WM 2019

Material-Talk, Teil 1: Was steckt hinter den bunten Belägen?

Was steckt hinter den bunten Belägen? Wir haben beim ITTF-Materialkomitee nachgefragt (©privat)

25.04.2019 - Die Nachricht, dass in Zukunft nicht mehr nur rot-schwarze Belagkombinationen erlaubt sein werden, sondern man sich auf die rote Seite auch eine andere Farbe kleben könnte, hat die Tischtennisszene in Aufruhr gebracht. Wir haben uns in Budapest mit zwei Mitgliedern des ITTF-Materialkomitees, nämlich Equipment Managerin Claudia Herweg und Dr. Torsten Küneth, die die Idee mit entwickelt haben, über die Hintergründe unterhalten.

myTischtennis.de: Die ITTF hat am Montag entschieden, dass künftig auch andere Belagfarben als rot und schwarz erlaubt sein sollen. Viele sehen den Sinn darin nicht und kritisieren, dass dies in erster Linie der Industrie gut tut. Was ist der Hintergrund dieses Antrags?

Claudia Herweg: Wir als ITTF haben nicht das Ziel, der Industrie Möglichkeiten zu verschaffen, Geld zu verdienen. In unserer Verantwortung liegt, dass sich der Sport weiterentwickelt - ob das nun die Fernsehtauglichkeit oder die Attraktivität für Kinder und Jugendliche betrifft. Die Gesellschaft verändert sich und da können wir als Tischtennis nicht stehenbleiben. Das ist unser Antrieb.

Torsten Küneth: Und Farbe ist einfach Lifestyle. Jeder Sport wird bunter. Also möchten wir mit der Auflockerung der Farbregelung in erster Linie ein Angebot an die Spieler machen. Warum sollen wir die Spieler unnötig begrenzen? In Japan ist im Damensport zum Beispiel die Farbe Rosa unheimlich beliebt. Bei der Schwarz-Rot-Regelung ging es ja nur darum, dass die beiden Seiten gut voneinander unterscheidbar sein sollen. Schwarz-Rot wurde damals gewählt, weil man jegliche Grenzfälle vermeiden wollte, aber irgendwann überlegt man eben neu, ob es denn weiterhin wirklich so streng rot sein muss. Das kann man doch heutzutage ein bisschen flexibler gestalten. Und es ist ja nicht so, als ob wir einem Spieler jetzt irgendeine Farbe aufs Auge drücken wollen. Keiner ist gezwungen, von rot umzusteigen, keiner ist gezwungen, sich einen neuen Belag zu kaufen. Es ist nur eine Erweiterung des Angebots. Und der schwarze Belag bleibt ohnehin, wie er ist.

myTischtennis.de: Viele Spieler sind solchen Veränderungen gegenüber nicht gerade positiv eingestellt. Sie fragen sich: „Warum müssen die immer alles verändern? Lasst unseren Sport doch, wie er ist!“. Ist dies auch wieder eine Veränderung, die sie fürchten müssen?

Claudia Herweg: Ich kann die Leute, die das sagen, schon verstehen. In den vergangenen Jahren hat es mit dem Frischklebeverbot und dem Plastikball gravierende Veränderungen gegeben. Menschen mögen prinzipiell Veränderungen nicht so gerne. Und ich gebe gerne zu, dass hier nicht alles gut gelaufen ist. Aber nur weil Veränderungen manchmal anstrengend sind, heißt das nicht, dass man stehenbleiben sollte. Unsere Aufgabe ist, zu schauen, welche technischen Verbesserungen wir brauchen und wie man den Sport attraktiv halten kann. Dazu zählt auch, den Profispielern optimale Möglichkeiten zu bieten, damit sie ihre beste Leistung abrufen können. Und trotzdem müssen wir uns auch immer fragen, wie viele Veränderungen der Spieler noch verträgt.  

Torsten Küneth: Wobei wir bei der Erweiterung der Belagfarbpalette und auch bei der angedachten Wiedereinführung des gelben Balls eine ganz andere Dimension von Veränderung haben als beim Plastikball. Einfach, weil das kein Muss sein wird, sondern eine weitere Möglichkeit. Niemand plant, dass verpflichtend mit dem gelben Ball gespielt werden soll oder ähnliches. Aber physikalische Tests haben ergeben, dass man gelb besser wahrnehmen kann als orange, so dass die Reaktionsfähigkeit der Spieler verbessert werden könnte. Der gelbe Ball soll den orangefarbenen ergänzen, nicht ersetzen. Und - um kritischen Nachfragen vorwegzugreifen - die neuen Belagfarben werden nicht ansatzweise im Bereich der Ballfarben liegen.

myTischtennis.de: Frau Herweg, Sie haben es eben schon angesprochen. Die Umstellung auf den Plastikball hat in der jüngeren Vergangenheit großen Unmut unter Spielern hervorgerufen. Die Qualität ist inzwischen sehr viel besser geworden, aber die Bälle unterscheiden sich untereinander trotzdem noch sehr stark. Was ist hier von Seiten der ITTF geplant?

Claudia Herweg: Die ersten zwei Jahre mit dem Plastikball waren für Tischtennisspieler weltweit sehr demotivierend, da stimmen wir völlig überein. Und doch musste man diese Regel umsetzen, weil sonst der Druck auf die Industrie zu gering gewesen wäre. Genau wie beim Frischklebeverbot musste die ITTF das einfach durchsetzen, damit die Hersteller wussten: Es gibt jetzt ein festes Datum. Doch bei der Umstellung auf den Plastikball ging es ja nicht nur um ein neues Material, sondern um einen Technologiewechsel, das heißt, auch die Produktionsabläufe mussten angepasst werden. Somit war das eine tiefgreifende Veränderung. Inzwischen ist vieles besser, wie z.B. die Haltbarkeit. Jetzt widmen wir uns verstärkt einem anderen Punkt: dem unterschiedlichen Absprungverhalten der verschiedenen Bälle. Wir haben erkannt, dass der Tisch einen großen Einfluss darauf hat, wie sich der Ball nach dem Auftreffen verhält. Dafür entwickeln wir nun neue Messgeräte, weil unsere aktuellen Möglichkeiten noch nicht ausreichen und wir Wissen erzeugen müssen. Das Messgerät, das Ende des Jahres fertig sein wird, misst die dynamischen Eigenschaften von Bällen verschiedener Hersteller auf verschiedenen Tischoberflächen. Und wenn wir diese Ergebnisse haben, wird diskutiert, wie wir mit diesen Erkenntnissen umgehen. Mein Ziel ist, dass wir die Bandbreite an unterschiedlichem Absprungverhalten reduzieren und wieder mehr Spin ins Spiel bringen. Denn für die Abnahme der Rotation sind meines Erachtens nicht alleine die Bälle verantwortlich, sondern deren Interaktion mit den Tischoberflächen.

Fortsetzung folgt! Im zweiten Teil des Interviews wird es um das Thema Tuning gehen.

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(JS)

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