Olympia 2021

Analyse: "Dima lange nicht so stabil gesehen"

Elke Schall-Süß, Lennart Wehking und Martin Adomeit sind heute unsere Experten (©myTT)

27.07.2021 - Eine ganze Reihe von Partien mit deutscher Beteiligung stand heute in Tokio an: Zunächst behaupteten sich Han Ying und Dimitrij Ovtcharov in ihren Auftaktspielen gegen Lay Jian Fang und Kirill Skachkov, ehe Timo Boll im Achtelfinale Yeoung Youngsik unterlag. Ovtcharov und Han zogen dagegen zogen jeweils durch Siege über Koki Niwa und Feng Tianwei ins Viertelfinale ein. Die Spiele des Tages analysieren heute Lennart Wehking, Elke Schall-Süß und Martin Adomeit für uns.

Lennart Wehking über den Achtelfinalsieg von Dimitrij Ovtcharov: "Ich habe Dima schon lange nicht mehr so zielstrebig gesehen. Auch seine Reaktion nach dem Match war sehr einprägsam: Da freut er sich kurz, geht dann aber sehr klar und zielstrebig Richtung Trainerbank, woran ich erkennen kann, dass sein Weg in Tokio noch nicht vorbei ist. Die Körpersprache im und nach dem Spiel zeigt mir, dass er weiß, dass dort alles möglich ist. Ich habe ihn seit langem nicht so stabil gesehen wie in diesem Spiel gegen Koki Niwa und auch schon davor in dem Match. Ich finde, er wirkt auf den Punkt topfit, wie gewohnt aggressiv in seinen Angriffsbällen.

Die diagonale Rückhand hat ein paar Mal so eingeschlagen, dass der im Passivspiel normalerweise starke Koki Niwa gar nicht den Ball berührt hat. Ich fand Dima sehr variabel und gut im Aufschlag- Rückschlagspiel. Nach dem klaren dritten Satz hat er den vierten Satz unglaublich souverän gestaltet. Man hat nie das Gefühl gehabt, dass das Spiel kippen kann. Zwar hat er im fünften Durchgang teilweise etwas überhastet und wild gespielt, sich dann aber mit dem Timeout solide mit klarer Strategie den fünften Satz und damit das Match geholt.

Unter dem Strich war vor allem sein Passivspiel sehr gut heute, gerade aus der Halbdistanz. In der Vergangenheit hatte Dima manchmal Probleme bei kurzen oder halblangen Aufschlägen, die in seine Vorhand gingen. Dass er eben dann mit der Rückhand retourniert hat und die Mitte oder Rückhandseite offen war. Heute hat er sich beim Rückschlag auch mit der Vorhand etwas zugetraut und war dann häufig in einer guten Position, um das Zepter später im Ballwechsel zu übernehmen. Das war ein Schlüssel zum Erfolg. Koki Niwa im eigenen Land zu schlagen, ist eine klasse Leistung. Von Dima ist einiges zu erwarten im Turnier!"  

Lennart Wehking über das anstehende Viertelfinale gegen Hugo Calderano:  "Dima hat den vermeintlich einfachsten Gegner unter den Top-4-Gesetzen bekommen. Calderano spielt aber natürlich auch ein Riesenturnier, hat sich auch durchgesetzt gegen Jang Woojin jetzt. Das wird ein richtig, richtig gutes Spiel, weil beide sehr stabil in den Ballwechseln sind und beide sehr variabel spielen. Ich bin auf dieses Viertelfinale unglaublich gespannt, das wird ein echter Leckerbissen!" 

Lennart Wehking über die Achtelfinalniederlage von Timo Boll: "Timo hat ganz gut in die Partie reingefunden, schon der erste Satz war umkämpft. Im zweiten Durchgang hat er dann sehr, sehr gut gespielt, unheimlich druckvoll gespielt, auch aus der Rückhandseite, auch mit der Rückhandseite. Danach hat Yeoung Youngsik, wie Timo auch selbst gesagt hat, den Rhythmus besser gefunden. Vor allem im Aufschlag-Rückschlag-Spiel hatte Timo Nachteile, kam nicht so gut in die Ballwechsel rein, wirkte oft überrascht, hat selbst nicht so den Rhythmus gefunden, während Yeoung Youngsik wenig Probleme mit Timos Aufschlägen hatte.

Der Südkoreaner hat die Ballwechsel oft schon mit seinen Rückschlägen eingeleitet und Timo dann über sein starkes Passivspiel, das heute aber sehr aktiv war, gerade mit dem Rückhandgegenblock in die tiefe Vorhand oft erwischt. Timo hat dann versucht die Platzierung zu wechseln, oft den Ellbogen anzuspielen, damit Yeoung Youngsik eine Seite aufmacht. Ich fand, dass Youngsik heute unglaublich gut auch die Mitte zugemacht hat, nah am Tisch stand, wenig bis gar keine einfachen Fehler gemacht hat. Das hat er in den ersten zwei, drei Sätzen noch gemacht, er wurde aber immer stabiler.

Timo im Gegensatz dazu hat das Niveau aus den ersten zwei, drei Sätzen nicht mehr halten können, hat dann ein paar leichte Fehler gemacht, ein paar halblange liegen lassen und ist dann ein paar Mal doch in der tiefen Vorhand erwischt worden. Als Timo am Ende etwas riskiert hat, ist Yeoung Youngsik das Risiko mitgegangen und hatte ein paar Mal das Glück auf seiner Seite, gerade im letzten Satz, sodass Timo dessen Rhythmus nicht mehr brechen konnte. Alles in allem war das für mich ein Spiel auf Augenhöhe mit einem verdienten Sieger, der einen Tick variabler und spritziger wirkte. Aber Timo muss sich da gar nicht grämen, er hat eine gute Leistung gezeigt."

Elke Schall über den Achtelfinalsieg von Han Ying: "Das war von Anfang an ein hochklassiges Match mit langen Ballwechseln. Feng Tianwei hatte am Anfang ziemlich Probleme, gerade mit den Schnittwechseln von Han Ying. Diese hat direkt ziemlich aggressive Abwehrbälle gespielt und somit teilweise auch einfache Punkte gemacht, weil Feng die Schnittwechsel nicht gesehen hat. Im zweiten Satz hatte Feng Tianwei direkt einen sehr guten Start mit langsameren und schnelleren Spinvarianten. Han ist aber dran geblieben, hat um jeden Ball gekämpft, hat eine gute Länge in ihre Abwehrbälle bekommen.

Feng Tianwei fehlen insgesamt die 'Killerbälle' gegen Abwehr. Mit der Taktik, die sie im dritten Satz gespielt hat, wusste sie gar nicht so richtig, wie sie Punkte machen sollte. Das war frustrierend für sie, dann hat auch Han Ying zwischendurch Angriffsbälle  gespielt und Feng gestört. Im vierten Satz hat Feng die Taktik umgestellt, hat nach dem eigenen Aufschlag oder nach den Schupfbällen versucht, mehr feste, aggressive Bälle zu spielen. Dadurch hatte sie gegen Han die Möglichkeit, Punkte zu erzielen. Das hat sie dann auch im fünften Satz versucht. Aber da das nicht ihrer Spielweise entspricht, hat sie Schwankungen gehabt. Insgesamt war es ein sehr guter, hochverdienter Sieg von Han Ying. Sie hat eine gute Leistung gezeigt, auch für das Auge war es ein tolles Spiel."

Elke Schall-Süß über das anstehende Viertelfinale gegen Sun Yingsha: "Das wird ein unglaublich schweres Spiel für Han Ying. Sun Yingsha hat noch keine Olympischen Spiele gespielt, vielleicht ist sie ja ein bisschen nervös, wer weiß. Han Ying sollte von Anfang an versuchen, zu 100 % da zu sein, sodass sie es vielleicht schafft, direkt den ersten Satz zu gewinnen und Sun dadurch nervös zu machen. Aber es wird sehr schwer, Sun spielt unheimlich aggressiv mit der Vorhand und ich gehe stark davon aus, dass sie das gegen Abwehr auch tut. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, wünsche Han Ying viel Glück und hoffe auf ein gutes Ende für sie."

Martin Adomeit über den Auftaktsieg von Han Ying:  "Für Han Ying war es zu Beginn schwer, einen Spielrhythmus gegen die mit langen Noppen agierende Spielerin aus Down Under zu finden. Aber bei 5:9 im ersten Satz ging ein Ruck durch die Deutsche. Sie drehte den Satz mit sechs Punkten in Folge auf 11:9. Damit war die Selbstsicherheit da. Der zweite Satz verlief ausgeglichen aber bei immer wieder leichter Führung der Deutschen hieß es bald wieder 11:9. Nach einem sicheren 11:7 im Durchgang drei begann Han Ying im Gefühl des sicheren Sieges etwas unkonzentrierter. Bei 4:8 riss die Deutsche das Spiel aber wieder an sich und sieben Punkte in Folge brachten mit 11:8 das klare 4:0 und das Achtelfinale."

Herren-Einzel

3. Runde
Dimitrij Ovtcharov - Kirill Skachkov RUS 4:0 (11,3,11,4)
(Bolls Auftaktspiel fand bereits gestern statt)

Achtelfinale
Timo Boll - Jeoung Youngsik KOR 1:4 (-8,7,-7,-9,-4)
Dimitrij Ovtcharov - Koki Niwa JPN 4:1 (4,-7,0,7,9)

Viertelfinale
Dimitrij Ovtcharov - Hugo Calderano BRA, Mittwoch 14 Uhr
 

Damen-Einzel

3. Runde
Han Ying - Lay Jian Fang AUS 4:0 (9,9,7,8)
(Soljas Auftaktspiel fand bereits gestern statt)

Achtelfinale
Han Ying - Feng Tianwei SIN 4:1 (11,7,9,-8,8)

Viertelfinale
Han Ying - Sun Yingsha CHN, Mittwoch 10 Uhr

(DK)

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