Buntes

Interessante Einblicke: Lius Weg aus Dings Schatten

Auch in Budapest hatte Liu Shiwen feuchte Augen - aber vor Freude (©Thomas)

04.07.2019 - In keiner anderen Nation ist die Konkurrenz im Tischtennis so groß wie in China. Dies hat auch Weltmeisterin Liu Shiwen in ihrer Karriere einige Male erfahren müssen - etwa, weil sie an ihrer größten Konkurrentin Ding Ning scheiterte oder bei den Olympischen Spielen noch nie im Einzel antreten durfte. In einer TV-Show öffnete sich die 28-Jährige vor wenigen Wochen, erzählte von ihrer Rivalität mit Ding Ning sowie den Tränen, die sie bei den Olympischen Spielen 2012 vergossen hat.

Liu Shiwen ist seit vielen Jahren eine feste Konstante im chinesischen Team. Den World Cup konnte sie bereits vier Mal gewinnen, im Doppel- und Teamwettbewerb bescherte sie ihrer Nation ebenfalls eine ansehnliche Anzahl von Titeln bei wichtigen Turnieren. Und trotzdem stand sie bis zur Weltmeisterschaft in Budapest in diesem Jahr oft im Schatten ihrer Teamkameradinnen, vor allem von Ding Ning, die als Olympiasiegerin und dreifache Weltmeisterin eine Sonderrolle im chinesischen Team einnimmt. In einer TV-Show beschrieb Liu vor wenigen Wochen, wie diese Rivalität das Verhältnis zwischen Ding und ihr beeinflusst. „Es gibt verschiedene Arten von Freunden“, wird sie von der South China Morning Post zitiert. „Es gibt Menschen, die wir jeden Tag in der Mannschaft sehen, die das Zimmer mit dir teilen und sehr enge Freunde werden können. Aber es gibt auch eine andere Art - wie bei Ding und mir. Wir haben seit frühester Kindheit miteinander gespielt, uns jeden Tag beim Training gesehen, aber auch miteinander am Tisch konkurriert. Tatsächlich haben wir mehr Zeit zusammen verbracht als mit unserer Familie. Aber durch diese Langzeitrivalität ist unser Verhältnis zwar eng, aber auch distanziert.“

Ding ist nur zehn Monate älter als Liu, somit bauten die beiden ihre Karriere parallel als Teamkameradinnen und Konkurrentinnen auf. Während bei den Olympischen Spielen 2008 beide noch nicht zu den Olympiastartern gehörten, wurde Ding 2012 in London an der Seite von Li Xiaoxia und Guo Yue sowohl im Einzel- als auch im Teamwettbewerb eingesetzt. Hier bestätigte sie das Vertrauen der Trainer, holte Gold mit der Mannschaft und gratulierte Li im Finale zum Olympiasieg. Liu Shiwen hingegen wurde nur als Ersatzspielerin mitgenommen, was sie damals sehr enttäuschte. Zwar freute sich sich mit ihren Teamkameradinnen über die Goldmedaillen, zu denen sie als Trainingspartnerin auch ihren Teil beigetragen hatte. „Aber in dem Moment weinte ich, weil ich dachte, dass ich die Fähigkeit hatte, es ins Team zu schaffen, aber leer ausgegangen war“, offenbart sie im Interview. „Tatsächlich weinte ich ziemlich viel während der Olympischen Spiele in London. Ich weinte nachts in meinem Bett, aber befürchtete, dass mich meine Zimmergenossin hören könnte. Also entschied ich mich, in der Dusche zu weinen, damit mich keiner hören konnte.“

2016 in Rio de Janeiro wurde ihr schließlich das Vertrauen geschenkt, China im olympischen Teamwettbewerb zu vertreten. Im Einzel erhielten die begehrten Startplätze allerdings Ding Ning und Li Xiaoxia, die sich wie vier Jahre zuvor am Ende im Finale um den Titel stritten. Die Olympischen Spiele in Tokio könnten nun Liu Shiwens große Bühne werden, um endgültig aus Ding Nings Schatten zu treten. Den ersten Schritt ins pralle Rampenlicht machte sie in diesem Jahr in Budapest, wo sie bei der Weltmeisterschaft nicht nur den Mixedwettbewerb mit Xu Xin gewann, sondern sich auch im Einzel mit Gold krönte, indem sie unter anderem Ding im Halbfinale bezwang. Somit ist die neue Weltmeisterin bei den Olympischen Spielen in Tokio 2020 nicht nur ein heißer Kandidat für den Teamwettbewerb und das Mixed-Doppel, sondern könnte auch erstmals die Chance bekommen, um den Einzeltitel zu spielen, und somit womöglich an allen drei Disziplinen teilnehmen. „Bis zu den Olympischen Spielen 2020 ist es noch ein Jahr und ich muss diese Gelegenheit ergreifen“, erklärt Liu. Nach jetzigem Stand stehen ihre Chancen auf jeden Fall sehr gut, dass sie in Tokio unter der Dusche höchstens Freudentränen verschüttet - vielleicht ja sogar drei Mal.

(JS)

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