03.02.2021 - Corona hat ganz Deutschland fest im Griff. Aus dem hohen Norden meldet sich Bremens Verbandspräsident Tobias Genz mit einem interessanten Interview, in dem er die Lage in der Hansestadt schildert und Hintergründe zu Verbandsentscheidungen erklärt. Der Anlass des Gesprächs, das Burkhard Hünniger führte, ist der 70-jährige Geburtstag des FTTB, der am 19. Januar gefeiert wurde.
Das vergangene Jahr 2020 war für Sie durch die Covid-19 Epidemie sicherlich auch ein ganz besonderes Jahr. Mal durch die Präsidentenbrille geschaut: Wie sieht der sportliche Tischtennis-Jahresrückblick für den Bremer Verband aus?
Tobias Genz: Aus sportlicher Sicht ist der Jahresrückblick natürlich sehr ernüchternd, es ist nun die zweite Saison, die wir leider nicht zu Ende spielen können, auch der Individualspielbetrieb hat natürlich sehr gelitten, es mussten zahlreiche Veranstaltungen abgesagt werden.
Corona ist das bestimmende Thema unserer Zeit. Welche „Verwüstungen“ hat dieses Virus bisher im FTTB verursacht?
Tobias Genz: Von „Verwüstungen“ würde ich hier nicht sprechen, wir sind natürlich wie jeder andere Sportverband auch, massiv von sämtlichen Einschränkungen betroffen, gleichzeitig bin ich der Meinung, dass wir diese Herausforderung gut gemanagt sowie auch jeweils rechtzeitig kommuniziert haben.
Wozu führten die Absagen aller Turniere, Ranglisten und Meisterschaftsspiele im Verband, schließlich sind solche Veranstaltungen, in denen sich die Sportler messen können, ja das Salz in der Suppe?
Tobias Genz: Natürlich hat es bei vielen aktiven Sportlern für sehr große Enttäuschung gesorgt, letztendlich dürfte jedoch inzwischen allen bewusst sein, dass dies außerhalb unseres direkten Einflussbereichs liegt.
Der Spielbetrieb ist ausgesetzt worden, die Turnhallen sind geschlossen. Wie groß sind die Befürchtungen, dass Tischtennisspieler, ob jung oder alt, entwöhnt werden und sich von ihrem Sport abwenden und nicht mehr zum Schläger greifen?
Tobias Genz: Das ist natürlich ein Risiko, das wir derzeit leider noch nicht genau abschätzen können. Momentan zieht es die Leute natürlich eher nach draußen als in irgendwelche Sporthallen. Natürlich hoffen wir, dass die „Aussteigerquote“ möglichst gering ausfallen wird. Gleichzeitig bin ich jedoch sehr positiv, dass auch viele Sehnsucht haben und sich darauf freuen, dass es irgendwann wieder los geht!
Ein großes Thema im FTTB dürfte sicherlich der Rückgang unserer Nachwuchsspieler sein, wie auch in ganz Deutschland. 30 % der Kinder und Jugendliche wurden im FTTB in fünf Jahren verloren, was wird sich tun und welche Hoffnungen gelten für die Zukunft?
Tobias Genz: Das Angebot an Alternativen zur Freizeitgestaltung nimmt von Jahr zu Jahr zu, somit wird der Wettbewerb größer. Nichtsdestotrotz bleiben wir natürlich nicht untätig, so hat sich im Sommer ein fast komplett neuer Jugendausschuss formiert, der sich das Ziel Jugendgewinnung zur Aufgabe gesetzt hat.
Wie groß sind die Befürchtungen, dass die Kinder nach der Epidemie nicht wieder zum Tischtennis gehen? Ein ganzes Jahr ist für Kinder ja bereits ein großer Teil ihres Lebens.
Tobias Genz: Hier gehen wir davon aus, dass (zumindest die gut organisierten) Vereine auch während der Pandemie den Kontakt zu den Kindern halten, im Zeitalter von diversen Messengern wie WhatsApp & Co sollte es auch möglich sein, außerhalb der Halle zu kommunizieren. Natürlich bleiben die grundsätzlichen Befürchtungen für einen Rückgang aber auch hier im Hinterkopf.
Wir befinden uns bereits im elften Monat der Pandemie, Zeit für einen Rückblick: Welche besonderen Momente aus dieser Krisenzeit stellten für die Verbandsarbeit besondere Herausforderungen dar?
Tobias Genz: Die herausfordernde Zeit waren vor allem die ersten Tage, wir haben relativ schnell auf den Ausbruch des Virus reagiert, sowohl in Bezug auf Tischtennis-Deutschland, als auch in Bezug auf den Sport in Bremen. Die Kritik in den ersten paar Tagen, respektive Stunden, war enorm! Es gab sehr großes Unverständnis und Entsetzen. Rückwirkend betrachtet würde sicherlich niemand mehr unsere Entscheidung kritisieren, jedoch war gerade diese Diskussion am Anfang sehr herausfordernd, nicht überall konnte man unsere Entscheidung nachvollziehen. Nach elf Monaten hat sich das jedoch inzwischen sehr gut eingespielt.
Der FTTB entschloss sich zu Beginn der Saison, die Meisterschaftsspiele in Bremen mit Doppeln spielen zu lassen, im Gegensatz zu anderen Landesverbänden, wie etwa in Niedersachsen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Tobias Genz: Wahrscheinlich war es der Optimismus, der uns dazu getrieben hat, genau der gleiche, der uns überhaupt hat die Saison starten lassen. Die Diskussionen, ob mit Doppel oder ohne Doppel, waren sehr müßig. Meine Meinung damals, die sich rückwirkend auch bestätigt hat: Es macht keinen Unterschied. Sobald eine zweite Welle kommt, und die kam ja bekanntermaßen, wird sowieso komplett abgebrochen.
Wie groß ist denn der Leidensdruck in Corona-Zeiten bei den Vereinen in Bremen? Ist bekannt, ob schon Tischtennisspieler wegen fehlender sportlicher Möglichkeiten aus den Vereinen ausgetreten sind? Mit welchen besonderen Aufgaben sehen sich die Vereine konfrontiert?
Tobias Genz: Der grundsätzliche Leidensdruck bezogen auf Tischtennis ist sicherlich hoch, genauso wie bei allen anderen Freizeitaktivitäten auch. Ob wirklich Menschen derzeit aus den Vereinen austreten, ist mir noch nicht bekannt, ich gehe eher davon aus, dass die Vorfreude für einen Wiedereinstieg siegt! Sicherlich gibt es eine normale Fluktuation, es gibt Interessenverschiebungen bei den aktiven Spielern und man sucht sich andere Hobbys. Die wahre Herausforderung ist es, in der Pandemie im Rahmen der Fluktuation wieder „aufzufüllen“ und neue Menschen für unseren wunderbaren Sport zu begeistern. Dadurch kann es bedauerlicherweise schon zu Rückgängen bei den Mitgliederzahlen innerhalb der Vereine kommen.
Welche Anfragen, Rückmeldungen, Bedenken erreichen Sie im Präsidium aus den Vereinen, wie ist die Stimmung an der Basis?
Tobias Genz: Die Stimmung ist sehr gemischt, auf der einen Seite möchten viele unbedingt wieder aktiv Tischtennis spielen. Für mein Empfinden unverständlicherweise erreichen uns doch regelmäßig noch Anfragen, wann es denn nun wieder losgeht. Mit etwas gesundem Menschenverstand kann ich dann auch immer nur auf die aktuellen Nachrichten hinweisen. Auf der anderen Seite haben wir uns im Sommer stark dafür eingesetzt, dass die Sporthallen wieder geöffnet werden und Tischtennis möglich ist. Gleichzeitig gab es jedoch auch für den Saisonstart viel negative Kritik, die Menschen waren immer noch unsicher, ob es Sinn ergibt. Aus heutiger Sicht auf jeden Fall nachvollziehbar. Grundsätzlich scheint die Tischtenniswelt (zu Recht) gerade etwas gespalten zu sein, die einen wollen unbedingt und die anderen sind lieber vorsichtig.
Sind alternative Möglichkeiten und Aktionen zum aktiven Tischtennissport aus den Vereinen bekannt, um die Mitglieder "bei der Stange zu halten"?
Tobias Genz: Nach meinem Kenntnisstand gibt es z.B. diverse Fitnessalternativen und einige Vereine versuchen, mit sogenannten Home-Workouts ihre Mitglieder bei Bewegung zu halten. Allerdings ist Individualsport unter strengen Auflagen zu zweit auch erlaubt! Einige Vereine nutzen diese Möglichkeit.
Es ist auch überregional die Rede vom Mitgliederschwund in den Vereinen. Wie sieht die Tendenz im FTTB aus, wie viele Vereine und Mitglieder zählt der Verband zur Zeit?
Tobias Genz: Zuletzt hatten wir 35 Vereine, aktuell sind es aufgrund von Fusionen nur noch 34 Vereine. Die wichtige Kennziffer für uns ist immer die Anzahl der Mannschaften, leider ist diese in den letzten Jahren auch bei uns runtergegangen. Hier kommen wir in Summe, Herren, Damen, Nachwuchs & Senioren auf knapp 200 Mannschaften. Die Anzahl der aktiven Tischtennisspieler ist für uns immer schwer zu erfassen, da es in vielen Vereinen auch immer noch sehr viele ambitionierte Hobbyspieler ohne Lizenz gibt, da diese nicht am Wettkampfbetrieb teilnehmen, dennoch aber natürlich eine Vereinsmitgliedschaft haben. Von daher schwankt die Summe der Tischtennisspieler – je nach Perspektive – zwischen 2.000 und 3.000.
In diesem Jahr wird auch der ganz große Sport wieder einmal nach Bremen kommen, die Nationalen Deutschen Meisterschaften finden erstmals am 28.09.2021 in der ÖVB Arena statt. Wie genau kam es zu dieser Vergabe, was darf sich Bremen davon erhoffen?
Tobias Genz: Normalerweise finden die Nationalen Deutschen Meisterschaften immer im März statt, dass eine Durchführung zum geplanten Zeitpunkt dieses Jahr nicht möglich ist, wurde relativ schnell klar. Durch die Verschiebung stand der ursprünglich geplante Veranstaltungsort nicht mehr zur Verfügung. Bremen ist routiniert und erfahren in Bezug auf Tischtennis-Großveranstaltungen, aus der offiziellen Pressemitteilung ist zu entnehmen: „herausragendes Pflaster für den Tischtennissport“ sowie „professionelle Partner, vertrauensvolle Zusammenarbeit“. Ich denke, alleine diese beiden Zitate sprechen für sich.
Wagen Sie bitte eine Prognose: Wann können wir in Bremen wieder wie in „alten Zeiten" in die Sporthallen gehen und unseren Sport unter gewohnten Bedingungen ausüben?
Tobias Genz: Wie oben schon erwähnt, bin ich kein Freund davon, solche Aussagen zu treffen. Letztendlich sind wir doch alle „pandemische Laien“. Nichtsdestotrotz hoffe ich, dass wir mit den Impfungen - und dies ist das einzige wirksame Mittel gegen ein Virus - schnell vorankommen werden. Bis wir jedoch wieder zum Alltag zurückkehren werden, wird es sicherlich noch einige Monate dauern.
(Burkhard Hünniger)
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