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Lennarts Blog: Ein Hingucker mit Bezahlschranke

Einen komplett neuen Look hatten die WTT-Turniere in Doha (©ITTF)

16.03.2021 - Die ersten beiden WTT-Turniere sind Geschichte - ein perfekter Zeitpunkt für ein erstes Resümee! Unser Blogger Lennart Wehking sieht vor allem in Sachen Aufmachung und Vermarktung eine Entwicklung in die richtige Richtung, bedauerte aber die Absage der Chinesen, welche den Turnieren sportlichen Wert genommen hat. Was Wehking aber richtiggehend geärgert hat, war die Tatsache, dass viele Spiele - anders als früher - nicht kostenfrei verfolgt werden konnten.

Tischtennis und das Emirat Katar gehen dieser Tage eine feste Partnerschaft ein. Mit dem olympischen Qualifikationsturnier läuft momentan die dritte internationale Großveranstaltung nacheinander am Persischen Golf. Dass die Veranstaltung, bei der um einige der noch nicht verteilten olympischen Tickets für das Jahreshighlight in Tokyo gekämpft wird, von den beiden vorherigen Turnieren abweicht, ist nicht zu übersehen - gleiches Terrain, völlig anderes Antlitz: Der Boden glänzt wieder im altbewährten Rot, die Tische schimmern wieder im matten Grün-Grau, für einen Sieg benötigt es die international üblichen vier Gewinnsätze. Die erste Aufführung des World Table Tennis (WTT), der neuen Turnierserie des Weltverbands, ist vorüber - Zeit, ein Resümee zu ziehen!

Sportliche Klasse nach der internationalen Pause – aber ohne die Allerbesten

Zuerst zum Sportlichen: Mit Dima Ovtcharov als Gewinner der Contender-Ausgabe und Ruwen Filus als Finalisten der Star-Contender-Variante drückten zwei altbekannte deutsche Nationalspieler den Veranstaltungen in Doha ihren Stempel auf. Mit den zahlreichen Siegen der beiden Niedersachsen über die versammelte nicht-chinesische Weltelite dürfte Bundestrainer Jörg Roßkopf mehr als zufrieden den Rückflug angetreten haben. Mit im Gepäck: wichtige Erkenntnisse über den Leistungsstand der größten deutschen Olympiarivalen Japan, Korea, Taiwan und Schweden. Wenngleich die deutschen Damen nicht so brillierten, war es mit Sicherheit auch für Nina Mittelham, Han Ying und Shan Xiaona ein wichtiger, wenngleich kurzweiliger Leistungsabgleich auf absolutem Topniveau.

Mit großer Spannung wurde das Aufeinandertreffen der internationalen Szene nach der wohl für viele intensivsten Trainingsphase aller Zeiten erwartet. Die Tischtennisfans wurden mit fantastischen Rallys, hochmotivierten Profis und so einigen Überraschungen in der Quali und dem Hauptfeld nicht enttäuscht. Ein internationales Stelldichein mit einem krassen Manko: Die Besten der Besten waren in Doha nicht am Start. Kurz vor Beginn der neuen Zeitrechnung im Tischtennissport, wie es der Weltverband selbst angekündigt hatte, sorgte die Absage der chinesischen Delegation von allen internationalen Turnieren außerhalb Chinas bis zu den Olympischen Spielen für Ernüchterung. Warum der chinesische Verband all seine Stars aus der monatelang vorbereiteten Serie, deren Werbefokus eindeutig auch dem chinesischen Markt galt, so kurzfristig zurückzog, erschließt sich mir nicht. Die knappe Meldung darüber auf der Seite des Veranstalters zeigt, dass auch der Weltverband vom Rückzug überrascht wurde – hier bleiben Fragen offen. War die Doha-Bubble den chinesischen Entscheidungsträgern nicht sicher genug? Bilder aus der Trainingshalle mit unzähligen Aktiven und nur wenigen Tischen und noch weniger Platz zumindest wirkten zumindest verstörend in den pandemischen Zeiten des Abstandgebots. Andererseits mussten alle Teilnehmenden mehrere PCR-Tests vorweisen; kein Corona-Fall ist bis heute im Rahmen des WTT-Auftakts aufgetreten. 

Schwarz ist Trumpf: Tische, Boden und Homepage im neuen Design

Das Test-Event in Macao Ende vergangenen Jahres hatte schon einige Neuerungen des WTT-Konstrukts preisgegeben, in Doha war es dann so weit: Tische und Boden im stilechten Schwarz mit hellblauen Linien durchzogen, eine neue Kameraperspektive und ein Center Court, der an einen Science-Fiction-Film erinnerte. Diese Art und Weise, unseren Sport zu präsentieren, ist auffälliger, ist schillernder als zuvor. Das Corporate-Design samt neuem Logo, das mich ein wenig an ein Computerspiel erinnert, zog sich durch die gesamte Veranstaltung und all die sie begleitenden Bilder – hier sind absolute Profis am Werk. Die neue Kameraführung gefällt mir sehr gut, sie zeigt die Dynamik des Sports, aber erst durch den Einsatz der beweglichen Kamera auf den Center-Courts. Die fest installierte seitliche Perspektive ist dagegen kein wirklicher Fortschritt und so waren die Übertragungen der ersten Spielrunden keine Augenweide.

Eine deutliche Entwicklung in die richtige Richtung bringt die komplett neu aufgelegte Homepage von WTT. Übersichtlich gelayoutet und mit vielen Inhalten über die Stars der Szene, findet man schnell Ergebnisse, Videos und Ranglisten. Einzig von einer Terminübersicht fehlt jede Spur. Im wahrsten Sinne augenscheinlich ist für mich die aggressive Methode, wie die Macher von WTT die sozialen Kanäle bespielen – mir persönlich sind diese Auftritte ein wenig zu überladen. Apropos Show: Wo war eigentlich Adam Bobrow? Der amerikanische Kommentator fehlte in Doha. Seine emotional-authentische und fachlich sehr gute Kommentierung der Events bereichert die Präsentation unseres Sports. Auf ihn sollte WTT nicht verzichten. Gegenüber dem Test-Ballon in Macao verzichtet hatte WTT auf den Einsatz völlig neuer Zählweisen – zum Glück! Allein die Reduzierung auf drei Gewinnsätze in den Hauptrunden war für mich als Betrachter eine Umstellung, für die Aktiven kann sich dadurch ein internationaler Auftritt noch einmal verkürzen - der Verzicht auf Qualifikationsrunden hat die Möglichkeit für jüngere Spielerinnen und Spieler, internationale Erfahrung zu sammeln, sowieso schon auf ein Minimum reduziert. Hier muss WTT mit all seinen Formaten beweisen, dass es nicht nur um eine kleine, elitäre Gruppen an Profis geht, die im Rampenlicht stehen soll und fettere Preisgelder kassiert, sondern dass auch die Gruppe jenseits der Top 30 eine echte Chance erhält, sich im Profisport zu entwickeln, ohne einen Kredit aufnehmen zu müssen. Tischtennis ist nicht Tennis. 

Live-Tischtennis nur gegen Bezahlung keine gute Idee

Dass nur sehr selten Live-Tischtennis auf den deutschen TV-Kanälen flimmert, ist kein Geheimnis und seit des vollumfänglichen Livestreamings auf diversen Portalen auch kein Problem für mich. Dass ich Livebilder vom Center Court in Katar offiziell nur über ein Bezahlabo eines mir unbekannten Anbieters ergattern konnte, hat mich geärgert. Tischtennis ist in Europa und vielen anderen Teilen des Planeten eindeutig eine Randsportart. Sie sucht nach Öffentlichkeit, sie sucht nach medialer Präsenz. Eine Bezahlschranke ist für mich ein Grund, nicht einzuschalten. Wie es dann Noch-Nicht-Tischtennisbegeisterten geht, ist unschwer zu erraten. Hier zeigt WTT seine sehr kommerzielle Ausrichtung, die für mich nicht kompatibel erscheint mit den Interessen internationaler und nationaler Verbände, den Tischtennissport als olympische Sportart zu promoten und die ja in der Vergangenheit auch für mächtig Zwist gesorgt hat

In eine ähnliche Richtung geht auch mein Fazit nach dem WTT Middle East Hub: Bunt und innovativ war es in Doha. Eine neue, mutige Form, unseren Sport zu erzählen, konnte ich erkennen und viele Elemente sind spannend und medial gewinnbringend. Zentral für mich bleiben aber die sportliche Attraktivität solcher internationaler Turniere durch die Teilnehmenden und die grundlegende Zielausrichtung des Weltverbands. Diese muss bestimmt sein von dem Gedanken, Tischtennis als Sportart weiterzuentwickeln, ganz ohne Bezahlschranken für Verbände, Aktive und Zuschauende.  

(Lennart Wehking)

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