Buntes

Walther im Interview: Manchmal wäre es schön, Däne zu sein

Ricardo Walther darf in diesem Jahr nicht mit zur WM fahren (©Steinbrenner)

21.04.2018 - Bei einer Nominierung für ein großes Turnier gibt es immer Gewinner und Verlierer. Vor einem Jahr, bei der Heim-WM in Düsseldorf, war Ricardo Walther einer der großen Gewinner, als er sowohl im Doppel als auch im Einzel starten durfte. Für die Team-WM in Halmstad, die am 29. April beginnt, wurde der 26-Jährige jedoch nicht nominiert. Wir sprachen mit ihm darüber, warum es diesmal nicht geklappt hat, obwohl er doch am Wochenende Silber bei den Croatia Open holen konnte.

myTischtennis.de: Ein Jahr ist es jetzt her, dass du die erste WM deiner Karriere spielen durftest. Mit welchem Gefühl blickst du nun - mit etwas Abstand - darauf zurück?

Ricardo Walther: Es war wirklich super, meine allererste WM in meinem Heimatland, sogar in der Stadt, in der ich wohne, zu spielen. Das hat alles gut zusammengepasst und war ein Riesenerlebnis für mich. Aber man hat dann natürlich auch das Ziel, bei den großen Turnieren jetzt immer dabei zu sein. Wir sind im September Europameister geworden, wo ich dabei war. Und natürlich war dann mein Ziel, auch bei der Team-WM in Halmstad mitspielen zu dürfen, auch wenn ich weiß, dass es in Deutschland nicht so leicht ist, ins Team zu kommen.

myTischtennis.de: Vor einem Jahr warst du der Glückliche, der den letzten WM-Einzelplatz bekommen hat. Diesmal bist du bei der Nominierung leer ausgegangen. Wie hast du die Entscheidung aufgenommen?

Ricardo Walther: Ich bin natürlich schon enttäuscht, nicht dabei zu sein - was als Sportler, denke ich, auch ganz normal ist. Bis Januar war ich verletzt und hatte eigentlich gehofft, dass die WM noch weit genug weg ist und ich das noch hinkriege. Ich habe dann auch noch eine Zeit lang gebraucht - vor allem Training und Wettkampfpraxis -, aber ich denke, dass ich bei den German Open gezeigt habe, dass wieder mit mir zu rechnen ist, da ich dort sehr gut gespielt habe. Danach lief es auch in der Liga sehr gut, am Wochenende konnte ich Silber bei den Croatia Open holen und auch im Training habe ich das Gefühl, wieder voll leistungsfähig und in guter Form zu sein.

myTischtennis.de: Hättest du dich spielerisch in den Top 5 gesehen?

Ricardo Walther: So kann man das, glaube ich, nicht sagen. Mit Timo und Dima haben wir zwei Topspieler, die eh außen vor stehen. Dahinter haben wir mit Ruwen, Patrick, Basti, Bene und mir (Anmerkung der Redaktion: Ruwen Filus, Patrick Franziska, Bastian Steger, Benedikt Duda) zurzeit fünf Spieler, zwischen denen sich vom Niveau her nicht viel tut. Der eine ist sicher konstanter als der andere, Patrick hat bei den German Open herausragend gespielt. Wenn man nach der Weltrangliste geht, sind jetzt die fünf Bestplatzierten nominiert worden, aber man kann nicht sagen, dass das jetzt die fünf Besten sind und der Rest weit weg ist. Ich denke, dass wir zurzeit sieben gute Spieler haben, die es alle verdient gehabt hätten, dabei zu sein.

myTischtennis.de: Das hat Jörg Roßkopf ja auch nicht bestritten. Er hat seine Entscheidung gegen dich so erklärt, dass du zum Zeitpunkt der Nominierung noch wegen deiner Knochenhautentzündung im Trainingsrückstand warst. War das nicht so?

Ricardo Walther: Ich weiß ja gar nicht, wann der Nominierungszeitpunkt genau war. Mir wurde die Entscheidung erst kurz nach den German Open mitgeteilt, wo ich ja ziemlich gut gespielt habe. Von daher sehe ich mich jetzt aktuell nicht in einem Trainingsrückstand oder in einer Formkrise. Wenn die Nominierung im Februar gemacht wurde, dann war das sicher so. Aber im April, als mir das mitgeteilt wurde, habe ich mich eigentlich gut gefühlt. 

myTischtennis.de: Wie wurde die Nominierung denn diesmal vorgenommen? Es gab ja keinen internen Wettkampf mit Punktesystem wie früher schon einmal…

Ricardo Walther: Genau, man konnte sich nicht direkt dafür qualifizieren, sondern Rossi hatte uns mitgeteilt, dass er nach den Qatar und German Open nominiert. Dann hatte ich ein Einzelgespräch mit den Trainern, in dem ich erfahren habe, dass ich nicht dabei bin. Oder eher, dass ich bei der WM-Nominierung gar keine Rolle gespielt habe. Ich hatte schon geahnt, dass ich eher nicht dabei bin, weil ich lange nicht gut gespielt habe und eben verletzt war. Aber ab den German Open lief alles wieder richtig gut und ich habe auch wieder viel Selbstvertrauen gewonnen. Von daher hat es mich schon sehr überrascht, dass ich bei der Nominierung gar keine Rolle gespielt habe und offenbar gar nicht in Frage kam.

myTischtennis.de: Noch gibt es ja wegen Dimitrij Ovtcharovs Verletzungsproblemen auch immer noch die Möglichkeit, dass ein sechster Mann einspringen muss. Hier wurde Benedikt Duda als Ersatzmann ausgewählt. Hättest du dich denn da vor ihm gesehen?

Ricardo Walther: Tatsächlich wusste ich bis jetzt gar nicht, dass Bene der Ersatzmann sein soll. Das überrascht mich jetzt auch ein wenig, denn mit mir hat kein Trainer darüber gesprochen. Da hätte ich, ehrlich gesagt, schon erwartet, drüber informiert zu werden. Zu deiner Frage: Ich denke, wir sind ungefähr auf einem Niveau. In der Weltrangliste bin ich ein bisschen vor ihm, bei den Croatia Open am Wochenende bin ich eine Runde weiter gekommen als er. Von daher sehe ich mich jetzt nicht deutlich hinter ihm, aber bin auch nicht überrascht, dass er es geworden ist. Wenn sich die Trainer für ihn entschieden haben, habe ich das zu akzeptieren. Aber ich hätte es schon gerne anders erfahren.

myTischtennis.de: Bevorzugst du einen direkten Kampf um die Startplätze bei einem Turnier, so wie es ja in der Vergangenheit schon das eine oder andere Mal gemacht wurde?

Ricardo Walther: Ich glaube, beides hat seine Vor- und Nachteile. Aber bei Mannschaftsturnieren bin ich der Meinung, dass der Trainer die Zusammensetzung des Teams bestimmen sollte, weil es hier auch darum geht, dass man eine geschlossene Einheit ist und es keinen Stress in der Mannschaft gibt. Der Trainer sollte die Spieler und Spielsysteme, die er für sein Team bei diesem Turnier für richtig hält, frei auswählen können. Das andere Verfahren, bei dem man sich etwa durch ein Punktesystem für ein Turnier qualifizieren kann, hat natürlich auch seinen Reiz für uns. Auf der anderen Seite könnte es dann auch passieren, dass sich jemand qualifiziert, den der Trainer eigentlich nicht im Team sieht. Daher denke ich, bei Mannschaftsturnieren sollte der Trainer seine Spieler nominieren, im Einzel ist sicher beides möglich.

myTischtennis.de: In anderen Ländern würdest du - oder auch Benedikt Duda - zur Stammbesetzung gehören. Das hat auch Jörg Roßkopf noch einmal betont. Wünschst du dir manchmal einen holländischen oder norwegischen Pass?

Ricardo Walther: In dem Einzelgespräch, das ich nach den German Open mit den Trainern hatte, wurde mir ja auch viel Positives gesagt. Von daher weiß ich auch, dass die Trainer wissen, was ich kann. Aber klar, ich bin jetzt die Nummer 38 der Welt. Ich glaube, da wäre ich bei fast allen Gruppengegnern von Deutschland unter den ersten drei Spielern und würde wahrscheinlich immer spielen. Von daher ist es sicherlich auch ärgerlich, dass man in Deutschland so kämpfen muss, um überhaupt dabei zu sein, während es woanders reichen würde, in den Top 100 zu sein. Auf der anderen Seite hat man durch den Konkurrenzkampf bei uns auch den Druck, immer 120 % zu geben, und probiert, sich am anderen noch vorbeizuschieben. Wenn man jetzt so eine WM nicht spielen darf, denkt man manchmal aber schon: Warum habe ich jetzt keinen dänischen Pass? Aber am Ende bin ich Deutscher und würde auch nicht mein Land wechseln wollen.

myTischtennis.de: Da gibt es ja aber auch ein paar Beispiele für…

Ricardo Walther: Für mich kommt das auf keinen Fall in Frage.

myTischtennis.de: Rossi sagte auch, dass die, die jetzt nicht mitfahren dürfen, das als Ansporn nehmen, um für die nächsten Nominierungen noch mehr an sich zu arbeiten. Kannst du das für dich unterschreiben?

Ricardo Walther: Ich bin auf jeden Fall jetzt nicht zufrieden und will bei den nächsten Turnieren wieder dabei sein. Nach der Nominierung ist sicher jeder Spieler, der nicht dabei ist, enttäuscht und auch ein bisschen frustriert. Die Nicht-Nominierung an sich spornt mich vielleicht jetzt nicht direkt an, aber mein Ziel ist es sowieso, immer dabei zu sein - ob man jetzt mitspielen durfte oder nicht.

myTischtennis.de: Dadurch hast du jetzt eine lange Pause bis zu den Hongkong Open Ende Mai. Was machst du bis dahin?

Ricardo Walther: Genau, es sind fünf Wochen ohne Wettkampf für mich. Danach kommen noch drei Turniere, bis eh Urlaub ist. Auf diese Wettkämpfe werde ich mich jetzt bestmöglich vorbereiten und gut trainieren, dass ich da in Topform auflaufen werde und vorm Sommer noch mal angreifen kann. Und außerhalb der Halle wird man sicher auch mal das Wetter genießen. 

myTischtennis.de: Was ist denn jetzt dein nächstes großes Ziel, da die WM nun weggefallen ist?

Ricardo Walther: Ich bin nach meiner Verletzung aus den Top 30 herausgefallen. Ein Ziel ist es daher, durch die Turniere im Sommer wieder in die Top 30 einzuziehen und mit einem guten Gefühl in die Sommerpause zu gehen. Und danach ist das nächste Ziel auf jeden Fall, bei der EM in Alicante dabei zu sein, und nicht wieder gesagt zu bekommen, dass ich leider zu Hause bleiben muss.

(JS)

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