab und zu hilft alles nichts, dann wird Johann einmal pro Saison eben doch noch gebraucht bevor man mit einem Mann weniger antritt oder sogar gar nicht. Da zeigt sich einfach Johanns gute Seele, er lässt seine alten Freunde nicht hängen und stellt sich zur Not mehr schlecht als recht doch noch mal an die Platte, auch wenn er dann eher als Platzhalter auf dem Spielberichtsbogen angesehen werden muss. Denn sein letzter Spielgewinn ist nun auch schon wieder die eine oder andere Spielzeit her. 

Schach statt Tischtennis

Wenn dann so ein hoch- bis übermotivierter junger Spieler mit beinahe exponentiell steigendem TTR-Wert zum vereinbarten Treffpunkt zur Auswärtsfahrt für das Spitzenspiel der 4. Kreisliga kommt und schon aus der Ferne Johanns schlohweißen Schädel sowie seinen Ballonseide-Trainingsanzug aus den Achtzigern leuchten sieht, dann weiß dieser Jungspund umgehend, dass es heute für seine Mannschaft eher nichts zu holen geben wird und er sich den erhofften Aufstieg in die gegelten Haare schmieren kann.

Johann freut sich jedoch trotzdem nach wie vor, die nachkommenden Jugendlichen seines Herzensvereins beobachten zu können, nebenbei die Erfolge der ersten Mannschaft auf Verbandsebene teils vor Ort live miterleben zu können und immer wieder mit seinen ehemaligen Mitspielern zu plaudern. Und da ihm der Wettkampf schon ein bisschen abgeht, er eigentlich viel lieber Bier als Weinschorle trinkt und von dem ewigen Kartenhalten an den zahllosen Rommé-Nachmittagen schon ganz zittrige Hände bekommt, ist er nun kürzlich der Schachabteilung seines SV-DJK beigetreten. Die großen Vorteile: Hier gibt es keine schnellen Bälle, man kann auch während einer Partie sitzen, der Bezirksliga-Aufstieg erscheint machbar und das Zeug mit dem Internet wird sich schon auch noch irgendwie finden – irgendwann.
 

Zur ersten Phase "Der TT-Knirps"
Zur zweiten Phase "Das talentierte Kind"
Zur dritten Phase "Der pubertierende Jugendliche"
Zur vierten Phase "Der übermotivierte 17-Jährige"
Zur fünften Phase "Der abwesende Student"
Zur sechsten Phase "Der ehrgeizige Endzwanziger"
Zur siebten Phase "Der unpässliche Familienpapa"
Zur achten Phase: "Zweite Luft in den Vierzigern"
Zur neunten Phase: "Der gesellige Mittfünfziger"
Zur zehnten Phase: "Der brandgefährliche Routinier"
Zur elften Phase: "Der Tischtennis-Opa"

(Philipp Hell)

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