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Dietmars Blog: Neues Selbstverständnis durch Erfolge

Das Olympia-Halbfinale zwischen Dimitrij Ovtcharov und Ma Long begeisterte die Öffentlichkeit (©ITTF)

21.12.2021 - Die Bilanz des Tischtennis-Sports in Deutschland fällt für das ausklingende Jahr – losgelöst von Corona-Einschränkungen – durch Erfolge auf unterschiedlichsten Ebenen ausgesprochen positiv aus. So positiv gar, dass in den Augen unseres Bloggers Dietmar Kramer die Zeit reif ist für ein gewandeltes Selbstverständnis und einen selbstbewussteren Auftritt des Sports, seiner Aktiven und seiner Vertreter.

Wohl nur bei einer vom Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) organisierten Gala hätte noch mehr Tisch-Prominenz im Rampenlicht gestanden als bei der diesjährigen „Sportler des Jahres“-Wahl. Drei Wochen nach der Kür von Paralympics-Sieger Valentin Baus zum Para-Sportler des Jahres bildete Baden-Baden, wo Patrick Franziska als Vertreter des deutschen Herren-Teams für Platz drei, Bundestrainer Jörg Roßkopf als „Trainer des Jahres“ und Annett Kaufmann als „Newcomerin des Jahres“ ausgezeichnet wurden sowie der Olympia-Dritte Dimitrij Ovtcharov und der WM-Dritte Timo Boll in die elitären Top Six kamen, einen angemessen passenden Abschluss für ein ausgesprochen erfolgreiches Jahr des Tischtennis-Sports in Deutschland. Baden-Baden machte jedermann, selbst Tischtennis-Fans, das positive Gesamtergebnis noch einmal sehr deutlich. Zwei Olympia-Medaillen, fünf Podestplätze bei den Paralympics, ein WM-Coup, sechs von sieben möglichen EM-Titeln, beide Europe-Top-16-Siege, europäische Triples durch die Spitzenvereine Borussia Düsseldorf und ttc berlin eastside – ohne China-Power ist mehr praktisch kaum noch möglich.

Intensivere Wahrnehmung von Tischtennis-Erfolgen

Von den auch schon oft großen Erfolgen der vergangenen Jahre unterscheiden sich die Triumphe und Medaillen des ausklingenden Jahres überwiegend durch ihre intensivere Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit. Dabei erscheint aber nicht nur die Bühne Olympia als der benötigte Multiplikator für episch-legendäre Auftritte wie etwa von Ovtcharovs Halbfinal-Drama gegen Chinas Dominator Ma Long oder sein gleich darauffolgender Bronze-Coup. Vielmehr haben sich die deutschen Tischtennis-Asse offenkundig Jahr um Jahr und Erfolg um Erfolg ein beachtliches Ansehen erarbeitet. Die öffentliche Anteilnahme an Bolls WM-Schinderei zu Bronze trotz Zeitverschiebung verstärkt diesen Eindruck von einem verstärkten, besonders aber stetigen Interesse ebenso wie die Ergebnisse der vielfältigen Wahlen zum Jahresabschluss.

Dazu passen weitere Fortschritte in den zurückliegenden Monaten auf strategischen Plattformen, und hier vor allem bei den TV-Sendern. Was während des ersten Corona-Lockdowns 2020 mit den „Düsseldorf Masters“, die vom DTTB mit Borussia Düsseldorf als zartes Pflänzchen mit Partner Eurosport auf Gleis gesetzt worden war, begann, baute die TTBL zu Jahresbeginn beim Liebherr Pokal-Finale durch die Liveübertragung des Endspiels aus Neu-Ulm bei Sport1 weiter aus. Die Krönung war das Millionenpublikum beim Liebherr TTBL-Finale im Rahmen der von ARD/ZDF organisierten Multi-DM „Die Finals 2020“.

Tischtennis-Angebot stößt auf immer stabilere Nachfrage

Zum Erfolg machen diese Erfahrungen aber erst die nachhaltigen Auswirkungen. Das Pokal-Finale gehört bei Sport1 ebenso auch 2022 zum Programm wie das Bundesliga-Endspiel bei „Die Finals“ – die Sender goutieren das Interesse der Sport-Öffentlichkeit mit deutlich ausgeweiteten TV-Zeiten. Das Angebot stößt auf die benötigte Nachfrage. Diese lange ersehnte Tendenz eröffnet den Verantwortungsträgern bei DTTB und Liga neue Handlungsspielräume – und erfordert auch neue Strategien in Verhandlungen mit potenziellen TV-Partnern und Sponsoren. Denn Tischtennis kommt nicht mehr als Bittsteller daher, sondern kann sich durch das Interesse einer deutlich breiter gewordenen Öffentlichkeit als Anbieter interessanter Vermarktungsrechte fühlen.

Das Bewusstsein dafür darf auch durchaus zu einem Wandel des Selbstverständnisses führen – und damit auch zu einer veränderten Tonlage in der Öffentlichkeit. Spitzenvertreter aus dem Tischtennis müssen nicht länger als Underdog und dankbare Empfänger von TV- und Sponsorenalmosen agieren, weil das Angebot erkennbar längst zu gut und einen höheren Preis wert ist. Wichtig ist für die Tischtennis-Funktionäre auf der Suche nach ihrer neuen Rolle eine Balance von angemessenem Selbstbewusstsein und taktischem Geschick. Vermutlich ist eine auf langfristige Verbesserungen ausgerichtete Strategie erfolgversprechender als ein breitbeiniger Auftritt nach dem schlechten Vorbild der Handballer, die auf dem Weg nach Tokio wegen ihrer vermeintlichen Spitzenklasse ernsthaft nahezu ähnliche TV-Zeiten beanspruchten wie „König Fußball“ – und dann bei Olympia krachend scheiterten.

Tischtennis sind durch die Entwicklungen des Jahres 2021 einige Möglichkeiten erwachsen. Wenn die Macher diese Chancen so beherzt ergreifen wie in den vergangenen zwölf Monaten die deutschen Aktiven und Klubs ihre Gelegenheiten in der Box, kann 2022 nicht nur wegen der Heim-EM in München wieder ein spannendes Jahr werden und bei den nächsten Sportler-Wahlen wieder viel Tischtennis-Prominenz auf den Bühnen stehen.

(Dietmar Kramer)

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