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Janinas Blog: WTT Macau - Top oder Flop?

Die WTT-Arena kann sich sehen lassen (©ITTF)

30.11.2020 - Seit März kündigt die ITTF die große, neue Zukunft des Tischtennissports an. „World Table Tennis“ - das soll nicht nur höhere Preisgelder und eine neue Turnierstruktur bedeuten, sondern auch eine bessere Präsentation und angepasste Regeln. Alles zu dem Zweck, Tischtennis attraktiver zu machen. In den vergangenen Tagen konnten wir uns im Test-Event in Macau einen ersten Eindruck verschaffen. myTischtennis.de-Redakteurin Janina Schäbitz bewertet, ob zu viel versprochen wurde.

Es war nur ein Test. Das wurde im Vorhinein und vor allem auch während des ersten WTT-Events in Macau immer wieder betont. Vielleicht diente dies der Beruhigung der Tischtennis-Traditionalisten, die befürchten müssen, dass ab 2021 alles, was man in den vergangenen Jahrzehnten lieb gewonnen hat, auf den Kopf gestellt wird. Aber, wie das bei einem Test so üblich ist, können Dinge, die vorher in der Theorie vielleicht sinnvoll erschienen, sich durch das Experiment auch als untauglich erweisen. Ich habe mir WTT Macau mit kritischem Auge und unter genau jenem Aspekt angeschaut: Was ist eine gute Idee - und was kann gerne wieder in der Schublade der Organisatoren verschwinden?

Orange-schwarzer Augenschmaus mit Fragezeichen vorab

Dabei geht es natürlich auch um Geschmacksfragen. Und jeder, der diesen Blog liest, ist eingeladen, seine Meinung in den Kommentaren zu äußern. Ich möchte mich vor allem mit der Präsentation und den neuen Regeln beschäftigen. Das Konstrukt WTT mit seinen Hintermännern, welches auch den DTTB zum Protest verleitete, soll hier außen vor bleiben. Kommen wir also zunächst zu dem Punkt, der als Erstes ins Auge fällt: die Präsentation. Auch wenn im Vorhinein eine verbesserte mediale Berichterstattung angepriesen wurde, war ich, zumindest was die Vorberichterstattung anging, enttäuscht. Selbst zwei Tage vor Turnierstart war es mir trotz intensiver Suche nicht möglich, eine verlässliche Teilnehmerliste einzusehen. Die unübersichtliche World-Table-Tennis-Webseite war da auch keine Hilfe - und so fiel einem fast ein Stein vom Herzen, als die ITTF ihre gewohnte, altbekannte Turnierseite mit allen nötigen Infos auch für dieses Event öffnete, wo dann auch die Ergebnisse live und im Nachhinein abgerufen werden konnten. Infos vorab? Eher Flop!

Die Aufmachung des Events an sich war dagegen ein echter Augenschmaus. Der schwarze Tisch auf schwarzem Boden mit orangefarbenen Akzenten war sicherlich auf den ersten Blick etwas gewöhnungsbedürftig, machte für mich aber einen durchaus edlen und stylischen Eindruck. Dazu der Einmarsch und die Vorstellung der Spieler mit interessanten Statistiken und Fakten - alles top! Die ‚Arena‘ bestand nur aus einem einzigen Tisch, das heißt, die volle Konzentration galt dem Center-Court. Prinzipiell eine gute Sache - wenn gerade ein langweiliges Spiel läuft, hat man aber natürlich auch keine Ausweichmöglichkeiten. Ich persönlich kann dem Center-Court-Modell allerdings durchaus was abgewinnen. Das nächste Spiel folgte übrigens innerhalb der einzelnen ‚Sessions‘ direkt im Anschluss. Das hat den Nachteil, dass man nicht genau weiß, für wann das Spiel des eigenen Lieblingsspielers angesetzt ist, aber auch den wichtigen Vorteil, dass keine unnötigen Pausen entstehen und der Interessierte vorm Bildschirm dranbleiben möchte.

Welche ist die beste Perspektive?

In Sachen Kamerapositionen scheinen sich die Organisatoren einige Gedanken gemacht zu haben. Und diese wurden im Netz auch schon ausführlich auseinandergenommen, interessanter Weise mit völlig unterschiedlichem Ergebnis. Während sich die einen leidenschaftlich gegen die seitlich und etwas erhöht aufgestellte Hauptkamera auslassen, loben die anderen die Kameraarbeit des Weltverbands. Ich bin persönlich kein großer Fan der traditionellen Perspektive (von oben hinter einem der beiden Spieler). Die seitliche Variante hat allerdings auch seine Vor- und Nachteile. Zwar sind nun beide Spieler gleichberechtigt im Bild zu sehen, man kann die Geschwindigkeit des Balles und auch die Bewegung nach vorne und hinten viel besser nachvollziehen. Auf der anderen Seite werden viele Aufschläge aus Sicht des Zuschauers verdeckt und die Flugkurven von Bällen mit Seitschnitt sind sicherlich nicht so gut wahrnehmbar wie von der kurzen Seite des Tisches aus. 

Eine Perspektive, von der aus man alles gleich gut sehen kann, wird allerdings schwer zu finden sein. Und so macht es die Mischung, was die ITTF wirklich hervorragend gemeistert hat. Denn zusätzlich zu der seitlichen Perspektive gab es auch noch eine bewegliche diagonale Kamera, die die Action am Tisch sehr gut in Slow-Motion eingefangen hat, eine Perspektive genau über dem Tisch, die mir persönlich wenig gegeben hat, aber die sicher eine nette Abwechslung für die Regie war, sowie nahe Einstellungen, die die Spieler beim Aufschlag oder zwischen den Ballwechseln zeigten. Alles in allem eine sehr professionelle Übertragung, die Spaß beim Zuschauen machte. Und die Belieferung der Social-Media-Kanäle mit allen möglichen interessanten Schnipseln vonseiten der ITTF ließ ebenso nichts zu wünschen übrig. Die Präsentation alles in allem? Top!

Zu viele Variationen der Zählweisen

Andere Veränderungen waren da schon deutlich schwieriger zu schlucken. Die wechselnden Zählweisen von Runde zu Runde zum Beispiel. Da reichte das Spektrum von drei Gewinnsätzen bis fünf Punkte bis zu fünf Gewinnsätzen bis elf Punkte - und ein paar Varianten dazwischen. Das trägt für mich in keiner Weise zur Attraktivitätssteigerung des Sports bei, sondern verwirrt nur noch. Es kann nicht sein, dass ich vor jedem Spiel noch mal auf der Webseite nachschlagen muss, wann die Partie denn nun beendet ist. Solche Regeln sollten nicht angetastet werden, denn - mit Verlaub - da werden gerade Nicht-Tischtennisspieler überhaupt nicht mehr durchblicken. Wenn man sich für eine Zählweise entscheidet, wäre ich traditionell bei drei oder vier Gewinnsätzen bis elf. Es ist zwar vielleicht für manche wünschenswert, das Finale über neun mögliche Durchgänge in die Länge zu ziehen. Aber für meinen Geschmack ist das einfach zu lang, besonders, wenn einer der Spieler stark überlegen ist. Drei Gewinnsätze und die Sudden-Death-Regel bei 10:10 machen es dagegen Underdogs etwas leichter, für eine Überraschung zu sorgen. Letztlich keine schlechte Idee im - vor allem in den letzten Runden - etwas vorhersehbaren Turnierverlauf.

Eine weitere Spielerei, über die man sich streiten kann, ist die Top-4-Runde, in der die vier Topgesetzten noch einmal ihre Setzung unter sich ausspielen (in besagten Sätzen bis fünf Punkten). Der Sieger dieses Mini-Turniers hat dann die freie Wahl, auf wen er im Viertelfinale treffen möchte. Für die Fans ist es vielleicht eine Freude, auf ihre Idole nicht bis zu den letzten Turniertagen warten zu müssen. Mich haben diese Spiele nicht wirklich gekriegt, weil es (außer dem Preisgeld natürlich) letztlich um nichts ging. Und Xu Xins 'Lohn', sich seinen Viertelfinalgegner frei aussuchen zu dürfen (Mattias Falck), hat ihm am Ende auch nichts gebracht. Somit fällt mein Urteil im Punkt Regelanpassungen geteilt aus.

Top oder Flop?

Was erwartet uns also im Jahr 2021? Eine glänzende WTT-Zukunft? Ich denke, die ITTF hat in Sachen Präsentation nicht zu viel versprochen. Die WTT-Events werden, wenn sie den Maßstäben von Macau folgen, hochwertig produziert und eine deutliche Verbesserung zu den bisherigen Übertragungen sein. Was den geänderten Turnierablauf samt unterschiedlichen Zählweisen angeht, hoffe ich allerdings, die ITTF wird noch einmal in sich gehen und bei der Auswertung ihres Test-Events zu ähnlichen Schlüssen wie ich kommen. Neuerungen wie der Sudden-Death-Regel kann ich viel abgewinnen, mehrfache Änderungen der Zählweise mitten im Turnier will ich hingegen nicht haben. Aber dies ist natürlich auch nur die eine Seite der WTT-Medaille. Die neue Turnierstruktur bzw. die Herabstufung kontinentaler Events sowie der Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen in ihrer Wertigkeit wären noch einmal einen eigenen Blog wert.

(JS)

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