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Janinas WM-Blog: Last-Minute-Starter eine gute Idee?

Wer ist bei der WM 2019 im deutschen Team? Das steht eine Woche vor Beginn noch nicht ganz fest (©Thomas)

15.04.2019 - Während die internen Ausscheidungsspiele um die Startplätze für die WM 2019 in Japan oder China längst abgeschlossen sind, ist das deutsche Herrenteam noch mitten im Wettbewerb. Macht Bastian Steger das Rennen oder doch Ricardo Walther oder Benedikt Duda? Eine Woche vor WM-Start ist diese Frage noch nicht geklärt. myTischtennis.de-Redakteurin Janina Schäbitz, die ihr Flugticket nach Budapest schon sicher hat, denkt über Vor- und Nachteile dieser Methode nach.

Nur noch fünf Tage sind es, bis mich ein Flieger von Frankfurt hoffentlich wohlbehalten nach Budapest bringen wird. Eben habe ich mir schon einmal angeschaut, wie meine Unterkunft aussehen wird, wie ich von dort zur Halle komme und wo ich unterwegs noch einen Happen essen könnte (was bei Weltmeisterschaften erfahrungsgemäß keine unwichtige Frage ist). Diese ersten Vorbereitungen waren jetzt noch nicht erschöpfend, damit bin ich allerdings schon ein paar ganz entscheidende Schritte weiter als eine bestimmte Person, die heute, sechs Tage vor WM-Start noch gar nicht weiß, dass sie ebenfalls nach Budapest fliegen wird, obwohl sie dort eine viel entscheidendere Rolle spielen wird als ich: der fünfte Starter der deutschen Herren, der heute Abend, womöglich sogar erst morgen Mittag ermittelt wird.

Nominierung auf den letzten Drücker

So knapp dran wie in diesem Jahr war das deutsche Trainerteam mit der Nominierung seiner WM-Starter zumindest in der jüngeren Vergangenheit noch nie. Zwar lassen sich Bundestrainer Jörg Roßkopf und Co. traditionell gerne etwas mehr Zeit als bis zur offiziellen ITTF-Deadline, indem erst einmal die besten Deutschen in der Weltrangliste als Starter angegeben, diese aber im Nachhinein oft noch einmal ausgetauscht werden. Dass weniger als eine Woche vor WM-Start noch interne Ausscheidungskämpfe ausgetragen werden, ist jedoch durchaus ungewöhnlich. Die Gründe für diese Begebenheit erklärte ‚Rossi‘ auf dem WM-Medientag vorige Woche Dienstag, an dem logischerweise nur vier von fünf Startern für Interviews bereitstanden und über dem zweiten Herren- und Mixed-Doppel noch große Fragezeichen prangten, folgendermaßen: Erstens sei die Terminfindung für die internen Wettkämpfe schwierig gewesen, zumal bei sechs Kandidaten im Modus ‚jeder gegen jeden‘ auch viele Spiele vonnöten seien. Zweitens könne er auf diese Weise sicher sein, dass die Nominierten auch zum Zeitpunkt der WM in absoluter Topform sind und er mit dem stärksten Team nach Budapest fährt.

Gerade den zweiten Punkt kann man aus seiner Sicht nur zu gut verstehen. Man erinnere sich an voriges Jahr, als sich in Halmstad ein immer stärker gehandicaptes deutsches Team von Runde zu Runde kämpfte. Dimitrij Ovtcharov war schon mit Hüftproblemen nach Schweden gereist, die ihn ziemlich bremsten und nach der WM zu einer längeren Pause zwangen, und kämpfte obendrein noch mit einem lästigen Husten. Patrick Franziska zog sich mitten im Turnier eine Zerrung im linken Oberschenkel zu und musste ein paar Spiele auslassen. Und zu allem Unglück ‚explodierte‘ vor dem Viertelfinale auch noch Timo Bolls Ischias, wie er es formulierte, was ihm ebenfalls kurzzeitig die Zuschauerrolle auf der Bank einbrachte. Somit grenzte es im Halbfinale gegen Korea schon fast an eine Sensation, dass für Deutschland trotz all dieser Probleme am Ende die Silbermedaille heraussprang. Dass Jörg Roßkopf diesen Nervenkitzel, kurz vor dem Spiel nicht zu wissen, welcher seiner Schützlinge einsatzfähig ist, nicht noch einmal braucht, ist offensichtlich.

Dang Qiu und ?

Vor der WM in Budapest, wo die Spieler vor allen Dingen sich selbst und nicht ihrer Mannschaft gegenüber verpflichtet sein werden, weiß ‚Rossi‘ zwar bereits, dass einer seiner Spitzenspieler, nämlich Timo Boll, aktuell noch mit ein paar „Wehwehchen“ zu kämpfen hat. Dafür kann er sich vor allem bei den beiden Spielern, die sich ihre Nominierung im internen Wettkampf verdient haben, in Sachen Form sicher sein. Einer davon wird Debütant Dang Qiu sein, den viele sicher nicht auf der Liste hatten und der immerhin knapp zwei Wochen vor WM-Start seinen Platz bekam. Das letzte deutsche Teammitglied wird hingegen erst diese Woche ermittelt. Die besten Chancen hat aktuell Bastian Steger, der mit einem Sieg über Ruwen Filus heute Abend den Sack zumachen kann. Im Fall einer Niederlage kämen auch Benedikt Duda und Ricardo Walther, die heute mit Steger gleichziehen können, noch einmal ins Gespräch. Dann würde Dienstagmittag die endgültige Entscheidung zwischen ihnen fallen. Wie ist es wohl für diese drei Spieler, noch immer in der Luft zu hängen? 

Ich denke, man kann dies sowohl von der positiven als auch von der negativen Seite aus betrachten. Sicherlich ist es tendenziell für jeden angenehmer, frühzeitig zu wissen, dass man bei einer WM mitspielt, und sich schon einmal mit dem Gedanken vertraut machen zu können. Aber vielleicht ist es auch gerade von Vorteil, wenn man nicht wochenlang Zeit hat, über mögliche Gegner und eigene Ziele nachzugrübeln. Der Druck, den man sich selbst macht und der einen im ungünstigsten Fall lähmt, türmt sich auf diese Weise womöglich nicht all zu hoch auf. Ob man zum einen oder zum anderen neigt, ist allerdings völlig individuell und typabhängig. Sicher ist, dass sich dieser Spieler bis kurz vor WM-Start bereits im Wettkampfmodus befindet und einige wertvolle Matches unter Turnierbedingungen macht, was ihm den Einstieg in die WM erleichtern könnte - eine Qualifikation direkt vor der eigentlichen Vorrunde quasi. Negativ könnte sich diese späte Entscheidung aufs Doppel auswirken, da dessen Zusammensetzung erst nach der Ermittlung des letzten Einzelstarters vorgenommen wird. Zwar erklärte ‚Rossi‘ beim WM-Medientag, dass er über eine Vielzahl an guten Doppelspielern verfügt, die auch ohne große Vorbereitung unabhängig vom Partner abliefern können. Wenn man sieht, wie gut die asiatischen Duos aufeinander eingespielt sind, erscheinen ein paar gemeinsame Trainingseinheiten mehr trotzdem nicht unnütz. Und nur der Vollständigkeit halber: Aus Sicht der Journalisten wäre es natürlich ebenfalls ganz nett gewesen, zumindest beim Medientag zu wissen, wer denn noch mitkommt. Die Wörter "hätte", "könnte", "würde" möchte man bei der Vorschau zu einem großen Event halt gerne vermeiden... 

Abschneiden in Budapest entscheidet

Wie man die kurzfristige Nominierung auch bewerten möchte, für den glücklichen Sieger des Qualiturniers wird es am Ende wohl nicht von entscheidender Bedeutung sein, wann er sein Ticket gelöst hat. Die Verlierer, die sich bis zuletzt Hoffnungen gemacht haben, hätten sich sicher gefreut, ein bisschen früher Gewissheit darüber zu haben, wo sie die nächste Woche verbringen, aber auch sie werden das verkraften. Am Ende entscheidet letztlich nur, wie die Nachzügler in Budapest abschneiden. Und wer weiß? Vielleicht hat ‚Rossi‘ mit dieser Methode ja genau ins Schwarze getroffen. Ich bin vor Ort und werde Dang Qiu und Spieler XY selbstverständlich genau im Auge behalten. Und Sie, liebe myTischtennis.de-User, werden über meine Erkenntnisse ganz sicher frühzeitig informiert - versprochen!

Auf dem myTischtennis.de-Facebookkanal bieten wir heute Abend um 20 Uhr einen Livestream des Spiels Bastian Steger gegen Ruwen Filus an!

(JS)

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