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Dietmars Blog: T2 Diamond – Musterbeispiel oder Muster ohne Wert?

Sind die T2-Diamond-Turniere ein Gewinn für den Tischtennissport? (©T2 Diamond)

22.07.2019 - Mit Spannung hat die internationale Tischtennis-Szene auf diese Weltpremiere gewartet: Ein von offiziellen Seiten mit viel Getöse angekündigtes Turnier mit den besten Aktiven auf dem Globus um eine Menge Preisgeld und Weltranglistenpunkte und dennoch mit experimentellen Regeln. Unser Blogger Dietmar Kramer hat sich einmal ausgiebiger mit dem T2-Diamond-Turnier in Malaysia befasst – und kommt zu einem zwiespältigen Ergebnis.

Offizielle Zulassung für T2 ein Wagnis
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt: Weitgehend nach diesem Motto dürfte der Weltverband ITTF seine Zustimmung zur Aufnahme der T2-Diamond-Turniere am vorletzten Juli-Wochenende in Malaysia und zu zwei späteren Zeitpunkten im Jahresverlauf in seinen offiziellen World-Tour-Kalender gegeben haben. Formal sicher kein leichter Schritt, wenngleich dabei sicherlich auch ein gewisser wirtschaftlicher Druck auf der ITTF-Spitze gelastet hat: Die Vergabe von Weltranglistenpunkten, derzeit auch besonders wichtigen Weltranglistenpunkten für einen Wettbewerb, der sich in durchaus wichtigen Bereichen wie Spieldauer und Zählweise erheblich vom gültigen Regelwerk unterscheidet, ist denn auch ein Wagnis auch für die eigene Glaubwürdigkeit gewesen.

Was aber ist jetzt Gewinn? Nun, die Auswirkungen der begrenzten Spieldauer und der Kurzsätze nach Ablauf der „Match clock“ sind bereits seit der T2-Testlaufserie vor zwei Jahren weitgehend bekannt. Tatsächlich erscheint im T2-Format einerseits der Turnierverlauf straffer und weniger langatmig sowie andererseits die Anzahl von Momenten höherer oder gar höchster Spannung höher. Beide Effekte dürften durch das Online-Spektakel in den Pinewood Iskandar Studios von Johor Bahru lediglich nochmals bestätigt worden sein. 

Höhere Zahl von Spannungsmomenten ein Plus
Wichtig war der ITTF und hatte auch zu sein, die Experimente – außer lediglich in finanzieller Hinsicht – auch sportlich unter „echten“ Wettkampfbedingungen und offiziell anerkannt stattfinden zu lassen. Bezüglich der Vervielfachung von Entscheidungssituationen sollte die Bewertung nach den insgesamt nur 32 Spielen positiv ausfallen: In 20 Begegnungen oder fast 60 Prozent aller 32 Matches fand nach Ende der 24-minütigen Standardspielzeit das sogenannte „Fast 5“ mit Sätzen bis zum fünften Punkt ohne die übliche Voraussetzung von zwei Zählern Vorsprung statt. In immerhin 15 „regulären“ Sätzen wurde bei 10:10 der Gewinner des Durchgangs ohne „Verlängerung“ in nur noch einem einzigen weiteren Ballwechsel ermittelt und in sieben „Fast 5“-Sätzen. Der ultimative Showdown bei einem 4:4 im siebten Satz allerdings stieg nur einmal. Über 50-mal herrschte also – zumindest auf dem Papier – zusätzliche Spannung über das Normalmaß hinaus.

Ähnliche Werte für die beiden weiteren T2-Diamond-Turniere bis Ende 2019 vorausgesetzt sollte die ITTF in absehbarer Zeit aber nunmehr auch zu einer Grundsatzentscheidung über die entsprechende Reform der Zählregeln gelangen. Wenn zur Erhöhung der Zuschauer- und Medienattraktivität eine Verkürzung der Gesamtspielzeiten von Matches und Turnieren bei gleichzeitiger Erhöhung von Spannungsmomenten die Ziele gewesen sind, so dürften die Vorgaben voraussichtlich zumindest als erfüllt angesehen werden. Ob gut 20 Jahre nach der Abschaffung der traditionellen „21“ als letztem Punkt der politische Wille zu einer abermaligen Änderung der Vorschriften ausreicht, muss indes noch abgewartet werden.

Experiment ohne Einbindung der Basis
Nicht zuletzt auch wegen der bestenfalls nur halbherzigen Einbindung der Öffentlichkeit. Dabei ist die Übertragung des Geschehens in der „T2 Cavern“ ausschließlich per Livestream noch der kleinste Kritikpunkt. Vielmehr hätte den Organisatoren eine offensive Strategie zur Information der Fans sehr gut zu Gesicht gestanden. 

Damit sich nämlich die Basis eine Meinung zu dem Versuchsballon zur „Verschiebung der Grenzen des Spiels“ (ITTF-Geschäftsführer Steve Dainton) bilden kann, im Idealfall sogar mitgenommen wird, sind gerade in einem Fall wie des Turniers in Malaysia und seiner nachfolgenden Auflagen die zeitnahe Aufbereitung von Daten und Analysen nicht nur wünschenswert, sondern geradezu eine Pflicht. Doch bei T2 in Malaysia herrschte diesbezüglich auf unerwartet unprofessionelle Weise Fehlanzeige. Nicht eine einzige Silbe ließ die ITTF an den vier Turniertagen etwa zu den Auswirkungen des Experiments auf die durchschnittliche Spielzeit eines Matches verlauten, obwohl solche Fakten das Turnier doch überhaupt erst interessant gemacht hätten und angesichts der langen Vorlaufzeit problemlos zu generieren gewesen wären. „Lin Yun-Ju und Zhu Yuling gewinnen in Malaysia“ berichtete die ITTF allerdings nur trocken – wenn die Fans mitgenommen werden sollen, was sie auch wollen und wohl auch müssen, muss von den Machern schon mehr als 'Business as usual' geboten werden.

Ein Hauch von Wettbewerbsverzerrung
Als fragwürdig muss außerdem sicherlich weiterhin die Festlegung des Teilnehmerkreises angesehen werden. Durch den Charakter von T2 als Einladungsturnier für die absolute Elite bedeuten die gewonnenen Weltranglistenpunkte einen massiven Eingriff in die Olympia-Qualifikation. Wenn Aktive über das Jahresfinale der World Tour hinaus im Gegensatz zu 16 Konkurrenten vom Zugang zu womöglich entscheidenden Zählern für einen Platz beim olympischen Turnier 2020 in Tokio ausgeschlossen werden, weht zumindest auch ein Hauch von Wettbewerbsverzerrung durch die „T2-Höhle“. Dass derart viele Punkte auch noch in formal regelwidrigen Turnieren gesammelt werden können, verstärkt dieses 'Gschmäckle' nur noch. 

Fast scheint es, dass die ITTF – fraglos auch auf Drängen ihres World-Tour-Hauptsponsors und Präsidenten-Berater Frank Ji – derzeit zu schnell zu viel will. Eine solche Serie hätte 2021 – eben nach Olympia – womöglich noch deutlich mehr Sinn als in diesen wichtigen Monaten gemacht. 

So bleibt denn auch insgesamt eine, vielleicht sogar die wichtigste Frage noch unbeantwortet: Ist die T2-Diamond-Serie ein Musterbeispiel oder ein Muster ohne Wert?

(Dietmar Kramer)

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