TTBL

TTBL-Chef Stehle: Erreichen der Sollstärke langfristiges Ziel

Nico Stehle spricht im myTischtennis-Interview u.a. über die Stollstärke der TTBL und die Überlegungen zu diversen Spielsystemen (©BeLa Sportfoto)

20.03.2017 - Zehn Vereine haben sich für die Saison 2017/2018 um eine Teilnahme am Spielbetrieb der Tischtennis Bundesliga beworben, neben den derzeitigen neun TTBL-Klubs auch Zweitligaspitzenreiter TSV Bad Königshofen. Angehoben wurde die Sollstärke der Liga für die kommende Saison dabei eigentlich auf zwölf Mannschaften. Über das Nicht-Erreichen der Sollstärke, die Wiedereinführung des Doppels und die Vor- und Nachteile diverser Spielsysteme sprachen wir mit TTBL-Geschäftsführer Nico Stehle.

myTischtennis.de: Zehn Mannschaften haben für die Saison 2017/2018 eine Lizenz für die höchste deutsche Spielklasse beantragt. Neben den bisherigen TTBL-Klubs auch Zweitligist Bad Königshofen. Wie zufrieden sind Sie mit dieser Anzahl an Vereinen?

Nico Stehle: Wir sind nicht davon ausgegangen, dass wir in dieser Saison schon die Sollstärke von zwölf Mannschaften erreichen. Das ist unser langfristiges Ziel, um eine höhere Durchlässigkeit zwischen der 1. und 2. Bundesliga zu erreichen, weil durch mehr Teams auch die Heterogenität steigt und der Verbleib für Aufsteiger machbarer wird. Insgesamt sind die Bewerbung des Zweitligisten Bad Königshofen und die Bewerbung aller derzeitigen TTBL-Vereine ein wichtiges Signal für uns und ein Schritt in die richtige Richtung.

myTischtennis.de: Wie gestaltete sich die Situation bei anderen Zweitligisten? Welche Vereine waren noch kurz davor, den Schritt in die Erstklassigkeit zu wagen, und was hat letztendlich dagegen gesprochen?

Nico Stehle: Insgesamt hat ein intensiver Austausch mit der 2. Liga stattgefunden. Es gibt durchaus weitere Vereine, die sich mittelfristig mit dem Thema Aufstieg befassen. Die Gründe für oder gegen den Aufstieg sind sehr individuell, können finanzieller, personeller oder organisatorischer Art sein. Zum Teil sind es auch strukturelle Beweggründe wie z.B. das Spielsystem. Wir nehmen uns all diesen Gründen an und haben bereits Brücken geschlagen, indem wir beispielsweise die Lizenzgebühren für Aufsteiger gesenkt, die Lizenzbedingungen gelockert, die Sollstärke der Liga erhöht und das Doppel perspektivisch integriert haben.

myTischtennis.de: Ist abzusehen, wann die Sollstärke von zwölf Mannschaften erreicht wird? Hat sich die TTBL in dieser Angelegenheit ein zeitliches Ziel gesetzt?

Nico Stehle: Wir haben uns kein zeitliches Ziel gesetzt. Es geht uns um eine langfristige Stabilisierung, dahingehend haben wir die Weichen mit der Erhöhung der Sollstärke und erleichterten Einstiegshürden gestellt. Es wäre kein Misserfolg, auch 2018/2019 die Saison mit zehn oder elf Mannschaften zu bestreiten. Wir streben aber natürlich an, dass es perspektivisch mehr Mannschaften werden.

myTischtennis.de: Stimmt es, dass in Fällen, in denen die Sollstärke nicht erreicht wird, sich auch andere Vereine, also nicht nur die Zweitligisten, mit entsprechenden finanziellen Mitteln in die Liga ‚einkaufen’ könnten?

Nico Stehle: Prinzipiell ist das wie in der Volleyball- oder Basketball-Bundesliga möglich. Sollten nach Maßgabe der Auf -und Abstiegsregelungen nicht alle Teilnahmerechte vergeben und somit die Sollstärke nicht erreicht werden, könnte in diesem Fall die Gesellschafterversammlung der TTBL Sport GmbH und somit die TTBL-Vereine selbst entscheiden, ob ein weiterer Bewerber ein Teilnahmerecht erwirbt.

myTischtennis.de: Die Wiedereinführung des Doppels zur Saison 2018/2019 kommt den Zweitligisten ja prinzipiell entgegen. Welche Gründe haben aber dazu geführt, dass ein neues Spielsystem geschaffen wurde und das Doppel dort ‚nur’ als letztmögliche Partie beim Stand von 2:2 zum Tragen kommt?

Nico Stehle: Die Wiedereinführung des Doppels in dieser Form soll ein Brückenschlag zum Tischtennis als praktiziertem Mannschaftssport, zur 2. Liga und auch schon zu einer möglichen Übernahme unseres Modells in europäischen Vereinswettbewerben sein.  Das wäre der große Wurf, von dem wir hoffen, dass er gelingt. Hierzu haben wir im Vorfeld unserer Entscheidung intensive und konstruktive Diskussionen über verschiedene Spielsysteme geführt, die Vor- und Nachteile ausführlich abgewogen. Uns war wichtig, dass die beiden Spitzenspieler anders als bei Olympia weiter mit hoher Wahrscheinlichkeit aufeinandertreffen und anders als beim System der chinesischen Super League alle drei Spieler einer Mannschaft auch zum Einsatz kommen. Beim Olympia-System hätte die Heimmannschaft einen zusätzlichen Vorteil bei der Aufstellung. Das wollten wir auch nicht. Wir haben auch über ein Modell mit der Möglichkeit eines Unentschiedens nachgedacht, streben aber eine große Lösung mit wieder einheitlichen Spielsystemen im Pokal und perspektivisch auch den internationalen Wettbewerben an. Mit diesen Wettbewerben, aber auch z.B. mit dem TTBL-Finale wäre ein solches Modell mangels Entscheidungsfindung nicht oder nur schwer vereinbar gewesen. Denn bei einem Unentschieden wäre ja ein Satz- oder Ballvergleich nötig, solch eine Lösung wollten wir vermeiden. Entscheidungen über Spielsysteme sind immer ein Kompromiss mit Vor- und Nachteilen. Das Dreier-Mannschafts-System mit Doppel vereint aus unserer Sicht die meisten guten Elemente. Das Doppel ist hierbei das Zünglein an der Waage und bildet das Entscheidungsspiel um Sieg oder Niederlage, erhält dadurch eine dramaturgisch hohe Bedeutung. Uns war wichtig, dass der an Position drei aufgestellte Spieler auch definitiv zum Einsatz kommt, gerade im Hinblick auf deutsche Nationalspieler – deshalb diese Begegnung als 3. Spiel. Als interessante Tatsache sei noch zu erwähnen: Insgesamt brachte in etwa einem Drittel aller Spiele in den letzten Jahren ein fünftes Match die Entscheidung. Somit kann man nicht sagen, dass es nur in den wenigsten Fällen zum Doppel kommen wird. Ich halte das künftige System für ein gutes System, schließlich wollen die Zuschauer auch die jungen deutschen Spieler im Einzel und das Duell der beiden Spitzenspieler (als 4. Spiel) sehen.

myTischtennis.de: Auch international, z.B. in der Champions League, könnte dieses Spielsystem in Zukunft angewendet werden. Wie ist dabei der aktuelle Stand?

Nico Stehle: Im Champions League-Komitee der ETTU laufen vor dem Hintergrund unserer Pläne derzeit Gespräche. Da sehen wir Bestrebungen, dass unsere Entscheidung auch international zur Saison 2018/2019 übernommen werden könnte, zumindest ist die Stimmung dafür in einer breiten Mehrheit positiv. Es wäre natürlich toll, wenn unser System dort und dann auch zeitgleich mit unserer Systemumstellung zum Zuge käme, denn eine Einheitlichkeit auf nationaler (Bundesliga und Pokal) und internationaler Ebene ist anzustreben. Abgesehen davon wird unser System aktuell auch in Frankreich diskutiert.

myTischtennis.de: Im Gegensatz zu diesen ganzen Überlegungen taucht in den Kommentaren vieler myTischtennis-Leser immer wieder die Forderung auf, man solle in der TTBL wieder zu einem System mit vier Spielern und Partien an zwei Tischen zurückkehren. Macht alleine die Orientierung am Spielsystem der internationalen Wettbewerbe (Champions League/ETTU Cup) diese Gedanken zunichte oder könnte es tatsächlich in den nächsten Jahren eine Rückkehr geben?

Nico Stehle: Eine Rückkehr ist unwahrscheinlich, aber das liegt nicht allein an der Orientierung am Spielsystem der internationalen Wettbewerbe. Wir haben uns, wie erwähnt, intensiv mit mehreren Spielsystemen auseinandergesetzt, jedes hat seine Vor- und Nachteile. Wir sind davon überzeugt, dass das Dreier-Mannschafts-System mit Doppel und Spiel an einem Tisch die meisten guten Elemente vereint. Wir glauben, dass sich das Spielgeschehen in der Bundesliga, wie in anderen Sportarten auch, auf einen Tisch konzentrieren muss. Dieses Center Court-Prinzip erlaubt es den Zuschauern, nah am Geschehen zu sein und ermöglicht die lückenlose Übertragung der Begegnung im Internet und TV. Durch die parallele Einführung von mehreren Bällen und weiteren Maßnahmen zur Bruttospielzeitverkürzung können die Fans Tischtennis kompakt erleben. Auch das Vierer-Mannschaftssystem hat seine Stärken, aber auch Schwächen: So bleiben im Spielverlauf immer wieder Tische frei: Beispielsweise wenn die Eingangsdoppel und die Spiele der Positionen eins und zwei nicht zeitgleich enden sowie wenn die beiden Spitzenspieler nach dem Doppel erst einmal eine kurze Pause einlegen. Des Weiteren gibt es keine taktische Einflussmöglichkeit, da die Positionen anhand von Mannschaftsmeldungen fixiert sind. Zudem werden verletzte Spieler zum Teil aufgestellt, um ein Aufrutschen auf vordere Positionen zu verhindern. Generell kann man auch keine akut im Spielverlauf verletzten Spieler während des Mannschaftsspiels auswechseln. Die mediale Übertragung von zwei parallelen Spielen ist außerdem nur eingeschränkt möglich. Und, wie bereits erwähnt, sind bei Entscheidungsspielen in der Bundesliga, dem Pokal oder den internationalen Wettbewerben – ohne künstliche Hilfen wie Satz- oder Ballvergleiche – keine Sieger zu ermitteln. Somit wäre beim aktuellen Vierer-Mannschaftssystem keine Einheitlichkeit auf nationaler und internationaler Ebene gegeben. Auch sind Ergebnisse eher vorhersehbar als beim Dreier-Mannschaftssystem, so dass Favoritenstürze, wie es beispielsweise der Pokalwettbewerb in den vergangenen Jahren mit den Überraschungserfolgen von OE Bad Homburg und zuletzt Hilpoltstein gezeigt hat, schwerer möglich sind. Insgesamt sind wir sehr an einer einheitlichen Lösung für alle Bundesligen auf nationaler Ebene und möglichst auch auf internationaler Ebene interessiert und hoffen, dafür den bestmöglichen Kompromiss gefunden zu haben. 

In seinem aktuellen Blog beschäftigt sich auch Dietmar Kramer mit der Sollstärke der TTBL

(DK)

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